Kurz & bündig
- Wer die Pferdeäpfel von der Weide absammelt, dessen Pferde haben tendenziell einen geringeren Verwurmungs-Grad.
- Nur 10 bis 20 Prozent der Pferde sprechen auf ein gutes Weide-Management an.
- Es gibt Pferde, die muss man nie entwurmen. Und es gibt Pferde, die stecken sich immer an und müssen immer entwurmt werden.
- Anderhubs lassen die Pferdeäpfel auf der Weide liegen, striegeln diese aber bei sonnigem Wetter.
- Parasitenlarven sind auf Feuchtigkeit angewiesen und sterben damit zum grossen Teil ab.
Mit der Schubkarre stundenlang Pferdeäpfel von der Weide absammeln ist eine mühsame und zeitraubende Arbeit. Und doch wird es in vielen Ställen gemacht. Dies, um den Parasitendruck auf der Weide gering zu halten. Doch nützt die ganze Arbeit wirklich etwas?
«Wer die Pferdeäpfel von der Weide absammelt, dessen Pferde haben tendenziell einen geringeren Verwurmungsgrad», beobachtete Guido Wehrle in seiner jahrelangen Tätigkeit.
Wehrle ist seit 20 Jahren Parasitologe. Mit seinem mobilen Labor besucht er Betriebe mit Pferden, analysiert sämtliche Kot-Proben, wertet diese aus und bespricht sie mit den Betriebsleitern. So auch mit Familie Anderhub vom Hof Herrendingen in Eschenbach LU.
Die junge Betriebsleiter-Familie hat den Betrieb per Anfang 2018 von Josef Anderhubs Eltern übernommen. Seit der Übernahme hat die Familie kontinuierlich ihre Pferdehaltung ausgebaut, welche heute 24 Pferde in zwei Offenstallgruppen umfasst.
«Für mich war von Anfang an klar, dass wir sämtliche Pferde selektiv entwurmen werden», sagt Sarah Anderhub. Sie habe schon bei ihren eigenen Pferden sehr gute Erfahrungen gemacht. Sie kann sich nicht mehr vorstellen, wie früher die Entwurmungs-Pasten drei bis vier Mal pro Jahr ohne einen Befund einzusetzen.
Im Offenstall der Anderhubs findet man kaum Pferdeäpfel. Diese sammeln sie ein- bis zweimal pro Tag mit einer Wischmaschine ein.
Anders sieht es auf den Weiden aus: «Der Aufwand ist für uns einfach zu gross für das, was es nützt», erklärt Sarah Anderhub.
Sie vertraut seit der Betriebsübernahme auf die Auswertungen und Einschätzungen von Parasitologe Wehrle. Er hat die Erfahrung gemacht, dass ein gutes Weide-Management nur bei 10 bis 20 Prozent der Pferde wirklich etwas nützt.
«Es gibt Pferde, die muss man nie entwurmen»
Guido Wehrle machte die Beobachtung, dass man Pferde und ihre Reaktion auf Wurmlarven, in drei Gruppen einteilen kann: «Manche Pferde muss man nie entwurmen. Sie haben einen ausgesprochen guten Abwehrmechanismus.» Diese Gruppe sei die grösste.
«Die zweite Gruppe sind die Pferde, die sich immer anstecken und die man immer wieder entwurmen muss», sagt Wehrle.
«Nur die letzte Gruppe sind Pferde, die auf ein gutes Weide-Management ansprechen», erklärt Wehrle. Diese Pferde hätten bei «sauberen» Weiden einen tieferen bis deutlich tieferen Verwurmungs-Grad. Diese letzte Gruppe mache etwa 10 bis 20 Prozent der Pferde aus.
Ein gutes Weide-Management ist aufwändig
Doch wie sieht ein gutes Weide-Management überhaupt aus? Pferdeäpfel absammeln ist nur ein Teil der Arbeit, wenn man den Parasitendruck auf der Weide minimieren möchte.
Weitere Massnahmen erklärt Guido Wehrle: «Im Frühling einen Heuschnitt machen, die Weide im Wechsel mit Wiederkäuern bestossen, Weidepausen einlegen, nicht zu viele Pferde pro Fläche Weiden lassen und ab August die Weide schliessen.» Das Ergebnis sei im Frühling eine parasitenfreie Weide.
«Es ist eine Tatsache, dass wegen den Parasiten kaum ein Landwirt einen so grossen Aufwand betreibt, und sein ganzes Weide-Management danach ausrichtet», erklärt Wehrle.
Bei Anderhubs dienen die Weiden in erster Linie als Auslauffläche und nicht als Futtergrundlage für die Pferde. «Für eine sinnvolle Weide, die auch als Futterfläche dienen soll, reichen die angrenzenden 3,5 ha Weiden für die 24 Pferde einfach nicht», sagt Josef Anderhub.
Die Weiden striegelt Anderhub bei sonnigem, heissem Wetter. Damit werden die Pferdeäpfel verteilt und ausgetrocknet. Die Parasitenlarven sind zur Entwicklung auf Feuchtigkeit angewiesen und sterben damit zum grossen Teil ab. Um den Rotte-Prozess anzukurbeln, geben Anderhubs einen Rotte-Förderer von Plocher dazu.
So funktioniert selektives Entwurmen
Die Pferde lassen Anderhubs dreimal pro Jahr auf Wurmeier kontrollieren. Zu Beginn der Weidesaison im April, im August und zum Ende der Weidesaison im November noch einmal. «Meistens kommt Guido Wehrle an einem Montag», sagt Anderhub. Dann sammeln die Besitzer der Pferde die Kot-Probe am Wochenende selber ein. Gut angeschrieben und gekühlt untersucht sie Wehrle unter dem Mikroskop.
«Überschreitet ein Pferd den Wert von 150 EPG (Eier pro Gramm Kot) bei den Strongyliden oder sind andere Parasiten positiv nachgewiesen, diskutiere ich im Anschluss mit den Betriebsleitern, ob dieses Pferd entwurmt werden soll», erklärt Wehrle. Es gebe aber Pferde, die seien konstant auf 300 EPG.
«So einem Pferd geht es deswegen nicht schlecht», weiss Wehrle, «aber es streut natürlich.» Dass aber auch mehrere Pferde mit 100 EPG streuen, liegt auf der Hand. «Durch den Verlauf über eine grössere Zeitspanne sieht man sehr gut, ob Handlungsbedarf besteht oder nicht.»
Das gleiche gilt für die Kot-Probe selbst: «Wenn ein Pferd immer unter dem Schwellenwert liegt, handelt es sich wahrscheinlich um ein Pferd mit einem sehr guten Abwehrmechanismus», sagt Wehrle. Bei einem solchen Pferd wäre es ausreichend, wenn man dessen Kot ein- bis zweimal pro Jahr analysiert.
Anders sehe es zum Beispiel bei Jungpferden aus. Dort kann es sein, dass man die Untersuchungs-Häufigkeit erhöhen muss. Wichtig ist auch die Wirkstoffkontrolle nach dem Entwurmen. Da es immer häufiger Resistenzen bei den chemischen Entwurmungsmitteln gibt, drängt sich die Nachkontrolle nach dem Entwurmen auf.
Resistenzen gegen Wirkstoffe in den Entwurmungspasten
Im 2011 gaben die Vetsuisse Fakultäten die Richtlinien zum selektiven Entwurmen heraus. Vorher wurde standardmässig drei- bis viermal pro Jahr entwurmt. Ob das Pferd verwurmt war oder nicht, spielte keine Rolle. «In manchen Ställen wird das leider immer noch so gehandhabt», weiss Wehrle. Es handle sich eher um sogenannte Sportställe.
Dass sich die Pferdebesitzer mit dem Entwurmen auseinandersetzen, sei wichtig wegen der Resistenzen, die Wurmlaven entwickeln können. «Bei den chemischen Entwurmungs-Mitteln für Endoparasiten gibt es heute – von Ausnahmen für Spezial-Anwendungen abgesehen – nur drei Wirk-stoff-Gruppen plus einen Wirkstoff ausschliesslich gegen Bandwürmer», sagt Wehrle.
«Es werden immer die gleichen Wirkstoffe eingesetzt, so dass es mittlerweile gegen zwei Wirkstoffe massive Resistenzen gibt», sagt Wehrle. Dass in den nächsten Jahren eine neue Wirkstoffgruppe auf den Markt komme, sei unwahrscheinlich.
Die Resistenzproblematik ist für Wehrle nur ein Aspekt. Der andere ist, dass die Wirkstoffe der Pasten über das Pferd in die Umwelt gelangen.
Anderhubs separieren entwurmte Pferde für zwei Wochen
Dieser Aspekt ist auch Anderhubs ein Anliegen. Wenn sie ein Pferd aufgrund einer zu hohen Wurmbelastung entwurmen müssen, halten sie es während zwei Wochen von den anderen Pferden getrennt in einer Boxe. «Die Pferdeäpfel von entwurmten Pferden lagern wir separat und lassen sie viel länger verrotten», sagt Sarah Anderhub.
Guido Wehrle kann sich vorstellen, dass in Zukunft wieder vermehrt auf pflanzliche Produkte zurückgegriffen wird. Es gebe einige Pflanzen, die antiparasitär auf Wurmlarven wirken. «Das Problem ist, dass man in der Schweiz solche Futterzusätze nicht einfach als «wirkt gegen Würmer» anschreiben darf», so Wehrle. Es müsse als Medikament geprüft werden, was hohe Kosten zur Folge habe.
Das selektive Entwurmen von Pferden ist etwas günstiger
Die Kot-Proben und das anschliessende selektive Entwurmen sind für Anderhubs etwas günstiger, als wenn sie den ganzen Pferdebestand drei bis vier Mal pro Jahr entwurmen würden. Das Analysieren einer Kot-Probe kostet bei Wehrle zwischen 20 und 35 Franken, je nachdem, ob es sich um eine Einzel-Probe oder um einen ganzen Bestand handelt. Nicht nur für die Familie Anderhub ist das selektive Entwurmen der richtige Weg, um die Parasiten im Griff zu halten. Auch die Pferdebe-sitzer aus ihrem Stall stehen voll dahinter. «Wir könnten auch sämtliche Proben einschicken und analysieren lassen», sagt Sarah Anderhub. Aber dann käme das Porto hinzu.
Viel wichtiger sei der Austausch mit Wehrle: «Wir profitieren sehr von seinem Fachwissen».
Betriebsspiegel Hof «Herrendingen»
Sarah und Josef Anderhub mit Oskar und Janka, Eschenbach LU
Bewirtschaftung: Umstellungsbetrieb im 2. Jahr
LN: 15 ha
Betriebszweige: Pferdepension, Ackerbau, Direkt-vermarktung, Eventhalle, Obstbau, Waldbau, Zucht Grosse Schweizer Sennenhunde
Kulturen: Urdinkel, Kunstwiesen, Naturwiesen und extensive Flächen
Tierbestand: 20 Galloway-Kühe und Jungtiere, 19 Damhirsche, 24 Pferde
Arbeitskräfte: Sarah und Josef Anderhub, eine Angestellte
Kurs zum Umgang mit Pferde-Parasiten
«Parasiten-Management beim Pferd»: Wo der Wurm drin steckt … und wie man ihn wieder los wird!
Ein Referat über das selektive Entwurmen, die wichtigsten Parasiten und das Management im Stall und auf der Weide
Samstag, 25. Januar 2020 von 13.30 bis 16 Uhr,Kosten 35.– inkl. Unterlagen
Ort: Sissach, Ebenrain, Zentrum für Landwirtsschaft, Natur und Ernährung
Informationen und Anmeldung unter 061 552 21 21 oder www.ebenrain.ch