Kurz & bündig

- Fünf Landwirte aus der Region bringen jeden Morgen ihre Bio-Milch in die Käserei «Le Sapalet» in Rossinière VD.
- «Le Sapalet» ist auf Schafsmilchprodukte spezialisiert, verarbeitet aber auch Kuh- und Ziegenmilch.
- Die gelieferte Bio-Milch wird hin und wieder zur Kontrolle und Analyse beprobt. Das Arbeits-verhältnis zwischen Käserei und Landwirten beruht auf einer soliden Vertrauensbasis.

Es ist Anfang Juni, 5 Uhr in der Früh. Der Wecker klingelt. Oriane Novello steht auf und macht sich bereit für ihren Arbeitstag als angehende Milchtechnologin mit Eidgenössischem Fähigkeitsausweis. Die 23-Jährige schliesst in diesen Tagen ihre Lehre ab. Die Abschlussprüfungen sind für sie mehrheitlich Formsache, denn sie hatte in den drei Lehrjahren einen komfortablen Notendurchschnitt von einer 6.

Sie wohnt ein paar Minuten Fussmarsch entfernt vom familiären Käsereibetrieb «Le Sapalet» in Rossinière im Gebiet «Pays d’Enhaut», unweit der etwas bekannteren Gemeinden Chateaud’Oex sowie L’Étivaz im Kanton Waadt. Draussen duftet es nach geschnittenem Gras, das auf den Wiesen zu aromatischem Heu trocknet. Die Grillen zirpen.

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Um 6 Uhr beginnt für Oriane Novello der Arbeitstag. «Ich freue mich jeden Morgen auf die abwechslungsreiche Arbeit hier in unserer Käserei», erklärt sie. Das sei aber nicht immer so gewesen.

Oriane Novello zog es von der Schulbank auf den Melkhocker

Bevor sie sich für die Ausbildung zur Milchtechnologin EFZ entschieden hatte, beendete sie das Gymnasium und begann anschliessend ein Studium an der Universität Lausanne: Französisch, Film und Psychologie. «Ich hab’s knapp eineinhalb Monate ausgehalten – und dann abgebrochen». Zu theoretisch, zu langweilig, zu sinnlos erschien ihr ihre erste Berufswahl.

So ist sie mehr durch Zufall auf dem Betrieb «Le Sapalet» gelandet. «Ich habe mal irgendwo eine Schafherde gesehen und mir gedacht: ‹Wieso eigentlich nicht zum Beispiel eine Ausbildung zur Hirtin machen?›», erzählt die junge Frau lächelnd. So absolvierte sie ein Praktikum in Rossinière, lernte alles über die Schafe, wie man sie melkt und was aus ihrer Milch alles hergestellt werden kann.

Das Gefühl, endlich etwas Sinnvolles und Nützliches zu tun

«Und zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das befriedigende Gefühlt etwas Sinnvolles und Nützliches zu machen. Das hat mir sehr gefallen!», sagt sie.

Und ihre Augen leuchten auch heute noch als sie verrät: «Ich habe seit einigen Jahren einen Traum: Eines Tages mit einer Gemeinschaft einen eigenen Hof besitzen, selbständig und autonom sein und im Rhythmus der Natur leben. Schafe halten und mich um sie, ihre Milch und die Verarbeitung zu unterschiedlichen Milch- und Käseprodukten kümmern.»

Das möge vielleicht etwas romantisch tönen, sie sei sich jedoch schon bewusst, dass dies kein einfaches Unterfangen sei. Und trotzdem: «Ich denke, und wünsche mir, dass das möglich ist.»

Gute Beziehung zu den Landwirten, welche die Milch liefern

So beginnt der Tag von Oriane Novello etwas später wie sonst üblich in der Branche. In industriellen Betrieben geht es nicht selten schon um 4 Uhr morgens los. Die Schicht dauert dann normalerweise bis zum Mittag. Auf dem Betrieb der Familie Henchoz hingegen wird bis am Mittag gearbeitet, bei einer halben Stunde Pause fürs Frühstück. Nach der Mittagspause um 12 Uhr geht es weiter von 13 Uhr bis etwa 17 Uhr.

Am frühen Morgen bringen die fünf Landwirte aus der Region ihre Bio-Milch. Auf dem Betrieb «Le Sapalet» leben auch rund 800 Schafe, die jeden Tag zweimal gemolken werden und deren Milch ebenfalls in die Produktion mit einfliesst.

Betriebsspiegel Käserei «Le Sapalet»

Joakim Henchoz, Rossinière VD

Bewirtschaftung: Bio
Mitarbeiter: 25
Produzierter Käse pro Jahr:
- 350 t kg Schafmilch
- 350 t kg Kuhmilch
-  40 t kg Ziegenmilch

Joakim Henchoz, der Käser und Ausbildner von Oriane Novello, erläutert: «Wir haben ein enges Arbeitsverhältnis zu unseren Milchlieferanten, das von Vertrauen geprägt ist. Die Landwirte sind sich bewusst, dass die Qualität der gelieferten Milch top sein muss. Denn wir verkaufen selber, was wir produzieren.» Dies bedeute einerseits, dass gewisse Freiheiten bestehen. Andererseits gehe aber auch etwas von der Sicherheit verloren, die automatisch gegeben sei, wenn man einen Grossverteiler beliefere.

Die junge Milchtechnologin mag den Kontakt zu den Landwirten, die sie in der Regel jeden Morgen kurz antrifft. Die gelieferte Bio-Milch beprobt sie auch hin und wieder zur Kontrolle und Analyse: «Da ich nicht von hier bin, kenne ich die Landwirte nicht näher. Jedoch sind es immer schöne Begegnungen und es gibt auch immer etwas zu lachen», erzählt die Oriane Novello, die in einem ländlichen Dorf in der Nähe von Lausanne aufgewachsen ist.

In «Le Sapalet» wird die Milch zum Käse – oder zu Butter

Die gelieferte Milch wird anschliessend entweder im entsprechenden Tank bis zur Verarbeitung gekühlt oder dann direkt in den Heizkessel geleert, wo sie bei Bedarf erwärmt und weiterverarbeitet wird. Dann wird die Milch mit Hilfe von Milchsäurebakterien bei 32 Grad Celsius vorgereift.

Anschliessend wird sie mit Lab zum Gerinnen gebracht, in der Käseherstellung wird der Vorgang «Dicklegen» genannt. Dies dauert je nach Käseart und Reaktion mit dem Enzym Chymosin aus dem Lab zwischen dreissig Minuten und mehreren Stunden.

Es entsteht die «Dickete» oder «Gallerte». «Hat diese Masse die gewünschte Festigkeit, wird sie mit der sogenannten Käseharfe in Stücke zerteilt», erklärt die Milchtechnologin.

Man nennt dieses Stadium der Herstellung auch den «Käsebruch». Je feiner man diesen zerkleinert, desto härter wird der Käse am Ende. Nun ist Erfahrung gefragt: «Wir müssen abschätzen, wann der Käsebruch, die richtige Konsistenz hat, um in die sortentypischen Formen gefüllt zu werden.»

Der Käsebruch wird abgetropft, gepresst und gewendet und so von der restlichen Molke getrennt. Ausser Frischkäse kommen alle Käsesorten ins Salzbad. Das wiederum ist wichtig, um schädliche Bakterien fernzuhalten und die Rindenbildung zu fördern.

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Nach dem Bad kommt die Reifung. «Hier ruhen die Laibe bei konstanten Bedingungen im Reifekeller und werden regelmässig von unseren Mitarbeitern oder auch maschinell gewendet, gewaschen oder anderweitig verfeinert», erläutert Oriane Novello.

Breite Produktepalette in der Waadtländer Käserei

Für ein Kilogramm Käse benötigt man ungefähr vier Liter Milch für Frischkäse und bis zu 13 Liter für einen Hartkäse. In der Käserei «Le Sapalet» arbeiten 25 Personen und es werden sehr viele verschiedene Produkte hergestellt. Aus Schafmilch, aber auch aus Kuh- und Ziegenmilch.

«Kein Arbeitstag gleicht dem anderen. Wir stellen jeden Tag andere Produkte her. Das schätze ich sehr an meinem Beruf, an meiner Arbeit in dieser Käserei», strahlt sie.

Es sei immer wieder faszinierend, Neues auszuprobieren, zu testen, zu verbessern. «Wir stellen von Milch, über Butter, Frischkäse, Weichkäse, Halbhartkäse und Hartkäse sowie Joghurt und Quark so ziemlich alles her», ergänzt sie.

Hinterfragen und Analysieren ist im Alltag gefragt

Äusserst wichtig bei der Käseherstellung sei eine gute Qualität der Milch wie auch der Kulturen. «Bei der Produktion unterschiedlichster Milchprodukte muss man wissen, was man macht, und verstehen, welche Kulturen was bewirken», erläutert die junge Frau.

Es brauche also perfekte Qualität, eine gute Wahl und regelmässige Kontrollen sowie allfällige Anpassungen. «Das Hinterfragen und Analysieren gehört ebenfalls unbedingt zu unserem Beruf: Warum schmeckt ein Produkt gut? Oder warum nicht? Und die Hygiene ist sehr wichtig! Alleine schon für die Sicherheit der Konsumenten, jedoch auch für den Geschmack der Produkte», ergänzt sie.

Von Blauschimmelkäse und Fetaversuchen

Bei der Frage, welcher Arbeitsprozess ihr bei der Käse- und Milchproduktherstellung am besten gefalle, ist sie unentschlossen und überlegt: «Schwierig zu sagen. Ich mag eigentlich alles. Unsere Arbeit ist sehr vielfältig. Doch ich mag die Herstellung von Spezialitäten, ich mag zum Beispiel die Blauschimmelkäse, die wir in kleinen Mengen produzieren.»

Und mit ihrem Chef habe sie neulich Feta gemacht. «Ich probiere gerne Neues aus, und mag es, herauszufinden, was funktioniert und was nicht. Ich mag die Vielfalt. Und natürlich mag ich die Herstellung, die jedoch nicht ohne die Hygienemassnahmen, die ‹Käsewäsche› und die Pflege der reifenden Käse auskommt.»

Frauen haben eine andere Sicht und wissen sich zu helfen

Der Beruf der Milchtechnologin ist auch körperlich ein anstrengender, nicht nur für die schlanke 1.70 m grosse Frau. Trotzdem wünscht sich Oriane Novello mehr Frauen in diesem Berufszweig, sei es als Ausbildnerinnen, Chefin oder Lehrtochter. «Wir sind in meinem Jahrgang drei Frauen auf 15 Männer. Ich bin aber der Überzeugung, dass wir Frauen auf vieles eine andere Sicht haben, was verschiedene Möglichkeiten eröffnen könnte», sagt sie.

«Es fasziniert mich, immer wieder Neues auszuprobieren.»

Oriane Novello, angehende Milchtechnologin

Auch, was die Arbeitsabläufe angehe, gebe es bestimmt Lösungen. Sie behilft sich, in dem sie entweder jemanden zur Hilfe holt. Oder halt nicht die volle Milchkanne versucht zu heben, die notabene gute zwei Drittel ihres Körpergewichts ausmacht, sondern die Milch in kleinere Behälter abfüllt, um sie dann in den grossen Kessel zu giessen.

Sind die Milchprodukte bereit für den Vertrieb, werden sie eingepackt, beschriftet, gelagert und dann einmal die Woche in der ganzen Westschweiz ausgeliefert. Im hofeigenen Selbstbedienungsladen kann man auch alle Produkte einkaufen.

Neben den Milchprodukten wird auch Fleisch aus eigener Produktion angeboten. Denn einer der drei Henchoz-Brüder züchtet Schweine und Lämmer für die Fleischproduktion. Der zweite Bruder ist zuständig für die Käserei und der dritte im Bunde ist Mechaniker und macht auch vieles in der Administration.

Die drei Geschwister arbeiten im Familienbetrieb «Le Sapalet» komplementär und Hand in Hand. «Die Schweinezucht fungiert auch als Resteverwerter. So können die Abfallprodukte, die bei der Käseherstellung entstehen wiederverwendet und den Schweinen gefüttert werden», erzählt Oriane Novello.

Der Familienbetrieb «Le Sapalet» verwertet auch Reste

Novello gefällt die Idee der Kreislaufwirtschaft. «Ich denke, es ist wichtig, vermehrt zurück zur Basis zu kommen, weg von Massenproduktion wieder hin zu kleineren Unternehmen mit kleineren Produktionen». Klar, sei es dank der Industrie möglich, Geld zu sparen und viele Menschen zu ernähren.

«Aber in meinen Augen ist das nicht die beste und fairste Art der Produktion. Ich wünsche mir, dass eher im kleinen Massstab produziert wird, von Landwirten, welche die Natur, die Tiere, die Mitarbeiter wie auch die zu verarbeitenden Produkte respektieren».

Auch spiele die Gesellschaft hier eine grosse Rolle. Denn der primäre Sektor arbeitet enorm hart für etwas, das wir alle zum Überleben brauchen: unsere Nahrung. «Das soll auch entsprechend wertgeschätzt und entlöhnt werden», ist Oriane Novello überzeugt. Nach Abschluss ihrer Lehre will sie sich noch weiter ausbilden und den Fachausweis Milchtechnologin absolvieren. Während der berufsbegleitenden 1,5-jährigen Weiterbildung bleibt sie auf dem Betrieb «Le Sapalet» und wird an zwei Tagen die Schulbank drücken.

Die Ausbildung zur MilchtechnologIn

Das braucht es für eine Ausbildung mit Abschluss MilchtechnologIn EFZ

Vorbildung
- obligatorische Schule abgeschlossen

Anforderungen
- Freude am Umgang mit Lebensmitteln
- Interesse an biologischen Vorgängen
- gute Beobachtungsgabe
- guter Geruchs- und Geschmackssinn
- technisches Verständnis
- Freude am Umgang mit Maschinen
- Hygienebewusstsein
- gute Gesundheit (meist stehende Tätigkeit)
- keine Überempfindlichkeit gegenüber Feuchtigkeit
- Bereitschaft zu unregelmässigen Arbeitszeiten