Kurz & bündig
- Seit Januar 2024 führt Anja Hodel in Bösingen FR einen Hof mit 56 Milchkühen, Land und Gebäude sind vom Vater gepachtet.
- Die gelernte Pharmaassistentin mit Bäuerinnen-Fachausweis setzt auf Teamarbeit, Weiterbildung und klare Strukturen.
- Trotz steigender Kosten will sie an der Milchwirtschaft festhalten und den Betrieb schrittweise weiterentwickeln.
Die Arbeit im Team: Wie wichtig diese sei, betont Anja Hodel (38) immer wieder. Zwar ist sie Betriebsleiterin auf dem Hof in Bösingen FR, doch «ohne Vater und unseren Angestellten an der Seite wäre das unmöglich». Seit dem 1. Januar 2024 führt sie den Betrieb. Gekauft hat sie die Maschinen und die Tiere, Land und Gebäude hat sie von Vater Jürg Hodel (66) gepachtet.
Anja Hodel ist Bäuerin mit Fachausweis, bezeichnet sich, obwohl sie auf dem Betrieb aufgewachsen ist, bescheiden als Quereinsteigerin. Die gelernte Pharmaassistentin hat nach der Lehre bei einer Versicherung gearbeitet und ist nun seit elf Jahren in der Administration des Inselspitals in Bern angestellt. Dort hat sie in ihrem 60-Prozent-Pensum viel mit Zahlen zu tun, Begriffe wie Wirtschaftlichkeit und Deckungsgrad gehören zu ihrem Alltag.
Auf dem Hof in Bösingen dagegen tränkt sie Kälber, melkt mit ihrem Vater und dem Angestellten die 56 Milchkühe, bringt die Herde auf die Weide, umsorgt die Mastkälber. «Mittlerweile sind wir ein eingespieltes Team», sagt sie.
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Der «stille Traum» wird mit der Hofübernahme Realität
Ein «stiller Traum» sei es schon lange gewesen, auf dem Hof einzusteigen. «Als ich Anfang 20 war, ging ich mit meinem Vater zu einer Beratung», erzählt sie. Sie habe damals mit dem Gedanken gespielt, die Ausbildung zur Landwirtin EFZ zu machen. «Doch ich war noch nicht so weit», sagt sie.
Der Gedanke an die Landwirtschaft hat sie dennoch nie losgelassen. Jürg Hodel arbeitete seit Jahren in einer Tierhaltergemeinschaft mit dem Nachbar zusammen, baute Kartoffeln und Zuckerrüben an und hatte im Jahr 2014 zusammen mit seinem Geschäftspartner eine Liegehalle errichtet.
2016 brannte der Ökonomieteil des Bauernhauses nieder. Weder Menschen noch Tiere kamen zu Schaden, Jürg Hodel betont, wie gut die Unterstützung des Kantons, des Oberamtes, der Gemeinde und des gesamten Umfeldes gewesen sei und wie froh er sei, dass er gut versichert war. «Der Wiederaufbau und die noch neuere Liegehalle hat die Entscheidung, weiterzumachen, mitbeeinflusst», sagt Anja Hodel und zeigt auf den Teil des Betriebs, dessen Holz deutlich heller ist als das des Wohnteils.
«Damals hatte ich den Eindruck, dass es meine Tochter gepackt hat», erzählt Jürg Hodel. Der Laufstall war da, der Wiederaufbau nach dem Brand konnte bereits 2017 angegangen werden. Und in Anja Hodel reifte der Entscheid, eine Ausbildung in der Landwirtschaft zu machen. Sie informierte sich über die Bäuerinnenausbildung: «Ich habe immer gerne gegärtnert oder Produkte verarbeitet», sagt sie. Einst den Hof zu übernehmen, das traute sie sich nicht so recht zu: «Die Fussstapfen, in die ich dann doch getreten bin, sind gross», sagt sie.
Die Bäuerinnenausbildung als Glücksfall und Lebensschule
Doch die Bäuerinnenausbildung am Inforama Waldhof entpuppte sich als Glücksfall: «Ich habe andere Frauen getroffen, die sich ähnliche Gedanken gemacht haben», erzählt sie. Töchter, die zusammen diskutierten, philosophierten und die der Wunsch, ihre Rolle auf dem Betrieb zu finden, zusammenschweisste.
Während des zweiten Schuljahres wurden die Diskussionen mit Vater Jürg Hodel intensiver: Sein Pensionsalter rückte näher. Wie sollte es mit dem Betrieb weitergehen? Den Betrieb an den Partner der Tierhaltergemeinschaft verpachten oder eine andere Lösung suchen?
Am Ende war es die «andere Lösung»: Die Tierhaltergemeinschaft kam an ein harmonisches Ende, bis heute unterstützt der Nachbar bei Bedarf und kümmert sich um die Aufzuchtrinder von Anja Hodel: «Ich bin dankbar für die gute Zusammenarbeit, wenn auch in einer anderen Form als vor der Übernahme.»
Anja Hodel schloss die Ausbildung als Bäuerin FA ab und übernahm den Betrieb: «Der Druck, die Prüfung zu bestehen, war hoch», sagt sie. Und komplett entspannt gingen weder Vater noch Tochter den neuen Alltag an: «Ich wusste, dass viel auf Anja zukommt», sagt Jürg Hodel. Die Schule habe durchaus eine gute Grundlage gelegt. Doch ob seine Tochter die harte körperliche Arbeit packt und wie die enge Zusammenarbeit wird: «Das wussten wir alle nicht.»
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«Ich wusste, dass viel auf meine Tochter zukommt.»
Jürg Hodel, Landwirt, Bösingen FR
Mittlerweile ist er zuversichtlich und sichtlich stolz auf seine Tochter: «Sie steht ihre Frau.» Da es ihm gesundheitlich gut gehe, möchte er in den nächsten Jahren weiter mitarbeiten. «Aber ich schätze es, zwischendurch mal sitzen zu bleiben oder in aller Ruhe den Schlussgang am Eidgenössischen Schwingfest zu schauen.»
Für mehr Fachkompetenz braucht es Wille und Selbstdisziplin
Vom Fachwissen, das ihr Vater und der Angestellte in 40 Berufsjahren gewonnen haben, profitiert Anja Hodel gerne. «Ich mache mir keine Illusionen», sagt sie. Die Bäuerinnenausbildung würde sie dennoch weiterempfehlen: «Das war eine lehrreiche Lebensschule und man knüpft schöne Kontakte, die einem bleiben», sagt sie.
Doch trotz der Wahlmodule Rindviehhaltung und Ackerbau hätte sie es sich niemals zugetraut, den Milchviehbetrieb ohne Unterstützung zu übernehmen: «Um der Landwirtschaft gerecht zu werden, muss ich mir Fachkompetenz aneignen.» Sie erarbeitet sich diese, indem sie liest und ab und zu Weiterbildungen besucht. Es brauche Wille und Selbstdisziplin, im Berufsleben wieder von vorne zu beginnen.
Zum anderen lernt sie im Alltag vom Vater und vom Angestellten. «Die beiden lassen mich eigene Erfahrungen machen, das bringt mich weiter», berichtet sie. «Es braucht Geduld mit sich selbst, gerade mit Tieren, sie lesen zu können, erkennen, wann es ihnen nicht so gut geht.»
Die Teamarbeit funktioniert auf dem Hof auch zu dritt
Der Respekt vor der Aufgabe und die Freude an der Zusammenarbeit im Team ist immer wieder spürbar: «Wir gehen diesen Weg zusammen», sagt Anja Hodel etwa. Es bringe wenig, sich jetzt schon den Kopf zu zerbrechen, was in vier, fünf Jahren sei.
Sie sei zu einem Team gestossen, das seit Jahrzehnten zusammenarbeitet, und wisse das Glück zu schätzen, dass die neue Zusammenarbeit so reibungslos funktioniere. «Natürlich sind wir nicht immer gleicher Meinung und diskutieren. Doch richtig Streit? Das gab es noch nie.»
Bei den Znüni-Gesprächen werde diskutiert, was an Arbeiten anstehe. Obwohl jeder fast alles könne, habe jeder seine Aufgaben: Zum Beispiel während der Stallzeit ist der Vater hauptsächlich am Melken. Anja und der Angestellte melken zwar mit, kümmern sich aber auch noch um das Misten der Liegeboxen, das Tränken der Kälber und das Füttern der Kühe. Es ist ein relativ klarer Ablauf, der sich ohne Zwischenfall immer gleich abspielt.
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In ihrem ersten Jahr sei Anja mit den Tieren sattelfest geworden, sagt Jürg Hodel. «Nun muss ich lernen, mit den Traktoren und Maschinen noch sicherer zu werden», sagt Anja Hodel.
«Alles auf einmal erlernen zu können, das geht nicht», zieht sie Bilanz. Eine Lehre dauere schliesslich auch mehrere Jahre. «Ich will das Fuder nicht überladen», so die Bäuerin. Wenn sie sich überfordere, bringe das niemandem etwas.
Sie bezeichnet sich als Sicherheitsmensch: «Vor der Übernahme haben wir mit einem Berater von Grangeneuve ein Budget erstellt.» Es sei ihr wichtig gewesen, durchzuspielen, ob der Betrieb ohne die Erträge aus dem Zuckerrüben- und Kartoffelanbau tragfähig sei. «Schliesslich trage ich die Verantwortung für die Angestellten und die Tiere», sagt sie.
Anja Hodel will auch in Zukunft auf Milchwirtschaft setzen
Auch in Zukunft will Anja Hodel auf Milchwirtschaft und Mastkälber setzen. Die Milch geht an Cremo, die Mastkälber an die Anicom in Zusammenarbeit mit der UFA. «Der Betrieb läuft gut», sagt sie. Das freue sie, dennoch sieht sie einige Wolken am Horizont: «Die Kosten für Futter, Diesel und Strom und Weiteres steigen tendenziell, der Milchpreis beziehungsweise die Lieferrechte sinken in der Tendenz, es ist unklar, wie heftig die US-Zölle uns betreffen werden.»
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Das seien Abhängigkeiten, die sie nicht beeinflussen könne. «Ich hoffe, dass Milch in der Schweiz Wertschätzung erhält und fair entlöhnt wird», sagt sie. Denn eine Umstellung, zum Beispiel auf Mutterkühe, kann sie sich nicht vorstellen. Dennoch bleibt sie zuversichtlich, will den Vater je länger, desto stärker entlasten und unabhängiger werden. Ihr Partner Alain Burkhard (40) unterstütze jetzt schon bei Arbeitsspitzen und stehe voll hinter ihr und dem Entscheid, den Hof zu übernehmen.
Wenn sie auf die Übernahme zurückblickt, ist sie trotz des Muskelkaters nach den ersten Monaten immer noch froh, den Schritt gewagt zu haben: «Lieber die Herausforderung annehmen, als später hadern und bereuen, es nicht versucht zu haben», sagt sie.
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Betriebsspiegel Anja Hodel
Anja Hodel, Bösingen FR
LN: 34 ha, davon 3 ha Wald ha
Bewirtschaftung: IP-Suisse
Kulturen: Gerste, Mais, Futterbau
Tierbestand: 56 Milchkühe, 45 Mastkälber, 12 Kälber (Aufzuchtrinder extern)
Arbeitskräfte: Jürg Hodel (100 %), Angestellter (100 %), Anja Hodel (60 %)