Der neue Verein Faire Märkte Schweiz FMS wurde im Mai2023 gegründet. Gründungsmitglieder sind der ETH-Agronom Stefan Flückiger (der dafür beim Schweizer Tierschutz STS als Co-Geschäftsführer gekündigt hat) und Wirtschaftsprofessor Mathias Binswanger von der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Im FMS-Vorstand ist auch Landwirt Werner Locher, Sekretär der Bäuerlichen Interessengemeinschaft für einen fairen Milchmarkt BIG-M.

Forschung, Sensibilisierung, Dialog und Bildung ...

Oranger Elefant in einem grossen Raum, daneben Porträtzeichnung von Jürg Vollmer.EditorialMigros und Coop haben die Schweizer Landwirtschaft im Griff – Editorial von Jürg VollmerMittwoch, 26. Juli 2023 Der Verein FMS hat eine Geschäftsstelle, die LandwirtInnen und Firmen im Lebensmittelsektor als Beratungsstelle zur Verfügung steht. Die ersten vier Jahre des Vereins werden durch die Stiftung ProCare finanziert.

«Die Schweizer Bauern und Bäuerinnen werden für ihre Produkte nicht fair entschädigt» stellt Mathias Binswanger fest, den die NZZ seit Jahren zu den einflussreichsten Ökonomen der Schweiz zählt.

«Die bezahlten Produzentenpreise und die geringen Wertschöpfungsanteile vom Konsumenten-Franken ermöglichen Landwirtschaftsbetrieben kein existenzsicherndes, nachhaltiges Wirtschaften.»

... aber auch Beratung bei Missbrauch der Markt-Macht

Das soll sich mit dem neuen Verein FMS ändern. Faire Märkte Schweiz hat die erste Schweizer Melde- und Beratungsstelle für LandwirtInnen aufgebaut. Diese können FMS einen vermuteten Missbrauch melden und einem Expertenteam online oder per Telefon kostenlos zur Beurteilung vorlegen.

Im Visier des Vereins FMS sind in erster Linie die Detailhändler Migros und Coop, die aufgrund ihres marktbeherrschenden Duopols auf den Preis Einfluss nehmen – vielfach zu Lasten der Schweizer Landwirtschaftsbetriebe.

Der erste «Fall» der FMS Melde- und Beratungsstelle: Die Migros-Tochter Elsa

Der erste «Fall» der Melde- und Beratungsstelle wird offenbar die Elsa Group (früher Estavayer Lait SA). Das Migros-Tochterunternehmen will offenbar die Milchpreise um 1,5 bis 2 Rappen pro Kilogramm senken.

«Eine mögliche Senkung erhöht nicht nur den wirtschaftlichen Druck auf Bäuerinnen und Bauern in unserem Land, sondern ist auch unangemessen», erklärt FMS-Präsident und Geschäftsführer Stefan Flückiger in einer Medienmitteilung unter dem Titel «Migros will Bauern für die Milch weniger vergüten – Ansinnen wird scharf verurteilt».

Die Landwirtinnen sind als Milchproduzenten sind wirtschaftlich von der Migros anhängig und deshalb «auf eine faire Geschäftsbeziehung angewiesen», so Flückiger weiter. Denn Migros und Coop kontrollieren zusammen rund 70 Prozent des inländischen Milchmarktes, 40 Prozent halte alleine die Migros.

Für den Verein Faire Märkte Schweiz FMS ist eine einseitige Senkung der Vergütungen an Bauern für ihre Milch im Sinne von Artikel 7 des Kartellgesetzes Marktmissbrauch. In einem offenen Schreiben an die Elsa Group fordert FMS deshalb den umgehenden Stopp einer Senkung der Produzentenpreise. Andernfalls drohen rechtliche und politische Korrekturmassnahmen.

BIG-M rechnet nach

81 Rappen Richtpreis für A-Milch
  4,5 Rappen Zuschlag für Wiesenmilch-Bauern
  5 Rappen Verpackung (geschätzt)
25 Rappen Pasteurisieren und Abfüllen (geschätzt)
20 Rappen Verkaufsmarge im Laden (geschätzt)
= 1.35 Franken Verkaufspreis

Migros verkauft gegenwärtig aber 1 Liter IP-Suisse Wiesenmilch für 1.10 Franken, der  Verkaufspreis liegt also unter den Gestehungskosten. Diese Aktion ist gemäss BIG-M «Preisdumping wie es im Buch steht».

Die Migros argumentierte daraufhin, dass sie sich im normalen Preismodell bewege und der Milchpreis nur für die B-Milch gesenkt werde, die im Inland für Butter und im Ausland für Magermilchpulver gebraucht wird. Der Preis für A-Milch werde quartalsweise festgelegt und sei seit mehreren Quartalen gleich.

 Die Migros ist Ende 2017 im Streit aus der Branchenorganisation Milch BOM ausgetreten. BOM-Geschäftsführer Stefan Kohler bezeichnet die angekündigte Preissenkung der Migros-Tochter als «unschön», es gebe keine Gründe für den geplanten «Marktabzug», weil Elsa hauptsächlich auf dem Inlandmarkt tätig sei. Einer kartellrechtlichen Klage gegen die Milchpreissenkung gibt er aber wenig Chancen.