Rinder auf der Weide tragen Glocken oder grosse Schellen. Letztere kennt man in grossen Teilen der Deutschschweiz als Treichel. Und das nicht erst heute: Schon vor 2000 Jahren haben die Bauern ihren Kühen Schellen aus Blech umgehängt.

Eine grosse Fahr-Treichel (für die Alpauffahrt und den Alpabzug) ist etwa 40 Zentimeter hoch, hat ein Volumen von 30 Litern und wiegt ohne den Riemen 7,5 Kilogramm. Während dem Alpsommer hängt das schwere Fahr-Gschäll aufgereiht unter dem Vordach der Sennhütte.

Die Kühe tragen auf der Alp nur kleine Weideglocken, deren weithin hörbares Klingeln das Auffinden von Streunern auf der Alp erleichtert, zum Beispiel bei Nebel.

Treicheln und Glocken heissen in Dialekt und Hochdeutsch nicht gleich

Grosser FotowettbewerbDie schönsten Bilder von Glocken, Treicheln, Schellen & Co. gesuchtMittwoch, 25. Mai 2022 Bis ins Jahr 1000 wurde bei uns Althochdeutsch gesprochen. Während sich daraus die Dialekte entwickelten, ist vom althochdeutschen Drenkila für die Treichel das «n» verloren gegangen und das «k» wurde zum «ch». Heraus kam Triichle oder Treichle, wie beim triiche oder treiche für trinken.

Damit es nicht zu einfach wird, verwenden Schriftsprache und Dialekt die Begriffe genau umgekehrt:

  • Im Hochdeutschen, in der Wissenschaft und Instrumental-Theorie ist eine Glocke aus flüssigem Metall gegossen, eine Schelle ist geschmiedet. Diese Systematik wird auch im Bernbiet angewendet.
  • Im übrigen alpinen Gebiet ist es jedoch genau umgekehrt: Eine Schelle ist aus Metall gegossen, eine Glocke ist geschmiedet. Wobei die Appenzeller eine Ausnahme bilden: Zwischen Säntis AR und Hoher Kasten AI ist die Schölle geschmiedet.

Zudem haben die verschiedenen Regionen unterschiedliche Treicheln, die – wie sollte es anders sein – in jedem Dialekt einen anderen Namen haben.

Wen wunderts, dass die Treicheln in der Romandie melodischer sind?

In den Westschweizer Kantonen sind die Treicheln bauchig bis herzförmig. Ihr schlanke Klöppel erzeugt einen lang anhaltenden, melodischen Klang.

Die grossen Fahr-Treicheln heissen sonnaille, die kleineren Weide-Schellen toupin, sonnette und campagnard oder nach ihrer Herkunft Chamonix.

Im deutschsprachigen Teil des Kantons Freiburg sind die kleinen Treicheln Glunggi oder Glünggeli. Daraus wurde im Volksmund Glünggi – ein Kerl, der (wie eine Treichel am Hals der Kuh) herumhängt, sorglos durch die Welt geht und sich keine Gedanken macht.

Im Wallis sind die Treicheln den Eringer Kühen angepasst

Die Eringer Kühe tragen aus gutem Grund rundliche, unverwüstliche Treicheln aus dickem Stahlblech, deren Riemen mit einem Schraubverschluss gesichert sind.

Die Kühe dieser traditionelle Walliser Rasse haben einen ausgeprägten Rangordnungs-Sinn. In spektakulären Ringkuh-Kämpfen erobern sie sich ihren Platz in der Herden-Hierarchie. Da müssen Treicheln und Riemen etwas aushalten.

Vielleicht tönen Walliser Treicheln deshalb schriller als andere? Zur Abschreckung der gegnerischen Kühe? Umgekehrt hat der Walliser Dialekt einen wunderschönen lautmalerischen Namen für die Treichel: Bummela oder Rumpla.

Verschiedenen Glocken-Namen vom Haslital über die Innerschweiz und Sargans bis Nordbünden

In diesen Regionen tragen die Kühe flache Treicheln mit rechteckigem Maul. Der dicke Klöppel aus Bronze oder Messing erzeugt ein kurzes, hartes Dröhnen. Ganz anders, als die melodischen Treicheln in de Romandie.

So sehr sich die Treicheln im Haslital, in der Innerschweiz, im Sarganserland und Nordbünden gleichen, von West nach Ost heissen sie je nach Kanton anders:

  • Haslital BE: Trinkle
  • Obwalden, Nidwalden, Uri: Trychel, Ziggeltrychle, (kleine) Bissen
  • Luzern, Zug:  Gungle, Chlepfe, Müsler, Müsler
  • Aargau: Träichle
  • Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft: Dräichle, Dräicheli
  • Zürich: Träichle, Schälle, Glüngeli
  • Schwyz: Muotithaler, Froschmuul-Glogge, Pragel-Glogge
  • Sargans St. Gallen: Chlöpfer, Plumpe
  • Nordbünden: Klopfer, Plumpa

Die Namen im Appenzellerland, Toggenburg, Mittelbünden und Engadin

Die Treicheln im Appenzellerland, im Toggenburger und Mittelbünden sind meist flacher und höher als jene in der Westschweiz. Sie werden aus einem Stück im Gesenk geschmiedet, mit Kupfer oder Messing überzogen.

Wohl jeder kennt die Geschichte vom Schellen-Ursli aus dem Unterengadin, der mitten im Winter auf die Alp hochsteigt, damit er mit den anderen Kindern den Winter mit lautem Glockengeläut vertreiben kann. Im Bilderbuch trägt er aber eine Schelle, die eher aus der Romandie kommt.

Zwischen Gonten AI und Guarda GR ändert sich die Bezeichnung für die Treicheln praktisch von Talschaft zu Talschaft:

  • Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden: Schölle, Sennschölle
  • Toggenburg St. Gallen: Schälle, Schölle
  • Mittelbünden: Rümpeli, Plümpeli, Palumpe
  • Engadin: Klumpere, Plumpa

Im Tessin und im Südbünden scheppert ein Schlagring

In den deutschsprachigen Tälern südlich vom Gotthard, San Bernardino und Splügenpass werden flache und eckige Chlepfe geschmiedet, aber auch rundliche und zylindrische Schellen. Und statt dem Klöppel erzeugt ein Schlagring einen scheppernden Klang.

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