Kurz & bündig

  • Biber besiedeln zunehmend kleine Schweizer Gewässer.
  • Sie beschädigen landwirtschaftliches Kulturland und die Infrastruktur.
  • Der Biber soll vor allem mit Vergrämungsmassnahmen reguliert werden.
  • Die Kommunikation zwischen Naturschützern und Landwirten ist schwierig.
  • Ein Miteinander ist trotz aller Schwierigkeiten möglich, wie Landwirte im Aargauer Reusstal zeigen.

Er ist fleissig, hartnäckig und ausdauernd. «Wenn der Biber ein Mensch wäre, würde ich ihn sofort anstellen», sagt ein Landwirt, der hier nicht mit Namen genannt werden möchte.

Vor ein paar Jahren hatte sich bei ihm im kleinen Bach, der mitten durch seine Parzellen führt, erstmals eine Biberfamilie eingerichtet. Es folgte das in diesem Fall oft übliche, unschöne Programm: Der Traktor bricht auf einer Strasse über einem bibergemachten Hohlraum ein, Parzellen vernässen knietief, gefällte Bäume fallen in den Bewässerungsteich und letztlich verköstigt sich der Biber auch an den Kulturen.

Der Landwirt macht, was ihm die Experten raten: Er dichtet den Weiher ab, umhüllt Bäume mit Gittern oder legt einen Stromdraht über den Biberdamm. Die Kosten und der Aufwand steigen schier ins Unermessliche, letztlich bringen aber alle Massnahmen nichts.

Von den Behörden fühlt sich der Bauer mit seinen Sorgen und Kosten im Stich gelassen, was er über Naturschützer denkt, kann man sich selbst ausmalen.

Er verliert schliesslich die Nerven und rodet kurzum die Büsche und Bäume entlang des Baches auf seinen Parzellen, um dem Biber die Futtergrundlage zu nehmen. Schlussendlich ist der Spuk tatsächlich vorerst vorbei.

Doch es dauert nicht lange, und der Biber meldet sich zurück. Und das Spiel beginnt von vorne.

Den Landwirten sind bei Problem-Bibern die Hände gebunden

Rund 3500 Biber leben mittlerweile wieder in der Schweiz. Da viele geeignete Reviere an mittelgrossen Bächen, Flüssen und Seen mittlerweile von Biberfamilien besetzt sind, machen sich Jungtiere zunehmend auch in eigentlich unpassende kleinere Gewässer auf, wie im Eingangsbeispiel beschrieben. Was nicht passt, wird dabei passend gemacht: Mit Dämmen staut der Biber die Bächlein so hoch auf, dass er gut darin schwimmen kann und der Eingang des Baus geschützt unter dem Wasser liegt.

Erst mit der Ausbreitung der Biberpopulation in solche Gewässer ist zunehmend auch die Landwirtschaft von den Folgen direkt betroffen. Mit Verständnis in der breiten Bevölkerung kann sie nicht rechnen. Eher im Gegenteil, der Biber wird gerne als Rebell gefeiert, der sich gegen alle äusseren Widerstände seine Natur zurückholt.

Den betroffenen Landwirten sind rechtlich die Hände gebunden. Eigenmächtiges Handeln bringt wenig, wie der geschilderte Fall zeigt. Zielführender ist es, sich mit der Situation auf einer legalen Basis trotz allem zu arrangieren und mit den Behörden Lösungen zu suchen.

Dass eine staatlich legitimierte Koexistenz möglich ist, zeigt ein Beispiel im Aargauer Reusstal, wo sich der Biber mittlerweile fest etabliert hat.

Landwirtschaft in Naturschutzzone

Tonnenweise Äste, Steine und Schlamm verbaut der Biber in der Alten Jone in wenigen Nächten zu einem stabilen Damm, der das Wasser soweit anstaut, dass das Drainagesystem auf den landwirtschaftlichen Parzellen kollabiert. Bis zu 50 Hektaren standen so vor fünf Jahren unter Wasser – mit den logischen negativen Folgen für die Ackerkulturen.

Für Josef Frei aus Oberlunkhofen AG und rund ein Dutzend weitere betroffene Landwirte war das ein Schock, und es drohten grosse wirtschaftliche Verluste. Ihre Parzellen befinden sich am Rand der Aargauer Reussebene südlich von Bremgarten, wo diverse Naturschutzzonen eingerichtet sind, die insgesamt 300 Hektaren umfassen.

Die Bauern sind hier also durchaus sensibilisiert für Anliegen des Naturschutzes. Die Auenlandschaft mit seinen Naturschutzgebieten ist die Folge des 1969 vom Aargauer Volk angenommenen Reusstal-Gesetzes, das die Naturschutzzonen fordert.

Mit den Jahren hat man sich arrangiert und Wege gefunden, wie Landwirtschaft und Naturschutz nebeneinander gut funktionieren. So wurden unter anderem komplexe Drainagesysteme erstellt, damit Flachmoore erhalten und eine produzierende Landwirtschaft möglich blieben. Das ging viele Jahre gut. Bis der Biber die Alte Jone zu seinem neuen Revier bestimmte und alles durcheinanderbrachte.

Die Landwirte müssen eine Koexistenz mit dem Biber finden

Wenn die Gabel des Mistkrans das Material des Biberdamms rauszieht, ergiesst sich eine regelrechte Flutwelle bachabwärts. Rund eine halbe Stunde braucht der Sohn von Josef Frei, um ihn vollständig zu entfernen und das Material aus Ästen, Schlamm am Ufer zu deponieren.

Seit einem Jahr haben Josef Frei und zwei andere betroffene Landwirte die offizielle Erlaubnis des Kantons, die Dämme zu entfernen. Im vergangenen Jahr war das neun Mal nötig. Frei schmunzelt: «Der Biber macht uns Arbeit, wir ihm aber auch.»

Die vermeintliche Sisyphus-Arbeit erfüllt den Zweck. Mit den konsequenten Dammentfernungen konnten die Überschwemmungen der Felder gestoppt werden. Was der Biber weiter unten mache, sei ihm egal. Das lokale Wasserbauamt führt das ausgehobene Damm-Material ab und entsorgt es.

Damit alles seine Ordnung hat, führt er für die zuständige Sektion Jagd und Fischerei des Kantons eine Liste mit allen entfernten Dämmen. Die Kosten für die Arbeit werden entschädigt. «Das ist alles, was wir wollten», sagt Frei. So lange der Biber auf diesem Weg in seinem Tun gemässigt werden könne, habe er kein Problem mit ihm.

Der Weg durch die Instanzen der Biber-Regulierung ist lang

Die Dammentfernung ist eine von mehreren Massnahmen, die das Biberkonzept des Bundes zur Regulierung des Bibers in gravierenden Fällen vorsieht. Für die Genehmigung muss der Weg durch die offiziellen Instanzen gegangen werden. Er kann lang und teuer werden.

Und das schreckt viele ab. Naturschutzverbände sehen sich als Anwalt des Bibers und greifen in solchen Fällen routinemässig zu allen rechtlichen Mitteln, um den Entscheid möglichst lange heraus zu zögern. Hier im Reusstal resultierte am Schluss ein fragwürdiger Kuhhandel: Um die Genehmigung schliesslich zu erhalten, wurden die Landwirte vom Kanton dazu verknurrt, quasi als ökologischen Ausgleich einen Teich auf ihrer Parzelle zu erstellen, was eigentlich nichts direkt mit dem Biber zu tun hat.

Die Landwirte machten die Faust im Sack und erstellten den Tümpel, weil sie so ihr Ziel erreichten. Die Kosten für den Teich beliefen sich übrigens auf rund 6000 Franken, die bei den Bauern hängen blieben.

Wenn der Biber selbst gegen das Gesetz verstösst

Bei den Damm-Abräumaktionen oft dabei ist Josef Fischer, Geschäftsführer der Stiftung Reusstal in Rottenschwil. Die Organisation ist hier Landeigentümerin und engagiert sich seit Jahrzehnten für den Naturschutz und den Erhalt der Biodiversität und begleitete entsprechend eng gemeinsam mit den Bauern die Schaffung der Naturschutzzonen im Reusstal.

Fischer ist so etwas wie die Vertrauensperson für die Bauern, die sonst eher Mühe mit Naturschützern haben. Diese feiern die Rückkehr des Bibers bekanntlich zuweilen euphorisch.

Fischer hingegen weiss, dass das hier geschaffene Naturparadies menschengemacht ist und ohne technologische Raffinessen nie möglich wäre. So sorgen in der Reussebene vier grosse und drei kleinere Pumpstationen dafür, dass Drainagewasser und Infiltrationswasser von der gestauten Reuss abgeführt werden.

Auch deshalb sei es blauäugig und respektlos, wenn Naturschützer den Bauern in Turnschuhen gegenübertreten, ihnen die Vernichtung der Feuchtgebiete der letzten 100 Jahre vorhalten und zur Haltung von Wasserbüffeln und Nassreisanbau raten. Letztlich gehe es ja hier um Existenzen und auch um Kosten.

Als Geschäftsführer der Stiftung ist er zudem beauftragt, die Biodiversität im Allgemeinen auf den Flächen zu erhalten. Dazu gehören insbesondere auch Flachmoore von nationaler Bedeutung. Der Biber flutet dummerweise auch sie. «Die Bundesverordnung für Flachmoore schreibt aber vor, dass diese ungeschmälert erhalten bleiben müssen.»

Anliegen des Naturschutzes stehen sich so plötzlich diametral gegenüber. Das zeige, dass es in solchen Fällen keine einfachen Lösungsrezepte gibt, sagt Fischer. Interessen müssten immer gegeneinander abgewogen werden, um eine für alle befriedigende Lösung zu finden.

An der Alten Jone ist dies fürs Erste gelungen. In anderen Regionen ist es schwieriger, weil es dort oft an weitsichtigen und kompromissbereiten Naturschützern wie Fischer mangelt.

 

 

Biberfachstelle

Weitere Infos für Landwirte bietet die Biberfachstelle.