Frau Andina, müssen sich die Bauern Sorgen machen, dass bei einem Notfall bald kein Tierarzt mehr kommt?
Grundsätzlich nicht. Unsere Studie im Jahr 2017 hat gezeigt, dass die Schweiz zurzeit genügend Tierärzte für Nutztiere hat. Doch in einigen Randregionen, besonders in den Kantonen Jura, Tessin, Graubünden und Uri, wird es knapp. Auf Stellenausschreibungen gibt es generell wenige Bewerbungen.

Wieso ist das so?

An den Universitäten Bern und Zürich erhalten jedes Jahr etwa 120 Studenten ihr Diplom. Doch davon praktizieren danach nur rund 60 Prozent und nur ein Teil davon in der Nutztiermedizin. Die anderen wählen den Weg in die Forschung, eine amtliche Tätigkeit oder die Industrie. Dazu kommt, dass viele junge Tierärzte und besonders Tierärztinnen Teilzeit arbeiten. Das entspricht dem gesellschaftlichen Wandel und dem Bedürfnis nach einer Balance zwischen Beruf und Privat
leben.

Lösen Tierärzte aus 
dem Ausland das Problem?

Teilweise. Wir sind zwar froh, dass diese Kolleginnen und Kollegen uns unterstützen. Aber die Ausbildung ist in der Schweiz deutlich praxisnaher und die Beziehung der Schweizer Landwirte zu ihren Tieren ist oft viel enger als auf den riesigen Betrieben 
im Ausland. Dazu kommen Sprach
probleme, besonders in zweisprachigen Regionen. Als Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte GST wären wir gern weniger abhängig von ausländischen Tierärzten.

Was schlägt die GST vor?

Zum einen fordern wir mehr Studienplätze in der Veterinärmedizin. Seit August 2018 gibt es je 10 Plätze mehr an den Universitäten Bern und Zürich, wir fordern pro Standort nochmals 
je 15 zusätzliche Plätze.

Zum anderen wollen wir ab 2019 in den betroffenen Regionen mit den GST-Sektionen, den Kantonen und den Bauernverbänden zusammen
sitzen. Wir wollen eine Art «Frühwarnsystem» erarbeiten, damit die tierärztliche Versorgung auch in Zukunft sichergestellt ist.

Gibt es konkrete Ideen?

Wir müssen für jede Region eine individuelle Lösung suchen. Als Beispiel gibt es bereits Regionen, wo die Landwirte eine Art «Wartegeld» bezahlen oder amtliche tierärztliche Tätigkeiten eine Grundlage für 
das Existieren einer Praxis bieten.