Die Tierhaltung in der Landwirtschaft steht vor der Herausforderung, den Lebensbedürfnissen der Tiere so gut wie möglich gerecht zu werden. Dass im Vergleich zum Wildtier Einschränkungen bestehen, liegt im Prinzip der Tierhaltung begründet. Diese Einschränkungen werden zumindest zum Teil dadurch ausgeglichen, dass den Haustieren Nahrung, Schutz vor Witterung und Raubtieren sowie Fürsorge um ihre Gesundheit zugute kommen.

Dennoch sind die Beschränkungen, die ein landwirtschaftliches Haustier erfährt, erheblich und betreffen elementare Verhaltensbereiche wie das Sozialverhalten, das Bewegungsverhalten und die Futterwahl. Letztere schliesst auch die Möglichkeit ein, durch gezielt gefressene Kräuter die eigene Gesundheit zu stabilisieren.

Das FiBL beleuchtet dieses Thema in einem übergreifenden Projekt unter dem Titel «Freiheitsgrade» neu und nimmt hierbei die oben skizzierten Einschränkungen in allen Bereichen und bei allen Tierarten im Biolandbau kritisch unter die Lupe.

Die leitende Frage ist dabei, wie wir den Tieren in den genannten Bereichen Freiheitsgrade wieder zurückgeben und pragmatisch in eine nachhaltige Landwirtschaft integrieren können. Konkrete Beispiele sind die Futterwahl für Wiederkäuer, muttergebundene Kälberaufzucht sowie Wühlareale in der Schweinehaltung.

Kommentar von Veronika Maurer, FiBL: Von der Utopie in die Praxis [IMG 2]

Mehr Freiheitsgrade für unsere Nutztiere – das klingt gut! Doch wie soll dieser Ansatz funktionieren? Einige Beispiele sind schon jetzt in der Praxis des Biolandbaus verbreitet, andere scheinen eher utopisch. Damit letztere doch noch realisiert werden können, müssen sie für die Tiere einen Nutzen haben und für die Tierhaltenden arbeitstechnisch machbar sowie finanziell tragbar sein.

Dazu ist einerseits die Forschung gefragt: Methoden zur Beurteilung des Wohlbefindens müssen im Kontext der Wahlfreiheit neu konzipiert werden. Die Entwicklung von Systemen mit mehr Freiheitsgraden ist andererseits ohne Zusammenarbeit mit TierhalterInnen chancenlos – hier braucht es eine gemeinsame Entwicklungsarbeit.

Letztlich müssen aber auch Konsumierende ihre Freiheitsgrade nutzen und beim Einkaufen tierfreundlich erzeugte tierische Lebensmittel wählen, auch wenn der Preis dafür etwas höher ist.