Kurz & bündig

- Thomas Wyssa produziert im Seeland Gemüse.
- Den Anbau im Gewächshaus hält er für ökologisch und ökonomisch sinnvoller als die Produktion im Freiland.
- Dank seiner Hydroanlage spart er massiv Wasser und Pflanzenschutzmittel.

DossierJahresthema 2023Fokus BodenFreitag, 16. Dezember 2022Thomas Wyssa ist einer, der anpackt. In der Aussentasche der Shorts steckt das Rüstmesser, der Griff in die Salate und in die Pak Choi-Pflanzen – tausendmal gemacht.

Wyssa (62) führt mit seinem Sohn Christoph und seiner Frau Christine den Betrieb Wyssa Gemüse im freiburgischen Galmiz. Die Begeisterung für die Arbeit mit der Natur ist nicht gespielt, auch wenn Wyssa den Umgang mit den Medien kennt und sich immer wieder pointiert äussert.

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«Der Boden ist unser Kapital», deshalb pflegt ihn Thomas Wyssa

AboVideoVision 3-Seen-Land 20505 Umweltverbände wollen das Seeland umkrempeln – gemeinsam mit den BauernDonnerstag, 24. August 2023 Etwa, wenn es um die «Vision 2050» der Umweltverbände geht. In der Kürzestfassung möchten die Verbände das heutige Gesicht des Seelandes umkrempeln und mit mehr Natur und weniger Futterbau umgestalten.

Die Kritik der betroffenen und in einer ersten Runde nicht einbezogenen LandwirtInnen war keine Überraschung: «Völlig praxisfremd und ohne Einbezug der Marktanforderungen», kommentiert etwa Verein Pro Agricultura Seeland.

Wyssa kennt den Druck auf die Flächen. «Der Boden ist unser Kapital», sagt er. Er führt seinen Freiland-Flächen Kompost zu, mit jeder Salat-Pflanzung komme Torf zurück in den Boden. Die Ernterückstände werden auf dem Feld eingearbeitet, ebenso die Kokosfaser- und Perlit-Substrate aus dem Gewächshaus. Während Kokosfasern Wasser speichern, dient Perlit (gebrannter Vulkanstein) eher der Drainage. Wyssa kauft auch Mist zu und arbeitet mit abfrierenden Gründüngungen.

Der Anbau im Gewächsbau ist ökologisch und ökonomisch

20 von 23 ha seiner Fläche nutzt er für Freilandgemüse und Ökoflächen. Doch eigentlich findet er den Anbau im Gewächshaus ökologisch und ökonomisch sinnvoller: Dabei brauche es massiv weniger Wasser und so gut wie keinen Pflanzenschutz. Als Nachteil sieht Wyssa die Bedrohung durch Krankheiten und die arbeitsintensive Produktion.

Zwanzig der achtzig Angestellten sind auf den 3 ha beschäftigt, die gedeckt sind. Dabei machen die Pflegearbeiten den grössten Teil aus: Die Tomaten, die an langen Schnüren wachsen, sorgfältig absenken und entlauben, die Stängel in langen Schlaufen ablegen. Bei den Gurken gilt dasselbe, bei den Auberginen sind die Seitentriebe auszubrechen.

Kaum Pflanzenschutz dank sorgfältiger Klimaführung

«Eine sorgfältige Klimaführung ersetzt einen guten Teil des Pflanzenschutzes», sagt Thomas Wyssa. In Zukunft möchten er und sein Sohn dafür künstliche Intelligenz einsetzen, sprich mit Sensoren Daten erheben, diese analysieren lassen und die Steuerung der Fenster und der Heizung dem Computer überlassen. Wyssa würde die Eckdaten definieren und die Feinarbeit abgeben. Heute schon messen Nadeln in den Gurken, ob diese gestresst sind, Wasser oder Dünger benötigen. «Das ist ein Test mit dem Hersteller des Geräts», berichtet Wyssa. Mit dem Resultat ist er zufrieden, denn er kann Wasser und Dünger gezielt einsetzen und sparen.

Bei den Gewächshaus-Gurken musste Wyssa in der Saison bis September 2023 bei einem Teil der Kultur nur einmal ein Insektizid gegen die Rote Spinne einsetzen. Ansonsten kommt er mit Klimaführung und Nützlingen durch. Die Nützlinge werden in kleinen «Briefchen» bei der Pflanze platziert, schlüpfen und bekämpfen Tripse, Blattläuse und Rote Spinnen. Damit sie gut gedeihen, räumt Wyssa die Gurkenblätter nicht aus dem Gewächshaus, sondern lässt sie am Boden.

Dieser ist mit einer Folie bedeckt, darüber wachsen Gurken, Tomaten und Auberginen in Rinnen aus den Substrat-Klötzen. Sowohl die Rinnen wie die dazu gehörende Heizung lassen sich im Winter auf drei Meter anheben. Dann wächst im Gewächshaus Nüsslersalat im Boden.

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Die Heizung im Gewächshaus soll fossilfrei werden

Was den Anbau im Gewächshaus – neben den Arbeitskräften – teuer macht, ist die Heizung: Aktuell heizt Wyssa mit Gas. Obwohl die Preise auf dem Weltmarkt gerade tief sind, bezahlt die Firma sehr viel Geld. Wyssa und sein Sohn möchten daher das System ändern.

Sie prüfen zwei Möglichkeiten: Zum einen eine Pyrolyse-Heizung. Dabei wird das Material nicht verbrannt, sondern verkohlt. Dabei entsteht nicht nur Wärme, sondern eben auch (Holz-)Kohle, die entweder als Brennstoff oder als Pflanzenkohle weiterverwendet werden kann. Zum anderen steht eine Grundwasser-Wärmetausch-Anlage zur Diskussion. Nicht in Frage kommt Photovoltaik auf dem Gewächshaus, da Wyssa die Fläche fehlt, um sie zu platzieren. Denn auf dem Dach würde sie das von den Pflanzen benötigte Licht schlucken. Die Folien-Lösung, an welcher Agro-scope forscht (siehe S. 18), ist für Wyssa noch kein Thema: «Die Idee ist gut, aber das Produkt noch zu teuer.»

Salat und Pak Choi wachsen in der Rinne

An neuen Ideen zeigt sich Wyssa stets interessiert. Er ist der einzige Produzent in der Schweiz, der Hydrosalate im Freien anbaut. Nachdem er sich auf einer Exkursion einer deutschen Samenfirma Hydro-Produktionsanlagen in Belgien und den Niederlanden angeschaut hatte, war für ihn klar: «Das ist die Zukunft der Salatproduktion.» Seit 2016 wachsen auf 4500 m2 Salate und seit diesem Jahr auch Pak Choi quasi auf Stelzen. Schmale weisse Metallrinnen mit viereckigen Aussparungen stehen auf einem Metallgestänge, im Boden sind die Wasser-leitungen kaum mehr sichtbar. Sie versorgen die Pflanzen mit Wasser, das mit Nährstoffen angereichert ist.

Die Vorteile: Die Pflanzen wachsen in einem geschlossenen Kreislauf. Die Produktion braucht bis zu 70 Prozent weniger Wasser und 60 Prozent weniger Dünger als im Freiland. Die Dosierung erfolgt computergesteuert, wobei Wyssa sich zwar auf die Daten verlässt, diese aber immer wieder selber prüft und interpretiert.

Die Salate haben ein fein verzweigtes, gesundes Wurzelwerk

Wer nun das Gefühl hat, die Salate seien weniger gesund, sollte zum einen Blick auf das Wurzelwerk werfen: Das macht einen prächtigen Eindruck, viele feinverzweigte, lange Wurzeln kommen zum Vorschein, wenn Wyssa einen Kopfsalat aus der Rinne zieht. Zum anderen hat eine Studiengruppe der ETH zwei Jahre lang die Inhaltsstoffe der Hydrosalate mit denen von Freiland-Salaten verglichen. Dabei zeigte sich, dass die Produkte gleichwertig sind, die Hydrosalate haben ein bisschen mehr Kalzium.

Unter den Hydrosalaten wächst Gras, das mit der Motorsense gemäht wird. Schnecken sind kein Problem, sie schaffen es nicht bis zu den Rinnen. Auch die Mäuse hat Wyssa – dank vieler Katzen – im Griff. An Pflanzenschutz kommen je ein Insektizid und ein Fungizid pro Kultur und Durchgang zum Einsatz. Im Freiland sind es deren drei.

Hagel ist eine Bedrohung für die Hydrosalate: «Aber bis jetzt hatten wir grosses Glück», sagt Thomas Wyssa. Neu sind es Spatzen, welche die Salate sehr schätzen – doch die Verluste seien zu verkraften.

Produziert wird ab Ende März, Anfang November findet die letzte Ernte statt. Im Sommer dauert es rund 28 Tage, bis die Salate erntereif sind. Die Hitze Ende August 2023 haben die Pflanzen erstaunlich gut überstanden, berichtet Wyssa. Die Salate kann Wyssa direkt an Lidl liefern, die Pak Choi an eine Handelskette in Genf, welche dann Migros beliefert.

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Das aufwändige Bewilligungsverfahren stoppt den Elan

Doch warum baut Wyssa nicht mehr Gemüse im Gewächshaus an oder setzt auf Hydrosalate, allenfalls auch gedeckt? «Beim Gewächshaus, das wir seit 2021 haben, hat die Planung zehn Jahre gedauert», sagt Wyssa.

Die Bewilligungsverfahren seien enorm aufwändig und die Vorschriften der Raumplanung streng. So zählt etwa Hors-Sol – also das Verfahren, das Wyssa bei Gurken und Tomaten im Gewächshaus anwendet – zu innerer Aufstockung. Diese darf maximal 35 Prozent der tatsächlich kultivierten Fläche betragen.

Seit dem Gewächshausbau haben Thomas Wyssa, seine Frau Christine und Sohn Christoph eine Generationengemeinschaft. Bis zur Pensionierung in drei Jahren will Thomas Wyssa sicher noch mitarbeiten. Sein Sohn sei gewillt, den Betrieb weiterzuführen und weiter zu entwickeln.

Doch dessen Elan bekomme durch die Agrarpolitik immer wieder Dämpfer. Als Beispiele nennt Vater Thomas Wyssa das Verordnungspaket der Parlamentarischen Initiative 19.475, die stetig schwindende Anzahl wirksamer Pflanzenschutzmittel oder die Vorgabe der 3,5 Prozent BFF auf Ackerfläche.

Die grossen Kostenfaktoren: Energie und Arbeitskräfte

Dennoch planen Sohn und Vater weiter, überlegen sich, ob Boden im Baurecht eine Möglichkeit wäre, Hydrosalat im Gewächshaus anzubauen. Skeptisch steht Thomas Wyssa dem Vertical Farming gegenüber. Zum einen müssten da die Konsumenten umdenken, weil Salate nicht mehr die gewohnte Form hätten. Zum anderen seien die Energiekosten bei dieser Anbauform extrem hoch.

Energie ist ein Kostenfaktor. Der andere sind Arbeitskräfte – was zur Diskussion über fehlende Fachkräfte führt. Wyssa spürt diesen. Er hat erlebt, dass Saisonarbeitskräfte nicht mehr aus Portugal in die Schweiz kommen, sondern in ihrem Heimatland gute Stellen finden. «Ich habe Glück, zwei sehr langjährige Arbeiter aus Portugal zu haben», sagt er. Diese seien seit rund zwanzig Jahren bei ihm und hätten die Familie in die Schweiz holen können.

Mittlerweile seien es vor allem Mitarbeiter aus Rumänien und Polen, die für die Firma Wyssa Gemüse anbauen, ernten und für den Verkauf vorbereiten. Wyssa bildet Lehrlinge aus und versucht, diese im Betrieb zu behalten. Zumindest bei einer ehemaligen Lehrtochter ist ihm das gelungen, auch bei der aktuellen Lehrtochter hofft er, eine gute Lösung zu finden.

Doch wer sich traut, als Erster unter freiem Himmel Salat in Rinnen zu setzen, wird auch kreative Lösungen für Arbeitskräfte finden.

Betriebsspiegel Wyssa Gemüse

Thomas, Christine und Christoph Wyssa, Galmiz FR

LN: 23 ha, davon 3 ha gedeckte Fläche (Gewächshaus und Hochtunnel)
Kulturen: rund 20 Kulturen von A wie Auberginen bis Z wie Zwiebeln
Arbeitskräfte: 80 Angestellte

www.wyssa-gemuese.ch