Wer sollte die Umstellung auf Mutterschaf-Haltung prüfen?
Christian Gazzarin: Sicher Betriebe, die mit dem Gedanken spielen, die Milchproduktion aufzugeben. Hier könnte die Mutterschaf-Haltung die bessere Alternative sein als die Mutterkuh-Haltung. Das kann in allen Regionen sein.
Insbesondere in der Talregion könnten sich vermehrt Produktions-Systeme entwickeln, die gezielter auf die Sommerzeit Lammfleisch produzieren. Die Tiere würden dann nicht gealpt, stattdessen können sie – Klimawandel sei dank – viel länger auf der Weide gehalten werden, sofern auch betriebsfremde Flächen über den Winter abgeweidet werden können.
In der Studie kommen Sie zum Schluss, dass die Schafhaltung mindestens so wirtschaftlich wie die Mutter-kuh-Haltung sein kann. Wie das?
Diese Aussage ist nur richtig, wenn man mit geeignetem Management das Optimierungs-Potenzial auch ausschöpft. Ich habe von professionellen Schafhaltungs-Betrieben tolle Buchhaltungsergebnisse gesehen, die mit einem Mutterkuh-Haltungsbetrieb kaum erreicht werden können.
Allerdings kann man auch vieles falsch machen und entsprechend schlecht verdienen. Ein Vergleich von Betriebsgruppen zeigte im Durchschnitt ähnliche Ergebnisse für Rind wie für Schaf, doch gab es weit grössere Schwankungen in der Mutterschafhaltung.
Wie wichtig ist eine Herdengrösse von 140 Auen im Berggebiet und 200 Auen im Hügel- und Talgebiet? Soll man als Neueinsteiger mit so vielen Schafen starten?
Ja, mindestens. Im Berg kommt das Geld schwergewichtig über die Fläche, da ist die Herdengrösse weniger wichtig. Je geringer die Direktzahlungen ausfallen, desto wichtiger ist ein grosser Bestand, um die Fixkosten zu verteilen. Im Tal sollten es demnach deutlich mehr sein als 200 Mutterschafe. Es hängt natürlich auch da-von ab, welche Nebenerwerbsmöglichkeiten sonst noch vorhanden sind.
Wo sehen Sie eine Nachfrage nach Schweizer Lammfleisch?
Das Potenzial wäre vor allem in der Deutschschweiz noch riesig – auch im Detailhandel. Dieses kann allerdings nur unter zwei Bedingungen ausgeschöpft werden:
- Das Fleisch wird einheitlicher produziert mit klarem Fokus auf Gras-/Heufütterung, so dass die Geschmacksqualität stimmt und die latenten Vorurteile verschwinden.
- Die Branche unternimmt weitere Anstrengungen, um jenseits vom Nierstück auch noch andere Fleischstücke beliebt zu machen.
Allerdings dürften die Grossverteiler kein grosses Interesse haben, das einheimische Lammfleisch zu fördern, da die Marge im Vergleich zum Importfleisch deutlich niedriger ist und es zudem schwierig ist, die Fleischstücke jenseits des Nierstücks unter die Leute zu bringen.
Direktvermarktung ist sicher der Königsweg, doch nicht für jeden Betrieb so einfach zu realisieren, vor allem bei grösseren Beständen.
Zur Person
Christian Gazzarin ist Dipl. Ing. Agronom ETH und arbeitet am landwirtschaftlichen Forschungsinstitut Agroscope in Tänikon. Dort beschäftigt er sich primär mit wirtschaftlichen Fragestellungen rund um die Haltung von Wiederkäuern. Daneben züchtet er Schafe und pflegt eine kleine Imkerei. Gazzarin lebt mit seiner Frau und drei Söhnen in St.Gallen.