Kurz & bündig

- Neue Bodentemperatur-Messungen zeigen, dass sich bearbeiteter, unbedeckter Boden im Sommer äusserst stark erhitzt. Teilweise auf mehr als 50 Grad bis sogar 60 Grad an der Oberfläche.
- Durch die übermässige Hitze sterben wertvolle Bodenlebewesen wie Pilze und Bakterien ab.
- Das führt zur Zerstörung den Bodenstruktur, wodurch der Boden nicht mehr fähig ist, grosse Wassermengen aufzu-nehmen und zu speichern.

Was denken Sie, wo ist die Oberflächentemperatur an einem sonnigen Sommertag mit 32 Grad Lufttemperatur heisser? Auf Asphalt oder auf frisch bearbeitetem Boden?» Diese Frage stellte Hanspeter Liniger, Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Geographischen Institut der Uni Bern.

Er führt in verschiedensten Ländern der Welt Temperaturmessungen bei verschieden bearbeiteten oder bepflanzten Böden durch. Dazu verwendet er einerseits ein simples Infrarot-Temperaturmessgerät, Temperaturmesssonden und eine Temperaturmessdrohne. Die erstaunlichen Resultate seiner Bodentemperaturmessungen stellte er erstmals öffentlich bei seinem Vortrag an der Landag-Flurbegehung im bernischen Schüpfen vor. Die Temperaturmessungen hat er zusammen mit Jovana Askrabic, einer Studentin aus Italien erhoben, mit Unterstützung von Nestlé und der Schweizerischen Bodenkundlichen Gesellschaft.

Gemessen mit dem Infrarot-Messgerät war bei direkter Sonneneinstrahlung der frisch gepflügte Boden mit 59 Grad Oberflächentemperatur erstaunlicherweise deutlich heisser als der Asphalt mit 50 Grad. Der Boden wird heisser, weil er mehr Luft enthält, welche die Wärme nicht so schnell weiterleitet. Somit wird die Bodenoberfläche heisser als beim Asphalt, der die Wärme schneller ableitet. Dafür kühlt der Boden bei Beschattung aber schneller wieder ab.

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Nackter Boden am heissesten, Waldboden am kühlsten

Bei den Messungen mit der Bodensonde konnte Liniger deutliche Temperaturunterschiede bei unterschiedlicher Bodenbedeckung nachweisen (siehe Tabelle «Temperaturverlauf Bodenoberfläche»). Die Messungen wurden alle an denselben Tagen bei gleicher Tageszeit durchgeführt. Die maximale Lufttemperatur betrug um 37 Grad.

Der gepflügte Boden erhitzte sich mit 55 Grad Höchsttemperatur im obersten Centimeter am stärksten. Im Vergleich dazu war es im Wald aufgrund stetiger Bodenbedeckung und Beschattung mit 21 Grad Höchsttemperatur am kühlsten.

Am zweitkühlsten war Gründüngung 2, ein Sommerfuttererbsen-Guizotia-Gemisch, das nach Gerste direkt ins gehäckselte Stroh eingesät wurde. Zum Zeitpunkt der Messung stand die Gründüngung bereits sechs Wochen und bedeckte den Boden lückenlos. Zudem konnte sich in der Nacht dank den wachsenden Pflanzen Tau sammeln, weshalb die Bodentemperatur bei der Gründüngung 2 im Tagesverlauf schneller abkühlte.

Im Vergleich dazu wiesen die jung entwickelte Gründüngung 1 und eine Dauerwiese mit tagsüber durchschnittlicher Höchsttemperatur von 43 Grad deutlich höhere Temperaturen auf. Grund dafür ist, dass die Dauerwiese frisch gemäht wurde und durch die hohen Temperaturen teilweise vertrocknete. Die Gründüngung 1 hingegen wies zum Zeitpunkt der Messung noch keinen Reihenschluss auf, weil sie erst rund zwei Wochen vor der Messung gesät wurde. Aber dazwischen war der Boden gut mit Mulchresten von der Vorkultur bedeckt. Somit waren sowohl die Gründüngung 1 als auch die Dauerwiese eher lückig begrünt.

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Hitze tötet Bodenlebewesen und zerstört Bodenstruktur

Was haben diese Temperaturen nun zu bedeuten? «Die maximale Bodentemperatur, bei denen Bodenlebewesen in unseren Breitengraden noch gesund bleiben, beträgt etwa 30 Grad», erklärt Liniger. Das heisst, wenn sich der Boden im Hochsommer über mehrere Tage über 50 oder sogar 60 Grad erhitzt, dann sterben die wertvollen Bodenlebewesen wie Bakterien und Pilze in der obersten Bodenschicht ab. Regenwürmer können sich in tiefere Bodenschichten verkriechen, aber Mikroorganismen können das nicht.

AboUm die Gesundheit der Bodenstruktur testen zu können, braucht man lediglich eine Schale mit Hahnenwasser und ein paar Erdklumpen von der Bodenoberfläche. Dann heisst es, abwarten und beobachten.BodengesundheitMit Erdklumpen und Wasser die Gesundheit der Bodenstruktur testenSamstag, 28. Oktober 2023

Der Tod der Bodenlebewesen hat nicht nur einen negativen Einfluss auf die Bodenfruchtbarkeit, sondern auch auf die Bodenstruktur. Denn Bakterien und Pilze sind zusammen mit Regenwürmern aktiv an einer funktionierenden Bodenkrümelung beteiligt. Das funktioniert aber nur in einer Umgebung reich an organischer Substanz und einem aktiven Wurzelwerk unter optimalen Temperaturbedingungen.

Übersteigen die Bodentemperaturen diese Bedingungen zu stark, dann sterben die Mikroorganismen ab und die Bodenkrümelung zerfällt (siehe Artikel «Bodengesundheit testen»).

Heisse Böden führen zu Erosion und Überschwemmung

«Matchentscheidend für einen ausgeglichenen Wasserhaushalt im Boden sind die ersten paar Zentimeter im Boden», erklärt Liniger. «Wenn sich der Boden aufgrund mangelnder Bodenbedeckung zu stark erhitzt und dadurch die Krümelstruktur zerstört ist, dann kann er auch kein Wasser aufnehmen.» Das heisst, bei einem anschliessenden Starkregenereignis zerfallen die Bodenaggregate, die Poren werden verstopft, das Regenwasser kann nicht infiltrieren und fliesst oberflächlich ab. Die Erde wird matschig und durch Erosion abgetragen. «Somit können auch unsere Grundwasserreserven nicht mehr aufgefüllt werden. Wenn das Wasser oberflächlich abfliesst, versickert zu wenig im Boden und ins Grundwasser», erklärt Hanspeter Liniger.

«Jeder Quadratzentimeter Boden, der nackt ist, wird gefährlich heiss."

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Alle reden nur vom Klimawandel, entscheidend ist aber Landnutzung

«Ich habe in vielen Ländern der Welt Untersuchungen zu nachhaltiger Landnutzung gemacht. Dabei habe ich keinen einzigen Boden gefunden, der nicht degradiert, wenn er nackt ist», erzählt Liniger. Ein nackter Boden führe viel schneller zu Erosion oder Überschwemmungen. Im Vergleich zu komplett unbedecktem Boden bleibt ein Stoppelfeld oder ein mit Ernteresten bedeckter Boden deutlich kühler. Der Boden wird durch die Erntereste quasi beschattet. «Jeder Quadratzentimeter Boden, der nackt ist, wird gefährlich heiss», so Liniger.

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«Alle reden immer nur vom Klimawandel, aber noch viel entscheidender ist die Art und Weise der Landnutzung», mahnt Liniger. Mit seinen Messungen konnte er zeigen, dass bereits Erntereste sowie eine sofortige Neubegrünung der Parzellen mittels Gründüngung die Bodentemperaturen auf unter 30 Grad senken können. Bei Starkniederschlägen entscheidet die Bodenbeschaffenheit, ob der Regen lokal aufgenommen werden kann oder ob es zu Überschwemmungen und zu Schäden in Gebieten unterhalb führt.

Eine Absenkung der Oberflächentemperaturen aufgrund permanenter Begrünung habe seiner Meinung nach auch einen positiven Effekt auf den Klimawandel. Durch die Bodenbedeckung wird weniger Wärme abgestrahlt und somit die Luft insgesamt weniger erwärmt. «Wir sind uns viel zu wenig bewusst, was wir verursachen, wenn wir unser Land unbedeckt lassen und unser Landklima damit zu einem Stadtklima umwandeln», erklärt Liniger.

In der Stadt sind die Lufttemperaturen aufgrund der flächigen Versiegelung mit Beton deutlich höher und kühlen kaum ab. Der Asphalt nimmt die Sonneneinstrahlung auf und strahlt sie als Wärme wieder ab. Denselben Effekt könne man auf dem Acker bei unbedecktem Boden beobachten. Der Boden wird bei direktem Sonnenlicht sogar heisser und schafft ein noch unfreundlicheres Mikroklima als Asphalt in der Stadt.

«Mit unseren Messungen möchten wir zeigen, welchen Einfluss die Landnutzung auf die Trinkwasserversorgung und Naturkatastrophen wie Überschwemmungen hat», sagt Hanspeter Liniger. Hanspeter Lauper, Lohnunternehmer der Landag und Veranstalter der Flurbegehung, war beeindruckt. «Für mich war die Präsentation dieser Resultate ein Highlight.»

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Temperaturen beeindruckten Landwirte und Lohnunternehmer

«Ich weiss schon lange, dass stetige Bodenbedeckung der Schlüssel zu guter Bodengesundheit ist» betonte der Lohnunternehmer. «Deshalb betreibe ich auch seit 30 Jahren konsequent Direktsaat. Aber diese Resultate haben meine Erfahrung noch untermauert.» Er hätte erwartet, dass sich unbedeckter Boden stark erhitzen würde. Aber solch hohe Temperaturen, wie die Resultate zeigten, haben ihn überrascht.

Gemäss Lauper sind die Folgerungen zu diesen Resultaten, dass der Boden stets bedeckt sein sollte. Je dichter, desto besser und am besten mit einer wachsenden Pflanze. «Wasser hat nach Helium und Wasserstoff die höchste spezifische Wärmekapazität aller Stoffe. Und eine wachsende Pflanze verfügt immer über etwas Wasser, welches die Wärmeenergie aufnimmt. Somit wird der Boden zusätzlich gekühlt», erklärte Lauper.

An der Flurbegehung hatte auch Andreas Minder, Landwirt und Lohnunternehmer der Minder AG aus Scheuren teilgenommen. Er führt einen Ackerbaubetrieb, wobei er auf herkömmliche Bodenbearbeitung setzt. «Wir setzen oft Schweinemist ein, den wir zur Verminderung von Geruchsemissionen einpflügen.»

Doch auch er war von den Resultaten stark beeindruckt. «Ich hätte nie gedacht, dass auf dem Acker so heisse Temperaturen herrschen – heisser als Asphalt. Das gibt mir ernsthaft zu denken und zeigt mir, dass der Boden nicht nackt sein sollte», erklärte Minder erstaunt.

Andreas Minder betonte zudem, dass man dem Klimawandel auf jedem Betrieb, unabhängig des Anbausystems mehr Bedeutung schenken sollte. Vor allem mit mehr Bodenbedeckung im Sommer.

«Diese Resultate geben mir Denkanstösse, was ich auf meinem Betrieb ändern könnte. Ich werde nicht gerade auf No-Till umstellen, aber möchte nach Lösungen suchen. Wenn nächsten Sommer wieder 30 Grad herrschen und man einen nackten Boden sieht, dann kommt einem wieder der Hanspeter Liniger in den Sinn», erklärte Andreas Minder abschliessend.