Kurz & bündig
- Plötzliches Ansteigen der Zellzahl in der Milch kann Streuströme als Ursache haben.
- Zur Behebung von Spannungsdifferenzen unbedingt eine kontrollberechtigte Elektro-Fachperson beiziehen!
- Bei der Planung die Erdung auf einen zentralen Erdungspunkt ausrichten. Das Umfeld miteinbeziehen.
Die Zellzahl in der Tankmilch fing plötzlich an zu steigen, in anderthalb Monaten von 100'000 auf 300'000 Zellen/ml: «Es ging massiv nach oben», erzählt Rolf Müller in Ottoberg TG rückblickend. Das war im März 2019. Er prüfte die Milch seiner Kühe mit dem Schalmtest und konnte keine wirklich an einer Euter-Entzündung erkrankte Kuh feststellen.
Müller merkte aber, dass die Kühe die Milch nicht mehr ganz herunterliessen. Es blieb im Gegensatz zu früher Milch im Euter zurück. Was war los?
Die Spannungsunterschiede im Melkstand gefunden
Beat Weibel vom DeLaval Melkmaschinenservice in Altishausen prüfte auf Anfrage die Spannungsunterschiede im Melkstand. Diese sind Auslöser von sogenannten Streuströmen, umgangssprachlich auch Kriechströme oder vagabundierende Ströme genannt. Obwohl die Erdung der Geräte und der metallischen Einrichtungen im Melkstand in Ordnung war, stellte der Servicemonteur Spannungsdifferenzen fest. Er empfahl dem Landwirt, das Eidgenössische Starkstrom-Inspektorat ESTI zur genaueren Abklärung beizuziehen.
Stefan Weilenmann, Inspektor am ESTI, besuchte schon eine Woche später den Betrieb und mass die Spannungen an allen wichtigen Punkten auf dem Betrieb, und zwar vor dem Melken und während des Melkens. An den Rohren des Melkstandes mass er Stromflüsse von bis zu 70 mA. Kühe reagieren schon ab Berührungsspannungen von 1 Volt, welche bereits bei kleinen Strömen von nur 1 mA auftreten können.
Der Grund für das plötzliche Auftreten von Streuströmen lag darin, dass beim Erdungssystem Änderungen vorgenommen wurden.
Mit einem neuen Notstromaggregat wurde sowohl das Wohnhaus als auch den Stall mit Strom versorgt. Deshalb wurde die Stromzufuhr an einem Punkt zusammengefasst.
Das funktionierte gut, doch nun floss über den Netzschutzleiter mehr Strom: Nämlich sowohl vom Wohnhaus als auch vom Stall, zum zentralen Erdungspunkt, der Güllegrube. Dabei passierte der Strom den Melkstand.
Gegen Streuströme braucht es eine separate Erdung oder Isolation des Melkstandes
Um den Stromfluss durch den Melkstand zu verhindern, musste dieser vom restlichen Erdungssystem getrennt und zu einem neuen zentralen Erdungspunkt ausgerichtet werden. An diesem Punkt wurden alle Rohrkonstruktionen sternförmig angeschlossen, erklärt ESTI-Inspektor Stefan Weilenmann.
Dies liess sich relativ einfach mit Hilfe einer isolierten Erdungs-Sammelschiene ausführen, da schon eine separate Stromverteilung sowie Fehlerstromschutzschalter FI von 30 mA vorhanden waren. «Es mussten nur ein paar Drähte umgehängt werden», erzählt der Landwirt. In einem anderen Fall, in welchem eine zentrale Erdung nicht möglich war, musste der Landwirt das ganze Melkstand-Gestänge isolieren, sowohl die Bodenplatten als auch die Bodenschrauben. Letzteres mittels Isolierhülsen.
Mit der zentralen Erdung ging die Zellzahl schnell zurück
Es vergingen gerade einmal zwei Wochen, in denen die Zellzahl auf 140'000 zurückging. Eine Erstkalbe-Kuh, welche die Milch nur mit Hilfe einer Oxytocin-Injektion im Melkstand heruntergelassen hatte, gab zwei Tage nach der separaten Erdung die Milch ohne Spritze. Dieses Tier war offensichtlich besonders anfällig auf Streuströme, die wohl in geringerer Stärke schon vor der Zusammenlegung von Wohnhaus und Stall vorhanden waren.
«Kühe reagieren empfindlich auf Streuströme», sagt Rolf Müller. Schon im Jahre 2003, drei Jahre nach dem Bau des Laufstalles und dem Melkstand, hatte sein Melkmaschinentechniker Streuströme im Melkstand festgestellt.
Diese waren die durch die Korrosion der Metallteile im Melkstand bedingt. Dabei entstehen galvanische Elemente, bei denen chemische in elektrische Energie umgesetzt wird. Damals genügte es, das Gestänge des «2 × 6 Side by Side»-Melkstandes besser zu erden.
Erdungssystem schon bei der Planung des Stalls genau abklären
Um Spannungsdifferenzen und damit Streuströme zu vermeiden, empfiehlt Rolf Müller, schon bei der Planung eines neuen Stalles eine kontrollberechtigte Elektro-Fachperson beizuziehen. Es ist einfacher, Spannungsdifferenzen bei der Planung vorzubeugen, als nachher die Erdungsleiter zu trennen und neu zu führen. Das kann hohe Kosten nach sich ziehen.
Fachleute können in der Nähe befindliche elektrische Installationen berücksichtigen, zum Beispiel eine Trafostation, eine Photovoltaikanlage oder Stromleitungen. So können sie um mögliche Spannungsunterschiede vermeiden.
Wichtig ist immer, dass es einen zentralen Erdungspunkt gibt. Bei bestehenden Ställen gehen Stromflüsse nicht immer zum zentralen Erdungspunkt. Oft ist alles miteinander verbunden und es bilden sich Leiterschlaufen. Dies hat Streuströme an stromleitenden Einrichtungen zur Folge.
Änderungen an der Erdung dürfen nur von Elektrofachpersonen vorgenommen werden. «Fehler können lebensgefährlich für Mensch und Tier werden», warnt ESTI-Inspektor Stefan Weilenmann.
Streuströme beeinträchtigen Wohlbefinden und Gesundheit
Ab einer Differenz-Wechselspannung von 1 Volt können Körperströme von 1 bis 2 mA auftreten, welche Tiere wahrnehmen, schreibt das ESTI in seiner Mitteilung. Es kommt dabei auf die Leitfähigkeit der berührenden Körperteile an.
Die Tiere griffen diese Spannung in den meisten Fällen zwischen leitfähigen Einrichtungen wie Futterkrippen, Tränken und Melkmaschinen auf der einen Seite und Betonböden auf der anderen Seite ab.
Je nach Empfindlichkeit und Leitfähigkeit empfindet das Tier den Stromfluss als unangenehm bis schmerzhaft.
Es führt in der Regel dazu, dass Tiere bestimmte Stellen im Stall meiden, zum Beispiel nicht mehr in Liegeboxen liegen, Tränken meiden, nicht mehr gerne zum Melken kommen oder die Milch nicht ganz herunterlassen.
Im Melkstand führen Streuströme zu Reizungen der Zitzen und damit zu einer höheren Zellzahl und auf die Dauer zu einem erhöhten Risiko für Mastitis. Die Euter werden mit der Zeit krank. Die Kühe geben weniger Milch und es fallen Tierarztkosten an.
Es ist klar, dass dies nicht nur das Wohlbefinden der Tiere beeinträchtigt, sondern auch deren Leistung. «Ich will aber gute Milch abliefern», sagt Landwirt Müller.
Betriebsspiegel Rolf Müller
Rolf und Margrith Müller, Ottoberg TG
LN: 30 ha, davon 12 ha Ackerfläche (je 6 ha Silomais und Getreide)
Tierbestand: 46 Holstein-Milchkühe und 15 Aufzuchtrinder
Weitere Betriebszweige: Lohnarbeiten (Mähen und Silage-Ladewagen)
Arbeitskräfte: Betriebsleiter-Ehepaar mit Aushilfen
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