Kurz & bündig

- Das trockenheitstolerante Sorghum ist eine vielseitig nutzbare Kultur.
- Das Süssgras hat das Potenzial, als Futterpflanze in Jahren zu dienen, in denen es zu trocken für den Mais ist.
- Vorsicht ist beim Blausäuregehalt der Pflanze geboten.

Der Sommer 2022 war so trocken, dass teilweise sogar der wärmeliebende Mais gelitten hat. Prognosen klimatischer Entwicklungen versprechen in zukünftigen Jahren keine Abkühlung.

Wie lange hält der Silomais den meteorologischen Veränderungen hierzulande noch stand? Auf der Suche nach einer Alternative wenden sich die Blicke im Ackerbau dem Sorghum zu.

«In diesem Zusammenhang lohnt sich eine genaue Unterscheidung», erklärt Elisa Manzocchi, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Agroscope: «Unter dem Sammelbegriff Sorghum fasst man Pflanzen verschiedener Zuchtformen und Nutzungsrichtungen zusammen. Die beiden Hauptnutzungstypen teilen sich zunächst in Körnersorghum mit einer stärkebetonten Körnernutzung und Futtersorghum mit faserbetonter Futterhirse, bei der die ganze Pflanze genutzt werden kann. Bei Futtersorghum unterscheidet man zudem Sorghumsorten für die einschnittige oder mehrschnittige Nutzung».

Wie verdaulich ist das Süssgras Sorghum aus Südafrika?

Auch die Verdaulichkeit von Sorghum unterscheidet sich je nach Typ, Sorte und Wachstumsstadium. Bei Untersuchungen der Agroscope zur Verdaulichkeit der organischen Substanz von drei einschnittigen Sorghumsilagen, die an Schafen getestet wurden, lag die Verdaulichkeit im Durchschnitt bei 56 Prozent. Die geschätzte Netto-Energie-Laktation (NEL) lag mit 4,7 MJ/kg Trockensubstanz (TS) deutlich tiefer als bei Maissilage.

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«Aus der Literatur ist ersichtlich, dass der TS-Verzehr bei Sorghumsorten für die einschnittige Nutzung oft tiefer ist als bei Maissilagen. Dadurch werden tiefere Milchleistungen, jedoch leicht höhere Fettgehalte und leicht höhere energiekorrigierte Milchleistungen erzielt», berichtet Manzocchi. Zur Verdaulichkeit von mehrschnittigem Sorghum liegen zur Zeit in der Schweiz keine Daten vor.

Das ursprünglich aus Südafrika stammende Süssgras ist sehr wärmeliebend und trockenheitsresistent. Denn bei hohen Umgebungstemperaturen fällt es einfach in eine Trockenstarre und reduziert das Wachstum. Die Pflanze bildet dabei eine schützende Wachsschicht, um die Wasserverdunstung zu minimieren.

Kommt irgendwann wieder Regen, setzt auch das Wachstum wieder ein. Neben der Trockenstarre hat Sorghum noch ein weiteres Ass gegen bedrohliche Umwelteinflüsse im Ärmel: Blausäure.

Sorghum bildet Blausäuregegen Umwelt-Bedrohungen

Sorghum bildet die Blausäure zum Beispiel zum Schutz vor Frassschäden aus. Elisa Manzocchi erklärt dazu: «Sorghumpflanzen enthalten ein cyanogenes Glykosid namens Dhurrin. Die cyanogenen Glykoside sind Pflanzeninhaltsstoffe, die bei Verzehr entsprechender Pflanzen Blausäure bilden und zu einer Blausäurevergiftung führen können.»

Der Gehalt an cyanogenen Glykosiden wird durch mehrere Faktoren beeinflusst. Demnach haben frassan-fälligere Jungpflanzen, die sich gegen Herbivoren wehren müssen, einen höheren Blausäuregehalt als ältere Pflanzen. Des Weiteren wird die Freisetzung von Blausäure durch einen neutralen pH-Wert im Pansen begünstigt. Experten raten deshalb davon ab, nüchternen und hungrigen Tieren ausschliesslich frisches Pflanzenmaterial zu verfüttern.

Auch Stressbedingungen wie Frost oder extreme Trockenheit veranlassen die Pflanze zur Bildung von Blausäure. «Zudem unterscheiden sich Sorghumtypen und -sorten in ihrem Potenzial, cyanogene Glykoside zu bilden. Zurzeit liegen allerdings zu wenige Daten vor, um Rückschlüsse zu ziehen, welche Sorghumtypen und -sorten unter schweizerischen Anbaubedingungen am wenigsten cyanogene Glykoside enthalten, und somit ein tieferes Potenzial haben, Blausäure freizusetzen», so Manzocchi.

Untersuchungen in Deutschland zeigten zudem, dass sich der Blausäuregehalt der gleichen Sorghumsorte im Vergleich verschiedener Versuchsjahre stark unterschied. Die höchsten Blausäuregehalte wurden im trockenen Jahr 2018 gemessen.

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Durch die Trocknung oder Silierung von Sorghum kann die Freisetzung von Blausäure reduziert werden. Ein Agroscope-Versuch zeigte, dass eine Reduktion des Blausäure-Gehalts bei einschnittigen Sorghum-Sorten durch 90tägige Silierung im Durchschnitt um 54 Prozent gesenkt werden konnte.

«Trotzdem blieben die Konzentrationen in der experimentellen Silage meistens höher als die futtermittelrechtliche Höchstkonzentration von Blausäure in Futtermittel-Ausgangserzeugnissen», fügt Elisa Manzocchi hinzu. Momentan liegen weder Daten zur Freisetzung von Blausäure aus Sorghum-Dürrfutter, noch zur diesbezüglichen Wirkung von Silierzusätzen vor.

Untersuchungen dazu sind allerdings sehr wichtig, denn Blausäure ist hochgiftig. «Die Aufnahme von relativ hohen Mengen an cyanogenen Glykosiden, welche sehr schnell Blausäure im Pansen freisetzen, führt zum schnellen Tod der Tiere», erklärt die Agroscope-Expertin. Dabei bindet Blausäure an den Sauerstoff-Bindungsstellen von beispielsweise roten Blutkörperchen. Ähnlich wie bei einer Kohlenmonoxid-Vergiftung greift die Blausäure so in den Energiestoffwechsel der Tiere ein und legt diesen innert kürzester Zeit lahm.

Wiederkäuer haben allerdings einen Vorteil. In deren Pansen und Leber wird Blausäure entgiftet und mit dem Urin ausgeschieden. Geringere Mengen an Blausäure können von den Tieren daher durchaus verstoffwechselt werden.

Tipps zum Anbau vonmehrschnittigem Sorghum

Rainer Frick, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Agroscope, rät ausserdem, eine Wuchshöhe von mindestens 60 cm einzuhalten, um Probleme einer hohen Blausäure-Konzentration zu vermeiden, wenn mehrschnittiges Sorghum geweidet wird.

Im Anbau von Sorghum gibt es weitere wichtige Punkte zu beachten: «Für den Sorghum-Anbau nach einer früh räumenden Kultur wie zum Beispiel Wintergerste sind schnellwachsende, frühreife und ertragreiche mehrschnittige Sorten zu wählen. Im Sommer gesätes Sorghum erreicht das Blütestadium nicht mehr. In den günstigen Lagen des Talgebietes können so noch ein bis zwei Schnitte als Grünfutter erzeugt werden», so Frick.

Zudem erklärt er, dass der spätmöglichste Saattermin Anfang August eine befriedigende Ernte Anfang Oktober ermöglicht. Will man allerdings zwei Nutzungen durchführen (zwei Schnitte oder ein Schnitt plus eine Herbstweide), sollte die Saat bereits Anfang Juli stattfinden.

Je nach Nutzungsziel (Grünschnitt, Silieren oder Weide) empfiehlt Rainer Frick Sorten von unterschiedlichem Sorghum-Typ, nämlich die Hybriden Sorghum bicolor × Sorghum bicolor var. sudanense oder Sorghum sudandense × Sorghum sudanense.

Mehrschnittiges Sorghum könne sowohl grün verfüttert wie als Silage konserviert werden. Die recht tiefen TS-Gehalte des Sorghums bei der Ernte (15 bis 20 Prozent TS) seien jedoch für das Silieren eher ungünstig, so Frick. Dennoch zeigen bisherige Versuche, dass sich eine gute Gärqualität erzielen lässt, sofern das Futter beim Mähen nicht unnötig verschmutzt wird.

Nährstoffverlust durch Sickersaft

Ein bekanntes Problem beim Silomais ist der Nährstoffverlust durch den Sickersaft, der entsteht, wenn der Mais zu früh geerntet wird. Ist dies beim Sorghum auch der Fall? Die wissenschaftliche Literatur verweist diesbezüglich auf einen TS-Gehalt von mindestens 28 bis 30 Prozent als Zielgrösse um die Bildung von Sickersaft zu verhindern.

Sollte der TS-Gehalt tiefer sein, ist das Risiko von Sickersaftbildung und damit einhergehenden Nährstoffverlusten höher. Die Experten von Agroscope berichten in diesem Zusammenhang von einem Anwelk-Versuch mit einschnittigen Sorghumsorten. Innerhalb des Versuches wurden die angestrebten TS-Gehalte nur selten erreicht – dennoch entstanden kaum Probleme mit Sickersaftanfall.

«Dafür verantwortlich war möglicherweise die günstige Struktur des Futters mit den hohen Rohfasergehalten und dem etwas höheren Wasserbindungsvermögen. Dennoch sollte alles darangesetzt werden, einen genügend hohen TS-Gehalt im Erntegut zu erzielen, sei es durch eine frühzeitige Saat oder einer rechtzeitigen Ernte bei noch günstigen Wetter- und Bodenbedingungen», sind sich Elisa Manzocchi und Rainer Frick einig.

Wie funktioniert Sorghumin der schweizerischen Praxis

[IMG 3] Stefan Zumsteg hat bereits seit sechs Jahren Praxiserfahrung im Anbau von Sorghum auf seinem Betrieb im aargauischen Fricktal. Das Sorghum verwendet er als Grünfutter für seine 13 Angus-Mutterkühe und die Ausmast-Remonten. Zumsteg bringt das Saatgut frühestens Ende Mai aus und rät von einer Aussaat vor den Eisheiligen aufgrund der hohen Kälteempfindlichkeit der Pflanze ab.

Ebenfalls wichtig sei die Vorbereitung des Bodens, der für das kleinkörnige Saatgut entsprechend gelockert werden muss, um ein feines Saatbett zu erzielen. «Die Körner dürfen nichtzu eng gesät werden», erklärt er und fügt hinzu: «Man muss der Pflanze den Platz lassen, den sie braucht.» Gedüngt wird bei Stefan Zumsteg ausserdem vorwiegend mit Mist und Gülle. Damit hat der Landwirt gute Erfahrungen gemacht.

«Neuland Sorghum» im Fricktal

Von Beginn an war Zumsteg optimistisch beim Betreten des «Neulandes Sorghum». «Ich habe die Kultur zunächst in Panama kennengelernt», erzählt Stefan Zumsteg. «Und ich hörte von deutschen Landwirten, die Sorghum für ihre Biogasanlagen anbauen. Am Ende habe ich es dann einfach selbst einmal mit 250'000 Körnern auf einer Hektare probiert.»

Zu Beginn mussten sich die Angus Mutterkühe erst an die südländische Futterpflanze gewöhnen und hätten etwas «ume gschnuddered». Mittlerweile fressen die Rinder das Sorghum sehr gut.

Auf die Frage, warum denn nicht schon viel mehr Sorghum in der Schweiz angebaut wird, antwortet der Landwirt: «Der Gehalt der Pflanze ist im Vergleich zum Silomais natürlich nicht so hoch. Und bisher ist der Mais doch noch immer recht gut gewachsen» und fügt scherzend hinzu: «Sie wissen ja, was der Bauer nicht kennt …». Etwas Neues auszuprobieren, gehöre nicht unbedingt zu den Stärken der Schweizer Bauern, so Zumsteg.

Vorläufig sieht er bei Sorghum nicht das Potenzial, den Silomais irgendwann einmal zu ersetzen. Zumindest nicht für die intensive Mast, sagt er. Für Galtvieh und Mutterkühe sei es jedoch eine gute Alternative. Sorghum als Sicherheit für trockene Jahre anzubauen sei sicher vertretbar, das liegt für den Landwirt auf der Hand.

Von Wildschweinen (noch) verschmäht

Der Betrieb Zumsteg liegt in einem Wildschweingebiet. Mögen Wildschweine das Sorghum? «Ja, um sich zu verstecken, aber sie fressen es nicht», erzählt der Betriebsleiter. Beim Mais sei das anders. Da seien die Wildschweine auf den Kolben aus. Um daran zu kommen, wird kurzerhand die ganze Pflanze umgetreten.

Da es beim Sorghum keine Kolben, sondern Rispen am oberen Pflanzenende gibt, ist die Kultur noch recht Wildschwein-sicher. Die Betonung liegt allerdings auf dem «noch», denn sollte es irgendwann einmal keinen Mais mehr geben, weichen die opportunistischen Schweine vielleicht doch noch auf das süsslich-schmeckende Sorghum aus.

Alternative Nutzung vonSorghum als Energiepflanze

Kritisch steht Stefan Zumsteg dem Anbau von Sorghum als Energiepflanze gegenüber. In Deutschland ist dies der Fall: Das Süssgras wird auch als Energiepflanze für Biogas-Anlagen genutzt.

In der Schweiz bietet sich diese Alternative allerdings nicht, da es verboten ist Substrate ausschliesslich zur Energiegewinnung anzubauen. «Das sollte auch so bleiben und politisch nicht gefördert werden. Für mich ist das eine Verschwendung», ist Zumsteg überzeugt.

 

Betriebsspiegel Betrieb Zumsteg

Stefan Zumsteg, Wil AG
LN: 19,5 Ha
Kulturen: Urdinkel, Weizen, Sorghum, Sonnenblumen, Luzerne
Tierbestand: 13 Angus Mutterkühe mit Ausmast-Remonten
Weitere Betriebszweige: Hochstammbäume (Steinobst und Kernobst), Edelkastanien
Arbeitskräfte: Stefan Zumsteg mit Unterstützung in der Erntezeit