Kurz & bündig

  • Hitzestress ist für Schweine im Sommer ein grosses Problem. Sind Stalltemperatur und relative Luftfeuchte zu hoch, geraten sie in eine Notsituation.
  • In der Not suhlen sich die Schweine im Kot, reduzieren ihre Nahrungsaufnahme und zeigen vermehrt Fehlverhalten wie Schwanzbeissen.
  • Die Optimierung der klimatischen Bedingungen im Schweinestall ist meist mit hohen Investitionen und baulichen Veränderungen verbunden – die sich aber schnell amortisieren.
  • Im Aussenbereich schaffen auch günstigere Anpassungen für Abkühlung: Rasensprenger, Schläuche mit Löchern usw.
  • In der Bio-Schweinehaltung sind Abkühlungsmöglichkeiten seit 2021 Vorschrift.

Hitzestress im Schweinestall ist ein immer virulenter werdendes Thema. Die empfindlichen Tiere reagieren sehr stark auf veränderte Temperaturen und Luftfeuchtigkeit. Oft wird beobachtet, dass Schweine im Sommer in Bereichen abkoten, die sie bei kühleren Temperaturen sauber halten. Und dass sie sich dann im Kot suhlen. In der Folge sind die Tiere verschmutzter und durch die Hitze leiden die Zunahmen. Bei der Tierschutzkontrolle sorgt das für ein schlechtes Bild.

Wie können Schweineställe im Sommer also optimiert werden, um das Tierwohl nicht zu kompromittieren und die Tiere bei bester Gesundheit zu erhalten?

Schweine regulieren ihre Körpertemperatur über die Lunge

«Schweine haben eine thermale Wohlfühlzone», weiss Alois Estermann, Tierarzt und Leiter des Schweinegesundheitsdienstes SGD. Diese Zone liegt beim Mastschwein gewichtsabhängig zwischen 18 und 22 Grad und einer relativen Luftfeuchtigkeit zwischen 50 und 80 Prozent. Steigen die Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit höher, wird es den Tieren schnell ungemütlich. «Das Schwein braucht eine Luftfeuchtigkeit unter 80 Prozent, so dass es einen Thermoausgleich vollziehen kann. Dieser findet zu 70 Prozent über die Lunge statt, da Schweine nicht schwitzen können», sagt der Fachmann.

Ein Schwein von etwa 150 Kilogramm verliert durch seinen Temperaturausgleich an einem Hitzetag etwa sechs bis zehn Liter Wasser über die Lunge. «Ist die Luftfeuchtigkeit im Stall aber zu hoch, was wir oft beobachten, kann das Schwein nicht mehr über die Lunge abkühlen», so Estermann. Bei hohen Stall-Temperaturen und hoher Luftfeuchte ist das Tier also in Not und reagiert unter Umständen mit Fehlverhalten wie Kannibalismus. Schweinehalter erhöhen dann oft den Luft-Turn-Over, beobachtet der Experte. Ein kritischer Punkt, denn höhere Luftgeschwindigkeiten sind für die Schweine auch nicht unbedingt optimal.

Was bei Sauen oder Galtsauen noch vertretbar sein mag, ist bei Jagern und Mastschweinen tabu. Für Mastschweine können hohe Luftgeschwindigkeiten noch mehr Stress hervorrufen.

Auf Plastikböden kann sich das Schwein nicht abkühlen

Kommen hohe Temperaturen und hohe Luftfeuchtigkeit in der Natur vor, dann sucht sich das Schwein eine Suhle, denn die Haut ist ebenfalls ein Thermo-Abgeber. Über die Haut regeln Schweine zusätzlich etwa 10 bis 15 Prozent ihrer Thermoregulation. Deshalb suchen sie vermehrt kühle Liegeflächen.

Im Stall sind dies oft perforierte Bereiche, kühle Seitenwände und Betonböden. «Plastikböden sind in Schweineställen – mit Ausnahme der Ferkelaufzucht – ein Fehlbau. Eine klare Falschinvestition im Mast- und Galtsaubereich», warnt Alois Estermann, denn an Kunststoffböden kann das Schwein die überschüssige Temperatur nicht abgeben.

Wenn die Oberflächen in der Haltungsumgebung die Thermoregulation nicht zulassen, dann beginnen Schweine zu suhlen. In der Natur würden sie in dieser Situation ein Schlammbad suchen. In der QM-Haltung ersetzt Kot den Schlamm. «Dass die Schweine sich bei heissen Temperaturen im Kot suhlen, ist ein natürliches Verhalten. Da kann man den Schweinehalter nicht haftbar machen. Man kann ihn allerdings haftbar machen, weil er einen nicht-tierkonformen Stall hat».

Gemäss Alois Estermann muss ein moderner Stall die Luft heutzutage gekühlt zum Tier bringen. «Das ist heute technisch absolut umsetzbar. Meistens wird das aber leider nicht gemacht. Stattdessen liegen die Schweine im Dreck und es wird abgewartet, bis es draussen wieder kühler wird».

Schweine brauchen Frischluft, vertragen aber keine Zugluft

Jede Investition zur Hitzebekämpfung lohnt sich. Mit weniger baulichen Massnahmen verbunden ist die Anbringung von Ventilatoren im Stall. Allerdings gibt es dabei einiges zu beachten, denn die Zugluft darf auf keinen Fall direkt auf liegende Schweine im Komfortbereich gelangen.

Momentan werden oft selbstständig öffnende und schliessende Luftklappen eingesetzt. «Am intelligentesten ist es, wenn die Luft mit einer Geschwindigkeit von mehr als einem Meter pro Sekunde von der Luftklappe her an die Decke gestossen wird.» «Die Decke muss glatt sein (ohne querangebrachte Leuchtstoffröhren, Querbalken oder Futterleitungen). Die Luft klebt an der Decke und Tiere merken davon unten in der Bucht zunächst nichts. Dann wird die Luft an die Wand vom Kotbereich geleitet und fliesst dort nach unten. Im Komfort-Bereich erreicht die Tiere zwar Frischluft – aber keine Zugluft. Dann haben Sie das perfekte Klima.»

Beim Einsatz von Ventilatoren im Schweinestall steht der SGD interessierten Landwirten mit entsprechenden Messungen beratend zur Seite.

Die Investition zahlt sich aus

Ein gutes Stallklima für Mensch und Tier kostet Geld. Aber die Investition zahlt sich aus. Die Frage, ob es sich stattdessen lohnen würde, im Sommer weniger Tiere einzustallen, verneint Alois Estermann ebenfalls klar: «Das macht kein Schweinhalter. Da geht es um Geld und Umsatz. Der Schweinehalter hat Fixkosten und muss leben können.»

Welche Stellschrauben können noch gedreht werden, um den Tieren die Sommerhitze zu erleichtern?

  • Die Kühlmöglichkeit muss vor dem Sommer installiert werden.
  • Im Aussenbereich sind Duschen eine Möglichkeit.
  • Fütterungsergänzung durch eine Kombination aus Selen, Vitamin E und Vitamin C zur Bewältigung von oxidativem Stress.
  • Das Klima im Stall muss zudem immer überprüft werden (nahe den Tieren ein Minimum-Maximum Thermometer sowie ein Hygrometer zur Messung der relativen Luftfeuchtigkeit).
  • Zusätzlich sollte das Verhalten der Schweine täglich zweimal beobachtet werden.

Wie sieht das Management von Hitzestress im Sommer für Bio-Schweine aus? Mirjam Holinger vom Forschungsinstitut für Biologischen Landbau FiBL erforscht das Verhalten von Schweinen und weiss Rat.

Bio-Schweine sollen zwischen Beton und Streu wählen können

Auch im Bio-Bereich liegen die Schweine im Sommer auf den befestigten Betonflächen und weniger auf den eingestreuten Flächen als im Winter. Eingestreute Flächen sind in der Bio-Haltung aber vorgeschrieben. Sind diese im Sommer nicht eher hinderlich beim Temperaturausgleich?

Wichtig sei hier, den Schweinen eine Wahlmöglichkeit zwischen eingestreuten und uneingestreuten Flächen zu geben, so Mirjam Holinger. So können die Tiere selbst entscheiden, wo sie lieber liegen. «Ein wichtiger Aspekt ist hier auch das Alter der Tiere. Die Jager mit leichten 25 bis 30 Kilogramm brauchen Einstreu zur Thermoregulation unbedingt, gerade wenn es nachts auf 10 bis 15 Grad abkühlt. Daher würde ich nicht empfehlen, bei warmen Temperaturen weniger einzustreuen – sondern dafür zu sorgen, dass die Tiere sowohl genug eingestreute, als auch uneingestreute Flächen, sowie andere Abkühlungsmöglichkeiten zur freien Verfügung haben».

Neu ist seit 2021 bei der Bio-Haltung die Vorschrift, Schweinen eine Abkühlungsmöglichkeit im Auslauf zur Verfügung stellen zu müssen. Hier können auch investitionsärmere Massnahmen getroffen werden. Mirjam Holinger empfiehlt zum Beispiel Rasensprenger oder Gartenschläuche mit Löchern. Damit der Wasserverbrauch nicht übermässig hoch wird, kann hier eine Zeitschaltuhr helfen, wie man sie auch für die Bewässerungssteuerung nutzt.

Auch eine Niederdruckvernebelung mit Düsen ist eine gute Option und verbraucht etwas weniger Wasser bei sehr guter Kühlungsleistung. Die extra Abkühlung verhindert, dass die Futteraufnahme stark sinkt und die Hitze somit Auswirkungen auf die Zunahmen hat. Auch anderen Nebenwirkungen von Hitzestress kann durch Abkühlung im Auslauf oder im Stall vorgebeugt werden.

Die Folge von Hitzestressist oft ein unbemerkter Rotlauf

Leiden die Tiere unter Hitzestress, schleicht sich oft unbemerkt Rotlauf in den Bestand ein, der erst im Schlachthof ersichtlich wird. Bei Hitze und grossen Tag-/Nacht-Temperaturunterschieden gehen beim SGD täglich zahlreiche Meldungen der bakteriellen Infektionskrankheit ein. Das Fleisch der erkrankten Tiere, mit den typischen rechteckigen Rötungen auf der Haut, kann nicht mehr verwendet werden und führt zu hohen Verlusten für den Schweinehalter.

Eine verhaltensbiologische Erkrankung, die ebenfalls im Zusammenhang mit klimatischen Veränderungen steht, ist Schwanzbeissen. Hohe relative Luftfeuchte, hohe Temperaturen, Zugluft oder starke Temperaturschwankungen begünstigen diese Verhaltensstörung stark.

 

Möglichkeiten zur Abkühlung der Stall-Luft

Unterflur-Lüftung

Die Luft fliesst unter dem Schweinestall über den Erdboden geführt in den Stall. Die Investition ist sicher zu Beginn nicht klein. Der Schweinehalter bereut sie aber sicher nicht, so Estermann.

Erdregister-Lüftung

Die Luft wird 30 bis 40 Meter vom Schweinestall weg angesaugt und in drei Meter Tiefe in einem gerippten Kunststoffrohr (zur Oberflächenvergrösserung) zum Stall geleitet. So kühlt sich die Luft im Sommer ab, während sie sich im Winter aufwärmt.

Die Erdregister-Lüftung wird meist CO2-gesteuert und der Bau ist kostenintensiv. Die ganze Investition wird in der Regel innert weniger Jahre amortisiert.

Cool-Pad-System

Bei diesem System fliesst Wasser durch Zellulose-Waben, wird wieder hochgepumpt und durchfliesst die Waben von neuem. Die Luft, die zwischen den nassen Waben hindurch strömt, wird gekühlt.

Die Abkühlung definiert sich durch die Gesamtfläche der Waben und durch die Verweildauer der Luft bzw. Luftgeschwindigkeit in den Waben. Die Luft kann kann um bis zu 7 Grad Celsius abgekühlt werden.

Das Cool-Pad-System ist eine günstigere Lösung zur Stallkühlung.

Hochdruckvernebelung

Oft wird bei Vernebelungsanlage befürchtet, im Stall sei alles feucht oder gar nass. Ist die Anlage aber gut eingestellt, empfindet man einen kühlen Luftstrahl und eine ideale Luftfeuchtigkeit von 50 bis 80 Prozent.

Die Investition ist im Verhältnis gross, aber als Nachrüstlösung für das Stallklima zu empfehlen, vor allem bei Trockenfütterung und trockener Luft.