Kurz & bündig

- Cäsar Bürgi kreuzt Duroc mit Turopolje und Schwäbisch-Hällische Schweine mit dem hofeigenen «Bunten Distelschwein».
- Unterstützt wird der Bio-Landwirt vom FiBL. Gemeinsam züchten sie an einem «Hausschwein», einer alternativen Schweinerasse, geeignet für die Freilandhaltung.
- Für die weitere Zuchtarbeit suche sie interessierte LandwirtInnen, so Anna Jenni vom FiBL.

www.unserhausschwein.ch

Mit seinem Rüssel stochert das Ferkel zwischen den Gitterstäben hindurch und lässt ein Grunzen hören. Seine Borsten sind rot-braun, der Körper ist kurz und gedrungen. Sein Bruder steht daneben – ein länglich-schlankes rosa Ferkel mit schwarzen Flecken. Geschwister, die so unterschiedlich aussehen? Was ist da passiert?

Die beiden Ferkel gehören zum Wurf, dessen Mutter ein «Buntes Distelschwein» und der Vater eine Kreuzung aus Turopolje und Duroc ist. Folglich ist der Nachwuchs ein wilder Haufen in allen möglichen Farben, Längen und Breiten.

Bürgi betreibt Merkmalszucht und schaut nicht auf Blutlinie

Genau diese Vielfalt ist das Ziel, auf das Landwirt Cäsar Bürgi hinarbeitet. «In der Schweiz werden sehr wenige Rassen angeboten. Alle diese Rassen wurden im klimatisierten Stall gezüchtet», sagt Bürgi. Für seine Ansprüche habe er keine passende Genetik gefunden, so der Züchter.

Seit 15 Jahren züchtet Bürgi seine eigenen Schweine. Zusammen mit seiner Frau Lena führt der Bio-Landwirt einen Betrieb in Holderbank SO. «Meine Schweine müssen für die Freilandhaltung geeignet sein. Ausserdem muss ich sie mit Nebenprodukten füttern können», nennt Bürgi die zwei wichtigsten Merkmale, die Schweine auf seinem Betrieb haben müssen.

Mittlerweile ist eine eigene Hofrasse entstanden: Das «Bunte Distelschwein» hat Blut von Edelschwein, Landrasse, Duroc, Turopolje und Hampshire in sich. Die exakten Rasseanteile interessieren Bürgi aber wenig. «Ich betreibe Merkmalszucht. Ich schaue nicht auf die Blutlinie.»

Betriebsspiegel Hof Silberdistel
Lena und Cäsar Bürgi, mit ihren drei Kindern, Holderbank SO

LN: 44 ha
Kulturen: Grünland, etwas Gemüse
Tierbestand: 70 Red Angus, 2 Sauen, 1 Eber, 20 Mastschweine, 20 Burenziegen, 60 Hühner, 2 Freiberger und 1 Pony
Arbeitskräfte: Lena und Cäsar Bürgi, 1 Mitarbeiterin, 1 Lehrling

www.silberdistel-kost.ch

Futtermehl, Kleie, Gras und Boden-Getier

Die Schweine halten Bürgis in der Gruppe. Im Winter, sind die Tiere im Stall, tummeln sich aber oft draussen im betonierten Auslauf. In den warmen Monaten sind die Schweine im Freiland. Mittels mobiler Plattform mit Unterstand, dem Sau-Karavan, werden die Tiere regelmässig gezügelt, um so den Boden zu schonen. Draussen fressen sie Gras, Boden-Getier und Wurzeln. Zusätzlich kaufen Bürgis Futtermehl und Kleie zu. Beide fallen in Brotmüllereien an, als Nebenprodukte der Mehlherstellung.

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Reicht das Protein im Futter? «Es handelt sich um Gerstenmehl, das ist sehr ausgewogen für Schweine. Im Ferkelstadium füttern wir noch ein Mischfutter, ansonsten brauchen meine Schweine kein zusätzliches Eiweiss», sagt Bürgi.

Für ihn sei das der Inbegriff von Effizienz – obwohl die Schweine länger brauchen, bis sie schlachtreif sind. «Wenn sie nur Reste fressen, spielt es doch keine Rolle, wie viel sie fressen. Sie müssen nicht effizient im Sinne der bestmöglichen Futterverwertung und des schnellen Wachstums sein», so der Züchter.

Welche Effizienz wollen wir bei den Schweinen?

Die Frage nach der Effizienz wurde unlängst am Schweinetag des FiBL diskutiert. Die Zucht der letzten Jahrzehnte führte dazu, dass Schweine heute ihr Getreide- und Sojafutter sehr gut in Fleisch umwandeln. Doch wäre es stattdessen vielleicht besser, eine Rasse zu züchten, die zwar mehr Futter fressen muss, aber mit Nebenprodukten genügend gut versorgt ist? Eine abschliessende Antwort darauf gab es an der Tagung nicht.

Die andere Rasse, das langsamere Wachstum und das extensive Futter führen auch beim Schlachtkörper zu Unterschieden. Der Rückenspeck sei bei seinen Schweinen klar dicker als die gewünschte Norm, meint Cäsar Bürgi. Da er die Schlachtkörperhälften selbst verarbeitet, ist er nicht abhängig davon.

«Das Fett verarbeite ich zu Schmalz, den man zum Kochen und Backen verwenden kann. Mittlerweile ist die Nachfrage bei uns so gross, dass ich zu wenig anbieten kann», erzählt Bürgi.

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«Bio-Betriebe fragen nach einer breiteren Auswahl»

Mit seinen bunten Distelschweinen nimmt Cäsar Bürgi mittlerweile an einem Projekt teil, in dem seit 2017 eine alternative Schweinerasse für die Schweiz gezüchtet wird. Die Leitung liegt beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL. Unter der Leitung von Barbara Früh betreut Anna Jenni vom FiBL das Projekt und arbeitet eng mit Familie Bürgi zusammen.

AboEin gezeichnet Porträt von Peter Spring, vor einem Foto der «Bunten Distelschweine»SchweinezuchtStandPunkt von Peter Spring: Das Schweizer Schwein – existiert doch schon?!Freitag, 4. März 2022 Ziel ist, eine Rasse zu züchten, die auch für die Freilandhaltung geeignet ist. Diese Rasse soll robust sein und mit extensiver Fütterung zurechtkommen. Zu dem Zweck wird mit den fünf Rassen Edelschwein, Duroc, Turopolje, Schwäbisch-Hällisches Landschwein und Bürgis «Buntem Distelschwein» gearbeitet. Die Endstufentiere, mit denen die Mastferkel gezeugt werden, sind beide eine Kreuzung aus mindestens vier der fünf Projekt-Rassen.

«In der Schweiz fehlen neben den Hauptrassen die Alternativen. Gerade Bio-Betriebe fragen nach einer breiteren Auswahl», sagt Anna Jenni. Andere Rassen in Form von Tiefgefriersperma zu importieren sei mit grossem administrativem Aufwand verbunden, sagt Jenni. «Statt zu warten oder zu resignieren, wollen wir selbst etwas unternehmen», so Bürgi.

Anfangs geht es um Vielfalt, später dann um klare Zuchtziele

Mittlerweile sind rund 20 Betriebe in das Projekt involviert. Sie kreuzen die fünf Rassen gezielt miteinander. Anna Jenni koordiniert, vernetzt die LandwirtInnen und vermittelt Zuchttiere zwischen den Betrieben.

Unterschiedliche Betriebe haben unterschiedliche Ansprüche an die neue Rasse. Wie lassen sich da Zuchtziele definieren? Eine Definition, die es braucht, um überhaupt zu selektieren. Anna Jenni schaut, dass sie die Balance hält: «Wir wollen eine bäuerliche Zucht, bei der die ZüchterInnen mitreden können. Aber ich kann nicht auf jeden Wunsch eingehen.»

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Das Ziel ist, homogene Würfe zu erhalten. Ausserdem werde Wert auf eine gute Fleischqualität gelegt und auch andere Leistungsmerkmale sollen klar definiert werden. Dazu ist geplant, am FiBL Tiere einzustallen, sie standardisiert zu füttern und schliesslich ihre Fleischqualität zu prüfen. Die ersten Prüftiere sollen ab Anfang 2023 ans FiBL kommen. Am Ende des Projekts soll mit einem Herdebuch gestartet werden, um die Rasse zu pflegen und weiterzuentwickeln.

Aktuell seien sie aber noch nicht so weit. Es gehe darum, zuerst eine genetische Vielfalt zu erhalten, sagt Anna Jenni. Danach könne gezielter selektiert werden. Natürlich werde bereits zum heutigen Zeitpunkt nur mit denjenigen Tieren weitergearbeitet, die gesund seien und vom Exterieur her passen. In der Praxis sieht das so aus: «Die Kleinsten und die Grössten sortiere ich aus. Bei den Verbliebenen schaue ich, ob sie ein gutes Fundament und auch sonst keine Fehler haben und wie die Zitzenanlage beim Weibchen ist», erklärt Cäsar Bürgi.

Da Bürgis Ebermast betreiben, haben sie lange Zeit, um zu selektieren: «Mit 100 Kilogramm sieht man einem Eber schon viele Makel und auch positive Eigenschaften an.»

Eine Rasse für eine Nische von Betrieben

Cäsar Bürgi und Anna Jenni sehen ihre Arbeit als Ergänzung zur aktuell verfügbaren Schweinegenetik. «Wir sind keine Konkurrenz zum bestehenden Angebot. Mit dem Projekt sprechen wir andere Betriebe an», sagt Jenni. Am Ende der Arbeit steht eine Schweinerasse, die einer Nische von Betrieben eine grössere Auswahl bei den Schweinerassen ermöglicht.

Das sagt die Suisag zum Schweizer Genetik-Angebot
Die Suisag ist ein Schweizer Anbieter von Schweinegenetik. Henning Luther, Zuchtleiter, bestätigt, dass die Einfuhr von Schweinegenetik aufwändig sei: «2012 brachte ein Mitbewerber Porcines reproduktives und respiratorisches Syndrom (PRRS) via Sperma in die Schweiz. Die Tilgung des Erregers hat den Staat viel Geld gekostet. Sanitarische Anforderungen bei Importen bestehen also nicht ohne Grund.»

Luther erklärt, dass die Suisag zwei Mutterrassen (plus die Kreuzungssauen daraus) sowie drei Endstufeneber anbiete. Nebst der Suisag gibt es einen weiteren Genetikanbieter, ausserdem Genetik von Hampshire-Sauen und Wollschweinen. «In unserem kleinen Schweizer Markt sehe ich das nicht als kleines Genetik-Angebot an.»

Die extensiven Rassen seien dabei geeignet für die Weidehaltung. Und es gebe auch einige Schweizer Bio-Betriebe, die gute Erfahrungen mit Edelschweinen in der Freilandhaltung machten.