Sind Würmer eine grosse Bedrohung für Pferde?

Guido Wehrle: Die parasitäre Bedrohung bei Pferden wurde in den letzten Jahren deutlich überschätzt. Die meisten Tiere ab drei Jahren haben ein gut entwickeltes Immunsystem und können so einer schadhaften Besiedelung vorbeugen.

Jungtiere sind gefährdeter, weil ihr Immunsystem noch wenig ausgeprägt ist und deshalb eine stärkere parasitäre Belastung wahrscheinlich ist.

Aber ein Pferd muss nicht parasitenfrei sein, sondern die Belastung muss einfach im geringgradigen Bereich sein. Damit hat man ein Gleichgewicht zwischen Larven-Aufnahme und Immunsystem und die Entwicklung der Parasiten im Wirts-Tier wird durch das Immunsystem verhindert oder ist zumindest limitiert.

Was passiert bei einem Parasitenbefall?

Wenn das Gleichgewicht nicht funktioniert und die parasitäre Besiedlung überhand nimmt, dann kann das beim Pferd zu stumpfem Fell, Ab-magerung, schlechtem Fressverhalten, mangelnder Kondition, abwechselnd auftretendem Durchfall und zu Koliken führen. Kotwasser hingegen gehört nicht zu einer parasitären Erkrankung.

Die parasitäre Erkrankung ist aber in der Praxis weniger eine Einzelerkrankung. Meist spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Zum Beispiel kann ein Infekt das Immunsystem schwächen und die Parasiten können überhand nehmen. Zum schwächenden Faktor des Infektes kommen dann noch die Parasiten hinzu.

Welche Parasiten kann man in einer Kot-Probe zufriedenstellend nachweisen?

Im Standard-Verfahren können die Strongyliden, Band- und Spulwürmer nachgewiesen werden. Alle andern Pferdeparasiten können mit andern Verfahren ebenfalls nachgewiesen werden.

Diese Verfahren werden aber nur angewendet, wenn der Stall- oder Tierbesitzer dies verlangt. Es braucht also ein minimales Wissen über mögliche zusätzliche parasitäre Belastungen in einer Pferdegruppe.

In unserem Infoblatt haben wir dies erklärt, um den Pferdebesitzern eine Hilfestellung zu geben. Kurz zusammengefasst:

  • Gemeinsame Beweidung mit Eseln oder Maultieren kann den Lungenwurm auf die Pferde übertragen.
  • Bei Beweidung mit Wiederkäuern und Pferden auf der gleichen Weide könnte der Kleine Leberegel und bei Gewässern in den Weiden der Grosse Leberegel übertragen werden.
  • Bei Kratzen an der Schweifrübe könnten Oxyuren die Ursache sein.
  • Bei Spul- und Bandwürmern kann die Besiedelung des Pferdes sehr tief sein. Dann kann diese mit dem Standard-Verfahren nicht erkannt werden, wenn die Ei-Ausscheidung unter der Nachweisgrenze liegt. Gerade bei Spulwürmern ist dies aber kein Ansteckungs-Potenzial.

Sind die Verfahren stets zuverlässig?

Spulwürmer werden ab und zu lebend ausgeschieden. Wenn die Probe negativ war und plötzlich ein Wurm im Kot ist, verstehen das die Leute nicht. Negativ bedeutet nicht, dass keine Parasiten im Pferd sind, sondern dass die Ei-Ausscheidung unter der Nachweisgrenze liegt. Deshalb haben wir auch das Standard-Verfahren zu einem siebenfach empfindlicheren Verfahren weiterentwickelt.

Ergänzend möchte ich noch erwähnen, dass die Strongyliden in kleine und grosse Arten unterschieden werden. Im Labor kann mit der Standard-Methode diese Unterscheidung nicht gemacht werden. Da die Grossen Strongyliden-Larven Körperwanderungen machen, haben sie ein grösseres Ansteckungspotenzial.

Deshalb wird empfohlen, alle ein bis zwei Jahre in einem Bestand eine Larven-Anzucht zu machen, damit allenfalls vorkommende Grosse Strongyliden erkannt werden können. Wir haben aber bei 3000 untersuchten Pferden erst in einem einzigen Bestand Grosse Strongyliden nachweisen können.

Bei Import-Pferden kann aber die Möglichkeit einer Belastung mit den Grossen Strongyliden höher sein, da diese in anderen Ländern weiter verbreitet sind. Durch eine chemische Entwurmung können nicht alle Larven und Würmer abgetötet werden. Deshalb könnten so die grossen Arten in einen Bestand eingeschleppt werden, auch wenn kurz vorher noch chemisch entwurmt wurde.

Eignet sich die selektive Entwurmung für alle Pferde?

Ja, prinzipiell eignet sich die Methode für alle Pferde, auch für Fohlen und Jungpferde. Bei diesen Tieren ist der Untersuchungs-Rhythmus enger, weil eine mögliche parasitäre Belastung schneller erfolgen kann.

Statistisch gesehen scheiden Pferde im zweiten Weidejahr am meisten Parasiten-Eier aus. Deshalb ist der Larvendruck auf den Weiden bei einer reinen Jungpferde-Gruppe höher als bei einer gemischten Gruppe, da ältere Tiere weniger Eier ausscheiden.

Da bei einer grösseren Jungpferde-Gruppe eine Einzel-Beprobung schwierig bis unmöglich ist, bleiben die meisten Fohlen-Weidebesitzer bei der alten Methode des chemischen Entwurmens.

Ein Kompromiss wäre die Beprobung über Sammel-Proben. Damit könnte die Ei-Ausscheidung der Gruppe kontrolliert werden. Vor allem möglichen Resistenzen in der Gruppe könnten erkannt werden. Man sollte sicher sein, dass die chemischen Entwurmungsmittel auch greifen, sonst ist die Gesundheit der Tiere gefährdet. Heute genügt es nicht mehr, ein chemisches Entwurmungsmittel zu verabreichen, und alles ist in Ordnung.

Aber nochmals: Die Methode des selektiven Entwurmens eignet sich gut auch für Jungtiere, sofern eine Einzel-Beprobung möglich ist.

In einem Stall möchte nur ein Teil der Pferdebesitzer ihre Pferde selektiv entwurmen. Die Weiden sind die gleichen. Geht das?

Ja, das ist überhaupt kein Problem. Natürlich wäre es sinnvoll, alle Pferde zuerst zu kontrollieren und erst bei Bedarf zu entwurmen. Aber verschiedenen Entwurmungs-Strategien auf dem gleichen Betrieb steht nichts entgegen.

Wobei eine gewisse Gefahr besteht, dass resistente Parasiten-Stämme der während Jahren häufig entwurmten Pferden auf die chemisch wenig entwurmten Pferde übergehen. Plötzlich sind dann Pferde, die mit Entwurmungsmitteln wenig behandelt wurden resistent, wenn dann doch einmal eine chemische Entwurmung notwendig wird.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

 

Zur Person

Guido Wehrle ist dipl. Chemiker FH und Pferdewirt. Seit 1997 betreibt er ein parasitologisches Labor für Nutz- und Heimtiere.

Wehrle machte zahlreiche Feldstudien auf dem Gebiet der Parasitologie der Pferde und ist ein gefragter Referent für Vorlesungen. Guido Wehrle ist wohnhaft in Neuendorf SO.

www.tierhompara.ch