Kurz & bündig
- Fachkräftemangel in der Landtechnik entsteht trotz steigender Lernendenzahlen durch Abwanderung in andere Branchen.
- Bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne in Industrie und Bau locken LandmaschinenmechanikerInnen.
- Mut zur Preiserhöhung und starke Netzwerke sind Schlüssel, um Fachkräfte langfristig zu halten.
Landtechnikunternehmen können ihre offenen Stellen nicht mehr besetzen. Das Kuriose: Die Berufsgattung ist einer der wenigen Handwerkerberufe, welche in den letzten vier Jahren zunehmende Lernendenzahlen auswiesen. 2024 waren es mehr als 300 Ausgebildete schweizweit, die ihr EFZ entgegennahmen. Weshalb fehlen in der Branche die Fachkräfte, während die Ausbildung boomt?
Nach vier Jahren Ausbildung Topleute weggeschnappt
Unter der Berufsbezeichnung LandmaschinenmechanikerIn findet man auf jobscout24.ch über 580 Inserate in der Deutschschweiz. Ob in der Industrie, dem Baugewerbe oder der Landtechnik: LandmaschinenmechanikerInnen sind gefragt.
Felix Eberhard führt ein Landtechnikunternehmen in Hombrechtikon ZH. Er beschäftigt fünf Festangestellte und zwei Teilzeitmitarbeitende. Bisher bildete er zehn Lernende in seinem Betrieb aus: «Topleute, die man überall einsetzen kann, und genau das ist unser Problem. Wir bilden vier Jahre aus, dann werden sie uns weggeschnappt oder sie gehen zurück auf ihre Betriebe zu Hause.»
Agrotec Suisse ist der Dachverband der Landtechnik- und Hufschmiedebetriebe. Gemäss der letzten Lernendenumfrage bleiben über die Hälfte der Lehrabgänger in der Landtechnik. Vorerst. Die Erfahrung zeigt, dass viele von ihnen ab Mitte 20 die Branche verlassen werden.
Matthias Rüfenacht ist bei Agrotec Suisse zuständig für die Berufsbildung. Er bestätigt: «Unsere Fachkräfte wechseln die Branche, wenn ein Lebenswandel bevorsteht. Beispielsweise, wenn Familienplanung aktuell wird.» Die Ausbildung von LandmaschinenmechanikerInnen umfasst Mechanik, Hydraulik, Elektrotechnik und Metallbearbeitung. Alles wichtige Bereiche im Industrie- und Baugewerbe. In diesen Branchen sind nicht nur die Präsenzzeiten geregelter. Auch die Löhne fallen besser aus als in Landtechnikbetrieben.
Agrotec rät, den Preis einzufordern, den die Arbeit wert ist
Felix Eberhard sieht sich zwischen Stuhl und Bank. Seine Mitarbeitenden machen einen sehr guten Job, höhere Löhne kann er trotzdem nicht zahlen: «Dazu müsste ich den Stundenansatz erhöhen. Doch unsere Kunden haben auch nicht mehr Geld zur Verfügung, um ihre Rechnungen zu zahlen.»
Wie die Zahnräder eines Getriebes greifen die Umstände ineinander: Die finanziellen Möglichkeiten von Landwirtschaftsbetrieben sind beschränkt. Um dem entgegenzukommen, setzen Landtechnikbetriebe ihre Stundenansätze tief an.
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«Uns werden die gut ausgebildeten Topleute weggeschnappt.»
Felix Eberhard, Landtechnikunternehmer
Folglich können die eigenen Fachkräfte nicht niveaugerecht entlöhnt werden und verlassen die Branche. Landtechnikfirmen sind eng mit ihren Kunden verbunden. Sie pflegen gute Beziehungen zu den Betriebsleitenden. Diese Umstände erschweren es, den Stundenansatz zu erhöhen.
Matthias Rüfenacht rät: «Es ist nicht einfach. Landtechnikunternehmen müssen den Mut haben, den Preis einzufordern, den ihre Arbeit wert ist.»
Image und Nähe zum Wohnort sind wichtiger als der Lohn
Die Lernendenumfrage von Agrotec Suisse zeigt, dass zumindest für die Wahl des Lehrbetriebes der Lohn und die Arbeitszeiten nicht ausschlaggebend sind. Stärker gewichtet wird das Image des Betriebes und die Nähe zum Wohnort. Am wichtigsten für junge Menschen sind die Atmosphäre und die Zusammenarbeit im Team.
Bei Felix Eberhard bewerben sich jährlich bis zu fünf Lehrlinge. Sie schätzen das kleine Team und dass man noch so richtig «mechen» kann. Die langjährigen Mitarbeiter betonen das familiäre Klima und die Abwechslung.
Das zweite Standbein von Eberhards Traktoren- und Landmaschinenbetrieb sind Lohnarbeiten. Während der Sommermonate kommt es vor, dass ausser der Sekretärin niemand in der Werkstatt anzutreffen ist. Alle sind draussen auf dem Feld: Ballen pressen, ackern, säen, spritzen, dreschen. Durch die Kombination von Werkstatt und Lohnunternehmen entsteht ein abwechslungsreiches Arbeitsangebot.
Gleichzeitig entsteht ein positiver Doppeleffekt: Dadurch, dass die MechanikerInnen an vorderster Front auf dem Feld mitarbeiten, kennen sie die Maschinen und ihre Funktionen auch im Einsatz. Was beliebt ist bei den Mitarbeitenden, führt gleichzeitig zu zeitlichen und personellen Engpässen.
Beziehungen pflegen, um in Arbeitsspitzen Personal zu finden
Aus Erfahrung weiss Felix Eberhard, dass er sich besonders während Arbeitsspitzen auf ehemalige Mitarbeitende und Freunde verlassen kann: «Wenn es wirklich brennt, dann greifen wir auf unseren Bekanntenkreis zurück.» Besonders, wenn Fachkräfte rar sind, zahlt sich ein gepflegtes Netzwerk aus. Sei es, um ein paar Stunden auszuhelfen oder bei der Personalsuche.
Ein Dauerzustand sollte das aber nicht bleiben, dessen ist sich Felix Eberhard bewusst. Wie viele andere Unternehmende wird er weiter nach Mitarbeitenden suchen. Agrotec Suisse kennt das Problem und hat es zu einem wichtigen Punkt in der kommenden Strategie gemacht.
Als attraktiver Arbeitgeber positionieren
Betriebsübergreifende Zusammenarbeit: Während Arbeitsspitzen und stark witterungsabhängigen Arbeiten ist es ratsam, dass Unternehmen sich gegenseitig aushelfen.
Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft: LandmaschinenmechanikerInnen, die einen Landwirtschaftsbetrieb übernommen haben, auf Stundenlohnbasis oder tiefprozentig zurückholen.
Verpflegung: Besonders während langer und anstrengender Arbeitstage ist es eine Erleichterung, wenn die Verpflegung gewährleistet ist.
Teilzeitangestellte: Teilzeitarbeitende sind für die Arbeitsplanung eine Herausforderung. Doch lieber einen motivierten 60-Prozent-Mitarbeiter als einen Vollzeitarbeiter, der nur seine Zeit absitzt.
Job-Sharing-Modelle: Je nach Bedarf können MechanikerInnen zwischen Werkstatt und Lohnunternehmen wechseln.
Der Mensch im Zentrum: Betriebsleitende sollen ihre Angestellten als Menschen und nicht als reine Arbeitnehmende wahrnehmen. Schaffen Sie Bindungen. Gratulieren Sie zu besonderen Leistungen, fragen Sie nach, wie die Ferien waren und ob die Grippe gut überstanden wurde.
Betriebsklima stärken: Gemeinsame Aktivitäten oder regelmässige Teambesprechungen fördern das Wirgefühl. Schon Znünigipfeli oder der gemeinsame Besuch eines Dorfanlasses wirken positiv.
Positives Image des Unternehmens: Ein zerknirschter, pessimistischer Chef wirkt sich negativ aus. Arbeitgebende, die stolz sind auf die Leistung ihrer Mitarbeitenden und Freude an ihrem täglichen Tun haben, geben diese Eigenschaften an ihre Mitarbeitenden weiter.