2022 war für die SchweinehalterInnen kein einfaches Jahr. Die Preise für die Schlachtschweine erreichten im August 2022 ein historisches Tief.
Vor Weihnachten spitzte sich die Lage weiter zu: Für die Schlachtschweine liessen sich fast keine Abnehmer mehr finden. Die Überproduktion hatte sich seit längerem angebahnt, nun trat sie mit Wucht ein.
20'000 Schweine bereits exportiert
In der Folge wurden beispielslose Marktentlastungsmassnahmen ergriffen:
- Fleisch von rund 15'000 Schweinen wurde im Dezember eingefroren. Diese Massnahme wurde von Proviande beschlossen und vom Bund mitfinanziert, war aber zeitlich beschränkt: Denn irgendwann muss dieses Fleisch auch wieder aufgetaut werden und wird dann den Markt belasten. Die Menge sollte also nicht allzu riesig werden.
- Zusätzlich wurde begonnen, Schweinefleisch in Schlachthälften zu exportieren. Diese Massnahme wird finanziert von den Mästern (15 Rp/kg SG) und dem Handel (5 Rp/kg SG). Gut 20'000 Schweine wurden so bereits exportiert (Stand Ende Woche 5/2023).
«Wir können nicht in der Hälfte aufhören»
Ebendieser Export verlief zu Beginn besonders harzig. Die europäische Logistik bereite Mühe, erklärte Stefan Müller, Geschäftsführer von Suisseporcs anlässlich der Schweinetagung am Strickhof Mitte Januar: «Die Transportkapazitäten waren nicht verfügbar. Für die EU-Lastwagen braucht es andere Haken, als dies in den Schweizer Schlachthöfen Standard ist. Das Verladen bringt so einen beträchtlichen Mehraufwand der Schlachtbetriebe mit sich».
Zu Beginn konnten nur ca 3000 statt der geplanten 5000 geschlachteten Tiere pro Woche exportiert werden. Der Teufel steckt bekanntlich in genau solchen Details. Gröbere Tierwohlprobleme - zu schwere Schweine, die im voll belegten Stall keinen Platz mehr haben - konnten dank den getroffenen Massnahmen verhindert werden, so Müller.
Mittlerweile komme der Export in die Gänge und so werde in den nächsten Wochen die Menge auf 5000 Schlachtschweine pro Woche ansteigen, heisst es in der Branche.
Auch wenn es länger dauert, als geplant und erhofft: «Wir müssen jetzt da durch. Wir können nicht in der Hälfte aufhören, andernfalls kommt die gleiche Misere nochmals», sagt Stefan Müller. Der Überhang ist nach wie vor da, es seien noch rund 20'000 Schweine zu viel auf dem Markt.
Es muss sich etwas ändern: Branchenlösung gesucht
Die Marktentlastungen sind kurzfristige Notmassnahmen. Langfristig müssen andere Lösungen her, machte Stefan Müller klar. Aktuell werde in der Arbeitsgruppe Schweinemarkt der Suisseporcs diskutiert: Züchter, Mäster, die Schweinehandelsvereinigung und die Forschung beraten unter der Leitung der Suisseporcs das weitere Vorgehen.
Verschiedene Modelle – unter Mithilfe und Mitdenken von Schweinehaltenden – werden analysiert und deren Chancen und Risiken bewertet. Zum Beispiel werde diskutiert, dass bei der Jagerpreisbildung an der Schweinebörse zusätzliche Indikatoren berücksichtigt werden könnten. Andere Modelle beinhalten die Absatzsteuerung durch die Branche, oder die Stilllegung von Schweinebetrieben.
«Wir wollen auf jeden Fall eine Branchenlösung, die alle mittragen», betont Stefan Müller. Suisseporcs kann Modelle aufzeigen, entscheiden werden die Produzenten an der Delegiertenversammlung.
Umfrage zeigt: In die Schweinehaltung wurde investiert
Einfach wird es sicherlich nicht. In den Reihen der ProduzentInnen gibt es jene, die produktionslenkende Massnahmen begrüssen - und jene, die weiterhin am freien Markt festhalten wollen.
Um den Puls bei den SchweinehalterInnen zu fühlen, verschickte Suisseporcs im Sommer 2022 eine Umfrage an die Mitglieder. Mit 837 ausgefüllten Fragebögen nahm ein Viertel aller professionellen Suisseporcs-Schweinehalter teil - ein erfreulicher Rücklauf.
Auffallend sei, dass etliche der Betriebe in letzter Zeit in die Schweinehaltung investierten, erklärt Stefan Müller die Umfrageergebnisse. Auf die Frage, wie lange die Stallungen voraussichtlich noch in Produktion bleiben, antworteten 618 Teilnehmende mit «mehr als 10 Jahre».
«Da wurde investiert, da ist Fremdkapital drin. Das erklärt auch, weshalb nun in der Krisensituation nicht reihenweise Betriebe aus der Produktion aussteigen», sagt Müller.
Was die Umfrage ausserdem ergab:
- Mehr als die Hälfte der Zuchtbetriebe setzen den Morenbarometer auf ihrem Betrieb nicht um. Das heisst, sie nutzen das (freiwillige) Werkzeug nicht, welches anzeigt, wann Belegungen der Moren sinnvoll sind und wann reduziert werden sollte, um eine Überproduktion zu verhindern.
- Die Fragen nach dem angepassten Preismodell für die Mastjager werden sehr unterschiedlich beantwortet. In der Tendenz wird befürwortet, vom aktuellen Börsenmodell auf ein Steuerungsmodell zu wechseln.
- Branchenmodelle für eine Absatzsteuerung können überprüft werden.
- Einer kompletten Produktionsplanung (mit verbindlichen Vorgaben der Morenbelegungen/Einstallungen, Ohrmarkenzuteilung) stimmt eine Mehrheit nicht zu.
Zukunft bleibt ungewiss
Ob eine umsetzbare Lösung gefunden wird, ob sich die unterschiedlichen Parteien einigen können, ob es ausreichen wird, um eine Lage wie die Aktuelle beim nächsten Mal abzuwenden - das bleibt ungewiss. Die Diskussion dazu läuft auf Hochtouren.