Kurz & bündig

- Weizensorten zu mischen, vermindert die Krankheitsverbreitung und erhöht den Ertrag um 2 bis 4 Prozent.
- Durch das Anpflanzen von Sortenmischungen kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert werden.
- Mischungen bieten auch für weiterverarbeitende Betriebe eine Qualitäts-Stabilität.

 

Was genau sind Sortenmischungen? Und handelt es sich dabei um mehr als nur eine Modeerscheinung? «Die Idee der Sortenmischung ist etwa genauso alt wie die Idee der Reinsortenzüchtung», sagt Samuel Wüst, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Züchtungsforschung bei Agroscope.

Er erklärt den geschichtlichen Hintergrund folgendermassen: Mit dem Beginn der Reinsortenzüchtung vor etwa 100 Jahren konnte man den Ertrag und die Qualität von Getreide dank effizienter Selektion von Eigenschaften kontinuierlich erhöhen. Allerdings erkannte man recht schnell, dass die genetische Homogenität, die durch die gezielte Züchtung entstand, die Pflanzen angreifbarer für Krankheiten machte.

«In der DDR wurde in den 1980er-Jahren dabei praktisch der gesamte Braugerste-Anbau auf Sortenmischungen umgestellt, mit dem extrem vielversprechenden Resultat, dass der Gerstenmehltau praktisch kein Problem mehr darstellte», sagt Samuel Wüst.

In anderen Ländern sind Sortenmischungen stärker verbreitet

Auch Agroscope erforscht und entwickelt bereits seit 40 Jahren Sortenmischungen, vor allem im Bereich Weizen. Allerdings ist der Anbau von Mischungen, sei es zwischen Sorten oder sogar Kulturarten, in anderen Ländern weitaus stärker verbreitet. Vom «Intercropping» in China, über den polnischen «Mischel»-Anbau: Verschiedene Kultur-Arten klug auf einander abgestimmt zu mischen, hat Tradition und kann sehr erfolgreich sein.

Der Markt für Getreide-Sortenmischungen steige aktuell in Ländern wie Dänemark und Frankreich stark an und auch in den USA gebe es in gewissen Bundesstaaten beträchtliche Sortenmischungsanteile.

Was macht eine gute Sortenmischung aus?

Aber auch in der Schweiz ist die Mischungs-Idee in gewissen Produktionssystemen verankert, zum Beispiel beim Futterbau: Die Mischung von Futtergräsern mit Kleearten hat diverse Vorteile und erhöhte Produktivität. Sie ist auch für die Diät der weidenden Tiere positiv. Im Getreideanbau bietet IP-Suisse drei Sortenmischungen für Weizen an, an deren Entwicklung Agroscope mitbeteiligt war: Isuela, Iskor und Isafir. IP-Suisse fördert gezielt den Anbau von Mischungen mit zusätzlichen Prämien.

Worauf basieren also gute Sortenmischungen? Generell gilt: Gute Reinsortenbestände ergeben meist auch gute Mischungen. «Die Qualität jeder Mischung steht und fällt mit der Qualität ihrer Komponenten», erklärt Lilia Levy Häner, Verantwortliche für die Entwicklung und Prüfung neuer Weizen-Sortenmischungen bei Agroscope. Ertragstechnisch leisten die Mischungen meist mehr als der Durchschnitt der einzelnen Komponenten, nur selten aber mehr als die bessere Reinsorte.

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«Mischungen fördern die Biodiversität.»

Lilia Levy Häner, Agroscope

«Allerdings muss man auch sehen, dass man je nach Jahr und Standort meist nicht im voraus bestimmen kann, welche Reinsorte die beste Leistung bringen würde – damit ist die Mischung dann eben doch eine attraktive Wahl, weil sie etwas konsistenter gute Leistungen bringen kann», meint Levy Häner. Wenn also eine Komponente durch äussere Einflussfaktoren in Stress gerät, können die Mischungspartner diesen gegebenenfalls kompensieren.

Vielfalt in der Natur und in der Landwirtschaft kann also das Vorkommen von Krankheiten und die Geschwindigkeit, mit der sie sich verbreiten, reduzieren. Hier bleiben allerdings noch einige Fragen unbeantwortet, so Levy Häner. Zunächst wisse man noch nicht, unter welchen Bedingungen sich Mechanismen zur Krankheitsunterdrückung genau auswirken. Zudem könne die Wirkungsweise der Krankheitsunterdrückung bei Mischungen nur durch grossflächige Anbauweise herausgefunden werden, da sich epidemiologische Effekte bei kleinparzelligen Versuchen nicht zeigen.

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Das sei ein Problem, so Levy Häner, denn bei der Sortenprüfung, die in Kleinparzellen – und eben nicht auf Feldern wie sie die Bauern normalerweise bebauen – stattfindet, werden Mischungseffekte, welche schliesslich beim Bauern auftreten, systematisch unterschätzt. Sarah Christinat berichtet dazu ergänzend: «Agroscope, DSP, Jowa und IP-Suisse beteiligen sich gemeinsam an verschiedenen Forschungsprojekten, um zusätzliche Erkenntnisse rund um Mischungen zu erhalten.»

Ziemlich sicher ist jedoch: Durch den Einsatz von Sortenmischungen kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (PSM) reduziert werden. Eine der bislang besten Strategien zur aktiven und nachhaltigen Reduzierung ist die Kombination aus einem professionellen Züchtungsprogramm mit Fokus auf Resistenzzüchtung und dem grossflächigen Einsatz von Mischungen, erklärt der Züchtungsforscher von Agroscope.

Bei IP-Suisse kommen nur Schweizer Sorten zum Einsatz

Auch Sarah Christinat, die im Forschungsbereich bei IP-Suisse tätig ist, bestätigt: «Der IP-Suisse-Getreideanbau findet seit je her ohne Einsatz von Fungiziden, Insektiziden und Wachstumsregulatoren statt.» IP-Suisse setze beim Weizen ausschliesslich auf Schweizer Sorten, welche von Agroscope und Sortenvertreter Delley Semences et Plantes (DSP) unter Extenso-Bedingungen gezüchtet und selektioniert werden.

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«Der Anbau von Mischungen wird mit zusätzlichenPrämien gefördert»

Sarah Christinat, IP-Suisse

Die Mischungen werden aus diesen Sorten zusammengestellt und unter denselben Bedingungen geprüft. Durch ihre reduzierte Krankheitsanfälligkeit leisten sie einen zusätzlichen Beitrag zu einem nachhaltigen Weizenanbau, so Christinat.

Ein Zeiten-Wechsel bei den Sortenmischungen ist nicht nur im Bereich PSM zu beobachten. Auch der Anklang der Mischungen bei Müllern, Brauern und Mälzern scheint derzeit einem Wandel zu unterliegen. Waren Sortenmischungen früher bei den genannten Berufsgruppen eher unbeliebt, profitieren diese heute diesbezüglich auch von Vorteilen. Da die Qualität von Reinsorten von Anbaubetrieb zu Anbaubetrieb erheblich schwanken kann, bietet der Einsatz von Mischungen auch für weiterverarbeitende Betriebe eine gewisse Qualitäts-Stabilität.

Sortenmischungen können bei Klima-Extremen hilfreich sein

Das klingt nach einer rosigen Zukunft für den Anbau von Sortenmischungen. Die Agroscope-Forscher sind optimistisch: «Wir sind von der Mischungsidee voll und ganz überzeugt. Auch wenn wir in der Forschung und Entwicklung noch vor gewissen Herausforderungen stehen. Wir glauben aber fest daran, dass die Lösung dieser Herausforderungen den Weg für einen Paradigmenwechsel ebnen könnte.»

Auch unter dem Aspekt der immer häufigeren Klima-Extreme scheinen Sortenmischungen relevanter zu werden. Der Grund: Es wird immer schwieriger, Weizen-Reinsorten zu finden, die in jedem Jahr und an jedem Standort gut funktionieren. Fehlen solche «Generalisten-Sorten», dann führen vielleicht in Mischungen zusammengesetzte «Spezialisten-Sorten» zum Ziel.

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«Es ist eine aufregende Zeit beim Thema Mischungen.»

Samuel Wüst, Agroscope

Wären Sortenmischungen auch für andere Kulturen denkbar? «Absolut», stimmen die Agroscope-Experten zu: «Sowohl beim Mais als auch bei der Soja-Bohne würden Sortenmischungen nebst den bereits erwähnten Vorteilen wohl sogar zu etwas grösseren Ertragseffekten führen.»

Wichtig sei es in diesem Zusammenhang, bei der Auswahl der geeigneten Mischungspartner auf die richtigen Kriterien zu setzen. «Beim Weizen zum Beispiel ist es wichtig darauf zu achten, dass die Sorten einen ähnlichen Reifezeitpunkt haben», erklärt Sarah Christinat.

Die Diversifizierung der landwirtschaftlichen Produktion wird für eine Wende hin zu mehr Ökologie ein unumgänglicher Faktor sein, so Wüst. Dies könne natürlich mittels verschiedener Hebel geschehen:

  • Innerhalb des Feldes (durch Sorten- und Artenmischungen, Agroforst oder Relay-Intercropping)
  • Zwischen den Feldern (durch die Diversifizierung der Kulturen)
  • Durch die zeitliche Diversifizierung (mittels Fruchtfolgen).

Am Ende muss aber das Produkt für Landwirte und Landwirtinnen einfach einsetzbar und rentabel sein. «Sorten-Mischungen sind aus diesem Blickwinkel sehr attraktiv, weil sie sich im Anbau wenig von den Reinsorten unterscheiden und dennoch die Diversität im Feld fördern», so Levy Häner.