Von der Zugangsrampe zum Heustock aus hat man einen guten Blick auf die Suhle der Wollschweine und die Auslaufflächen von Skuddenschafen, Rätischem Grauvieh und Hinterwälder-Mutterkühen. Vorwitzig streckt eine Appenzellerziege den Kopf aus dem Stall. «Wir sind weder ein Streichelzoo noch ein Gnadenhof», stellt Beat Gerber klar. In den letzten zehn Jahren hat er seinen Kleinbetrieb in Schangnau BE zu einem Pro-Specie-Rara-Arche-Hof aufgebaut, der in dieser Form noch bis Ende 2025 besteht.

Den Hof weiterentwickelt

Arche-Höfe sind Begegnungsorte und offen für Besucher. Diese Ausrichtung ist in Schangnau offensichtlich: an den Informations- und Hinweistafeln, aber auch an der bewussten Einrichtung wie dem eingangs beschriebenen Aussichtspunkt. Nach dem Motto «Erhaltung durch Nutzung» werden auf Arche-Höfen ursprüngliche, bedrohte Rassen gehalten und gezüchtet. So auch bei Beat und Kathrin Gerber, deren Betrieb entweder auf einem ausgeschilderten Rundgang selbstständig oder in Führungen erkundet werden kann. 2014 stiess Beat Gerber im Internet auf die Stiftung Pro Specie Rara (PSR) und sah eine Möglichkeit, seinen Biohof weiterzuentwickeln.

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«Die Öffentlichkeitsarbeit war mir immer wichtig», sagt Beat Gerber. «Ich will die kleine ‹Burerei› zeigen, wie es sie im Emmental noch gibt.» Man sei froh um Direktzahlungen – was seiner Meinung nach zu wenig gesagt wird – und dazu unternehmerisch sowie innovativ. Die innere Aufstockung hält er gerade für kleine Betriebe für wichtig und kritisiert, dass die Politik sie durch die Regelung der Gewerbegrenze einschränkt. «Grosse Betriebe sind nicht automatisch rentabler», ist er überzeugt und erinnert an jene, die möglichst viel teuer automatisieren, um zusätzlich auswärts Geld verdienen zu können.

Platz und Organisation

Für seinen Arche-Hof Schangnau hat sich der Landwirt eingelesen und über die verschiedenen PSR-Rassen informiert. Es galt, einen sechsseitigen Anforderungskatalog zu berücksichtigen, und die passenden Tiere zu finden, was gar nicht so einfach und eine ziemliche Investition gewesen sei. Es sollten jeweils mindestens zwei Tiere pro Rasse sein und alle mit Weidezugang. Das braucht Platz und einiges an Organisation.[IMG 2]

«Jede PSR-Rasse hat ihr Manko», gibt der 62-Jährige zu bedenken. Nicht umsonst wurden sie mehrheitlich durch andere Rassen verdrängt – verhältnismässig tiefe Leistung, schwieriger Charakter oder ausgeprägte Wildheit gehören dazu. Trotzdem ist der Emmentaler überzeugt, dass sich ihre Erhaltung lohnt. «Sie sind ein Teil der Biodiversität und äussert robust», betont er. Geburtshilfe muss er bei seinen Mutterkühen nicht leisten, die Hühner, Enten und Gänse brüten selbst und die Skuddenschafe fühlen sich dank ihres dichten Fells auch bei Kälte draussen wohl. «Wollschweine brauchen bis zur Schlachtreife zwar doppelt so viel Futter wie ein Edelschwein, dafür hat das Fleisch so viel Eigengeschmack, dass es auf dem Grill ohne Gewürze auskommt», ergänzt er. Die Qualitäten und Eigenheiten der Tiere bringen Beat und Kathrin Gerber mit Unterstützung ihrer Tochter den Besucher(innen) auf dem Hof, aber auch an Märkten und Messen näher. Der Landwirt plant jeweils so, dass er zu solchen Gelegenheiten Jungtiere als Publikumsmagnet zeigen kann.

Zentral ist auch der Verkauf von Hofprodukten, bei denen Gerber Wert auf Professionalität legt: einheitliche Gebinde und Etiketten mit Knospe und PSR-Gütesiegel. Ein reiches Sortiment gibt es auch vor Ort im bedienten Hofladen zu kaufen, den Gerber – in der alten Tradition der Lebensmittellagerung im Keller – unter dem Bauernhaus mit viel Liebe zum Detail eingerichtet hat. Unterstützung erhält der Arche-Hof in Form von Direktzahlungen und Förderbeiträgen für den Erhalt bedrohter Rassen (via Zuchtorganisationen). Von PSR gibt es das jährlich zu beantragende Gütesiegel für Hof und Produkte sowie einen Eintrag auf der online verfügbaren «Karte der Vielfalt» für mehr Sichtbarkeit. Dieses «Paket» mit Veranstaltungen und Direktvermarktung sei genug, damit zwei Personen vom Arche-Hof Schangnau leben können. Für Führungen verlangen Gerbers nur einen symbolischen Betrag, um die Hürden nicht zu hoch zu legen und Besucher vor den Kopf zu stossen.

Betriebsspiegel Arche-Hof Schangnau
 
LN: 5,14 ha
Tiere: 6 Hinterwälder- und 9 Rhätisches-Grauvieh-Mutterkühe, 3 Appenzellerziegen, 13 Skuddenschafe, 2 Wollschweine, 22 Schweizerhühner, 19 Appenzeller Barthühner, 43 Spitzhaubenhühner, 60 Bio-Legehybriden, 11 Diepholzer Gänse, 3 Pommerenenten
Kulturen: 18 verschiedene PSR-Apfelbäume, Holunder und Pfefferminze, alles für hofeigene Produkte
Arbeitskräfte: Beat und Kathrin Gerber, unterstützt durch Familie und Helfer(innen) v.a. bei Anlässen und Events
Direktvermarktung: Bedienter Hofladen, Märkte und Anlässe

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Vollständig zurückziehen

Ein Höhepunkt ist jeweils das jährliche Arche-Hof-Fest, das heuer Ende Mai zum letzten Mal stattfindet. Denn seit einem Jahr bereiten Gerbers die Hofübergabe an ihren Sohn Walter vor, der weniger kontaktfreudig ist als seine Eltern. Er wird den Betrieb ab 2026 auf seine Weise führen und verändern, Beat und Kathrin Gerber lassen ihm dabei jede Freiheit und ziehen sich vollständig zurück.

Er wolle aus dem lernen, was ihm bei seiner eigenen Hofübernahme Mühe gemacht habe, erklärt der Landwirt. Er und seine Frau werden höchstens auf ausdrücklichen Wunsch noch aushelfen, weder den Garten noch die Hühner oder einen anderen Teil des Betriebs als ihren Bereich abstecken und weiterbetreuen. Die Faszination für PSR-Rassen teilt Walter Gerber nicht, der Arche-Hof wird geschlossen und voraussichtlich künftig ohne Bio-Knospe geführt. «Was er aus dem Betrieb macht, ist ihm überlassen», sagt Beat Gerber bestimmt. Für ihn sei es «sehr in Ordnung», dass sein Sohn den Betrieb allein leiten will.

«Es ist schade, dass es nicht weitergeht. Und es ist gut, dass es nicht weitergeht», findet Beat Gerber. Er hatte viele gute Begegnungen auf seinem Arche-Hof, konnte viel Wissen vermitteln und hat mit den verschiedenen kleinen Ausläufen – für die Hühner unter PSR-Apfelbäumen und Holundersträuchern – zugänglichen Ställen und naturnaher Haltung seine Ideen verwirklicht. Aber der Landwirt sagt von sich, dass er immer mal wieder etwas Neues brauche. Und es gab eben auch das andere, das Mühsame: Immer wieder dasselbe erklären und die gleichen Fragen beantworten. Ausserdem sei in den letzten Jahren vielen Besucher(innen) ein wenig Anstand und Respekt abhandengekommen, beobachtet Beat Gerber. «Statt zuzuhören, wenn jemand spricht, unterhält man sich, schaut aufs Smartphone oder geht sogar davon», schildert er. Manchen sei der Betriebsrundgang zu wenig spannend, die nähmen sich nicht die Zeit, die Tiere einfach nur zu beobachten. «Ich habe sehr gerne Wissen vermittelt. Aber manchmal bin ich froh, bald keine Führungen mehr zu machen.»

Gerber spricht von einer Müdigkeit, die er spürt. Er habe ein intensives Arbeits- und Vereinsleben gehabt, mit diversen freiwilligen Engagements. «Ich bleibe noch Wegmeister der Gemeinde, gebe aber das Gemeindepräsidium nach zehn Jahren ebenfalls ab und trete aus Vereinen aus», so der Landwirt. Das umgebaute Stöckli und die darin eingerichtete Zimmerei überlassen er und seine Frau der vierköpfigen Familie seines Sohnes und ziehen um ins alte Bauernhaus. «Es war uns wichtig, die Wohnsituation zu klären», sagt Beat Gerber. Zusammen mit einem Berater aus Bärau bereitete er die Verträge zur Hofübergabe für den Notar vor und regelte möglichst alles, um Konflikten vorzubeugen. Das Inventar wurde nicht professionell geschätzt. Stattdessen gingen Vater und Sohn über den Betrieb und fanden einen Betrag, der für beide stimmt.

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Arche bis Ende Jahr

«Nichts», wolle er zunächst machen, sagt Beat Gerber zu der Zeit, in der er nicht mehr Betriebsleiter, Gemeindepräsident und Vereinsmitglied ist. Weiter ins Detail geht er nicht, aber es ist nicht davon auszugehen, dass er gelangweilt auf einer Bank sitzen wird. Bis Ende Jahr sind alle bisherigen Rassen auf Gerbers Arche in Schangnau zu sehen. An den üblichen Anlässen wird klar kommuniziert, dass es ein Abschluss ist – ein positiver und feierlicher.

Das letzte Arche-Hof-Fest findet am 24. und 25. Mai in Schangnau BE statt. Weitere Infos