Kurz & bündig

- Eveline Dudda und ihre Mitarbeiterin Fabia Steiner produzieren in 200 Beeten ganzjährig Gemüse, Salat, Blumen, Kräuter für das Personalrestaurant der Zünd Systemtechnik AG.
- Der Nutzgarten befindet sich auf einer Baulandreserve und wird ohne Traktor bearbeitet.

Zwischen Industriebauten soll Gemüse wachsen? Leichte Zweifel, ob der angegebene Weg zum NaNuGarten stimmt, machen sich breit auf dem Weg ab dem Bahnhof Altstätten SG. Lastwagen donnern vorbei, Kranführer ziehen neben dem Gebäude der Zünd Systemtechnik AG gerade einen weiteren Neubau in die Höhe.

Und dann die Oase: Grün und kühler als auf der stickig-schwülen Industriestrasse, wächst in vielen Gartenbeeten Gemüse und Salat. Eveline Dudda war einst – zumindest beim BLW – eine gefürchtete Agrarjournalistin und arbeitete auch für «die grüne».

Sie setzt hier um, was als vage Idee begonnen hat. Als die Firma Zünd in Zusammenhang mit einem Neubau entschied für die wachsenden Zahl der Mitarbeitenden ein Personalrestaurant zu bauen, kam bald die Idee auf, auch eigenes Gemüse zu produzieren. Die 0,8 ha grosse Baulandreservefläche direkt gegenüber bot sich dafür an.

Seit dem Jahr 2020 läuft die Gemüseproduktion im Natur- und Nutzgarten

Realisiert wurde nicht nur ein Nutz-, sondern auch ein Natur- und Gemeinschaftsgarten – kurz NaNu-Garten. Dieser wird nicht von der Firma geführt, sondern von einem Verein. «Das passt wunderbar zusammen», sagt Eveline Dudda: Dank dem Naturgarten mit Wildobsthecke, Ast- und Steinhaufen steigt die Biodiversität.

Die Gemeinschaftsgärten mit den 16 Miet-Beeten führen dazu, dass dauernd jemand vor Ort ist – was Vandalismus und wilden Nachtparties vorbeugt, denn der Garten ist öffentlich zugänglich, was von vielen Besuchern geschätzt wird.

Los ging es mit der Gemüse-Produktion für die rund 240 Mitarbeitenden im Jahr 2020. Corona verkomplizierte zwar einiges, brachte Dudda aber auch tüchtig anpackende Freiwillige: Zünd hatte Kurzarbeit bei vollem Lohn und bot den Mitarbeitenden an, beim Anlegen des Gartens mitzuhelfen. Halbtageweise packten fünf bis zehn Leute immer wieder mit an. Sie lasen Steine zusammen, legten Beete an, halfen beim Jäten.

Der Erfolg im Nutzgarten steht und fällt mit dem Personal

Inzwischen ist Eveline Dudda nicht mehr auf die Mitarbeit Freiwilliger angewiesen. Seit Frühjahr 2022 wird sie von der gelernten Zierpflanzengärtnerin Fabia Steiner unterstützt. «Fabia ist das Beste, was mir passieren konnte», zeigt sich Dudda begeistert. Denn der Garten steht und fällt mit dem Personal. Die beiden Frauen «chrampfen» im Sommer mehr als 100 Prozent und kompensieren dafür in den Wintermonaten.

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Im Sommerhalbjahr arbeitet auch noch ein Praktikant (Markus Schmidheiny) acht Monate lang mit. Aufs Jahr gerechnet belegen alle drei zusammen etwa zwei Vollzeitstellen.

Direkt aus dem Garten in die Personal-Küche für absolute Frische

Am 11. November 2020 war es soweit, das erste Testessen fand statt. Seit diesem Tag versorgt die Garten-Crew die Cafeteria mit allem, was im Garten wächst – auch mit ungewöhnlichen Kulturen wie Chayote oder Mönchsbart. Dabei wird nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter täglich geerntet: «Weil wir nicht dem Markt ausgesetzt sind, können wir Wintergemüse im Freiland produzieren, obwohl es dreimal so viel Fläche beansprucht.»

Das macht den Besuchern der Cafeteria am meisten Eindruck. «Am Anfang konnten sie fast nicht glauben, dass wir auch noch im Februar Salat und Gemüse wie Randen, Rüebli, Kohl frisch aus dem Garten liefern.»

Frische ist ohnehin Trumpf. «Wir haben vielleicht nicht immer das schönste, aber ganz sicher das frischeste Gemüse.» Im Sommer fängt das Gartenteam um 6 Uhr mit der Ernte an. Danach wird das Gemüse gewaschen und spätestens 8.30 Uhr mit dem Handwagen in die Küche gebracht.

Dort werden Salate, Suppen und Beilagengemüse zubereitet, die zusammen mit den Fleisch- und Vegikomponenten der Caterer ab 11.45 Uhr aufgetischt werden. Das Küchenteam (drei Personen mit Pensen zwischen 60 und 80 Prozent) bespricht vorab mit Eveline Dudda, welches Gemüse wann auf den Tisch kommt. Und vor allem: Wie viel es davon braucht.

Das ist wohl der grösste Unterschied zu einem «gewöhnlichen» Gemüsebetrieb: Es wird nur so viel produziert und geerntet, wie tatsächlich gebraucht wird. Damit kein Essen verschwendet wird, gibt es ein Bestellsystem. «An manchen Tagen hat es nur 20 Menübestellungen, an anderen dagegen 120», sagt Eveline Dudda. Wie viel es letzten Endes sind erfährt sie jeweils am Tag zuvor. Das macht die Planung anspruchsvoll. Dudda pflanzt aus diesem Grund mehr Schnitt- und Pflücksalat als Kopfsalat.

Hat sie mal zu viel, werden die Überschüsse an die Mitarbeitenden abgegeben. «Wir sind ganz klar als Lieferantinnen für die Küche angestellt und nicht als Marktstand-Betreiberinnen.» Gemüse, welches in den Betriebsferien geerntet werden muss, verarbeitet eines der Catering-Unternehmen und konserviert es für den Winter.

[IMG 3] Bei der erwarteten Erntemenge und der Beetbelegung hilft die App «Micro Farm Planner». Für Dudda ist diese App eine enorme Arbeitserleichterung: Sie kann alle Jahre vergleichen und weiss so jederzeit, was auf jedem der 200 Beete gewachsen ist. So kann sie die Fruchtfolge, die Anzahl Sätze und die Anzuchttermine planen.

Zudem lässt sich mit der App ein Wochen-Arbeitsplan erstellen. Die Anzahl Setzlinge und Saatgutmenge wird basierend auf dem Anbauplan automatisch berechnet. Den allergrössten Teil der Setzlinge ziehen Dudda und Steiner selber heran. Was bei 80 Kulturen und 300 Sorten, plus Blumen eine Daueraufgabe ist …

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Apropos Blumen: Natürlich stammt auch der ganze Blumenschmuck der Firma Zünd aus dem Nutzgarten, ebenso wie die essbaren Blüten, Küchen- und Teekräuter, und manche Früchte wie zum Beispiel Melonen. «Wir sind halt ein Full-Green-Service-Provider», sagt Dudda und lacht.

 

Nachhaltigkeit ist im NaNu-Garten selbstverständlich

Ebenso wichtig wie der volle Service ist im NaNuGarten das Thema Nachhaltigkeit. Die Gartenwerkstatt fürs Werkzeug, Vlies und Sämaschine besteht aus ausrangierten Überseecontainern. Der Arbeitsbereich wurde mit altem Industriemobiliar bestückt.

Und der Pavillon für Veranstaltungen ist ein Lehmbau. Er wurde mit dem tonhaltigen Unterboden erstellt, der beim Teichbau auf dem Gelände anfiel. [IMG 6]

Gedüngt wird mit eigenem Kompost. Dazu wurde extra ein Hoflader mit Kompostwender angeschafft. Kompostiert wird alles, was in Garten und Küche anfällt, dazu kommen Trester und Beerenstiele des Weinguts Zünd sowie Rasenschnitt und Umgebungsgrün vom Firmengebäude und Liegenschaften der Zünd Immobilien.

Einen Traktor sucht man auf dem Kleinbetrieb vergebens. Die Saat erfolgt mit einer handgestossenen Ebra-Sämaschine. Die Bodenbearbeitung wird von Hand gemacht oder es wird eine Orec-Bodenfräse mit gegenläufigen Messern gemietet. «Damit können wir Phacelia, Buchweizen, Puffbohnen und Co. in den Boden einarbeiten und damit das Bodenleben füttern.»

Natur- und Nutzgarten Eisch

Die Zünd Systemtechnik AG stellt in Altstätten SG Schneidsysteme her und ist eine der weltweit führenden Firmen im Bereich der Präzisionscutter. Die Firma mit rund 260 Mitarbeitenden wird in zweiter Generation von Oliver Zünd geführt. Firmengründer Karl Zünd ist der Initiant des Natur- und Nutzgartens, ihm gehört auch das Weingut Zünd, welches derzeit auf Bioanbau umgestellt wird.
Eveline Dudda und ihre Mitarbeitenden sind fix angestellt. Sie bekommen zwar landwirtschaftskonforme Löhne, haben aber industrieübliche Rahmenbedingungen (42,5 h/Woche, 5 bis 6 Wochen Ferien und 13. Monatslohn). Der Naturgarten, zu dem auch 16 Miet-Beete gehören, ist dagegen als Verein organisiert.

Kein Traktor, aber ein Hoflader für den Kompost

Denn Gründüngungen sind ebenfalls ein grosses Thema: Zwar ist eine Bodenschicht von 60 bis 65 Zentimetern für den Gemüsebau nutzbar, aber der Boden ist mit 15 bis 25 Prozent Ton und 3,5 Prozent Humus recht schwer. Mit Kompost und Gründüngungen versucht Dudda Humus aufzubauen. Ist ein Beet mindestens sechs Wochen frei, wird eine Gründüngung angesät.

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Bleibt weniger Zeit, verteilt sie etwas Kompost und Grüngut und deckt das Beet mit atmungsaktivem Kompostvlies ab. So wächst kein Unkraut und das Bodenleben kann arbeiten. Von Bändchengewebe und Plastikfolie hält sie wenig: «Das erstickt das Bodenleben.»

Selbst die Minitunnel für die Winterkulturen bestehen nur aus Windschutznetzen oder dickem Vlies. Die Produktion findet ganzjährig im Freiland statt, für Tomaten und Co. gibt es lediglich ein Regendach.

Bei der Bewässerung gibt es Optimierungspotenzial

Die Selbstversorgung mit Gemüse hat ab dem ersten Tag funktioniert. «Aber wir sind erst im dritten Jahr, es gibt noch Optimierungspotenzial.» Zum Beispiel in Sachen Bewässerung. Bislang reicht der Pumpendruck nicht aus, um mehrere Parzellen gleichzeitig zu bewässern. Auch hat sich gezeigt, dass 50'000 Liter Regenwasser in den Tanks nicht reichen, wenn fünf Wochen lang kein Tropfen Regen fällt.

2023 sei bis jetzt in Sachen Witterung am schwierigsten gewesen: Viele Beete standen im Frühling wochenlang unter Wasser. «Irgendwann mussten die Setzlinge einfach in den Boden. Bei den Tomaten, die wir in den nassen Boden gesetzt haben, ist das bis jetzt spürbar.» Der tonhaltige Boden speichere das Wasser zwar hervorragend – aber das sei dieses Jahr ein Nachteil gewesen. Kaum wurde es trocken, habe es Risse im Boden gegeben, «das tat weh».

Das Herzblut für ihren Garten ist immer wieder spürbar. «Doch in den nächsten vier Jahren will ich Schritt für Schritt weniger arbeiten, die Nachfolge regeln und dann den Garten abgeben.» Eigentlich wäre Eveline Dudda mit ihren 64 Jahren schon pensioniert – aber im Ruhestand kann man sie sich schlicht nicht vorstellen: Da ist zu viel Energie, zu viel Begeisterung und zu viel Wissen, das nicht ungenutzt verpuffen will.

 

Eveline Dudda

Eveline Dudda (64) hat Agronomie mit Schwerpunkt Pflanzenbau studiert und ist ausgebildete Erwachsenenbildnerin. 1993 hat Dudda im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt BfU den Ordner «Kompostberatung» publiziert, der zum Standardwerk wurde.

Seit 2001 führt Dudda als freischaffende Agrar- und Gartenjournalistin das Büro «Journalismus im Grünen Bereich», 2015 gründete sie den Spriessbürgerverlag und publizierte 2016 das Handbuch «Spriessbürger». Das mehr als 10'000 Mal verkaufte Handbuch ist das erfolgreichste Schweizer Gartenbuch und wurde mit diversen Preisen ausgezeichnet.

 

Das Anbausystem

Das Anbausystem ähnelt dem von Betrieben, die «solidarische Landwirtschaft» betreiben. Es sieht aus wie ein überdimensionierter Selbstversorgergarten. In 200 fixen Beeten à 8 m2 werden rund 80 Kulturen mit 200 Sorten kultiviert, dazu kommen viele Blumen und Kräuter.

Die Arbeitsweise ist biologisch, auf Zertifizierung wird verzichtet. Die Fruchtfolge ist von Beet zu Beet verschieden und folgt dem Grundsatz max. 30 % Kreuzblütler, max. alle 7 Jahre Leguminosen, 4 bis 7 Jahre Abstand bei Zwiebelgewächsen usw.

Unkraut wird manuell bekämpft, die Grunddüngung erfolgt mit betriebseigenem Kompost sowie Mulch aus Rasenschnitt. Starkzehrer erhalten zusätzlich Schafwolle und Biosol (fermentierte Pilzbiomasse). Fallweise werden Vivasol (Landor) und Patentkali ausgebracht.

Der Pflanzenschutz beschränkt sich auf gelegentliche Homöopathie, Steinmehl, Verwirrtechnik (Zwiebelduft gegen Rüeblifliege), das Ablesen von Käfern oder Nematoden gegen Trauerfliegen im Indoor-Setzlingsbereich.

Sämtliche Setzlinge des Nutzgarten werden selbst gezogen, nur ein kleiner Teil – weniger als ein Prozent – wird bei Bedarf zugekauft.