Vor über 100 Jahren sprach man im Schweizerdeutsch nicht von Konfitüre, kurz Konfi oder Gomfi. Unsere Ur-Ur-Grosseltern strichen «Hunng» oder «Hung» auf ihr Brot, wenn sie Bündner waren. Und mit ihnen auch die St. Galler, die Appenzeller und (jetzt müsst ihr stark sein, Bündner) die Zürcher.

Wer Bienenhonig wollte, stellte das Dialektwort für die Biene davor: Byli-, Beieli-, Imbeli- oder «Immi-Hunng».

Konfitüre hiess einst «Saft», «Sirup», «Iigchochets» ...

In der Stadt Chur, im Sarganserland und im Kanton Glarus schmierten die Vorfahren «Saft» aufs Brot. In Schwyz und Zug sowie im aargauischen Freiamt «Sirup». Beide Begriffe weisen auf den Fruchtsaft hin, der durch Kochen eingedickt wurde.

Ganz anders hiess der Brotaufstrich im Baselbiet und Nordaargau sowie in Schaffhausen, im Weinland und Thurgau: «Iigmachets» oder «Iigchochets», weil die Früchte im eigenen Fruchtzucker eingekocht wurden, bis das Wasser fast verdunstet war.

Früher wurde die Konfitüre mit Schnaps oder Paraffin vor Schimmel geschützt

Eine Schicht Schnaps oder Paraffin auf der Konfitüre schützte vor Schimmel. Heute werden die Früchte mit viel Kristallzucker konserviert. Da schimmelt nichts mehr – dafür schmeckt es so süss wie ein Sack Zucker und nicht nach Früchten.

... oder «Moscht», «Mues», «Gschlaargg», «Saasse», «Gsäälz» und «Latwääri»

In der Stadt Basel kannte man das «Moscht» – mit sächlichem Geschlecht, die Basler verstanden darunter «gesottene Äpfel und Birnen».

Im westlichen Berner Oberland strichen die Bauernfamilien «Mues» auf ihr Brot, im östlichen Berner Oberland «Gschlaargg», eine breiige, klebrige Masse. Die Berner waren sich überhaupt nicht einig – im westlichen Bernbiet ass man nämlich die «Saasse», die von der französischen Sauce abgeleitet wurde.

Völlig aus der Reihe tanzte Schaffhausen, dessen «Gsäälz» sprachlich vom «Eingesalzenen» (oder Eingemachten) abstammt, was bei süsser Konfitüre doch eigenartig anmutet.

Die «Latwääri» aus dem Thurgau, dem westlichen Kanton St. Gallen und dem Appenzell macht da mehr Sinn. «Latwääri» stammt wie die deutsche Latwerge vom lateinischen «lectarium» (Heilsaft) und «electuarium» (Leckmittel), war also im besseren Fall eingekochtes Früchtemus von dick-zähflüssiger Konsistenz – im schlechteren Fall ein bittersüsser Medizin-Sirup.

All diese vielfältigen Begriffe wurden durch die «Konfitüre» ersetzt. Der Grund steht auf unserem Küchentisch: industriell hergestellte Konfitüre vom Grossverteiler. Sie verdrängte das selbst gemachte «Mues» und alle schönen, alten Begriffe dafür.

Konfiture, Marmelade oder Gelée?

Die alten Begriffe gehen vergessen. Dafür machen heute viele Schweizer ein «Chrüsimüsi» (Durcheinander) mit den Begriffen Konfiture, Marmelade und Gelée. Kurz zusammengefasst:

  • Konfitüre wird aus ganzen Früchten und mindestens 50 Prozent Zucker hergestellt. Sie enthält je nach Kochzeit mehr oder weniger gut erkennbare Fruchtstücke und allenfalls Beerenkerne. Der Begriff Konfitüre stammt vom lateinischen «conficere» (zusammenbringen oder anfertigen).
  • Marmelade wird in der Schweiz nicht produziert. Weder sprachlich, noch gesetzlich. Gemäss EU-Verordnung darf Marmelade nämlich nur aus Zitrusfrüchten wie Zitronen, Orangen oder Mandarinen hergestellt werden. Ironischerweise leitet sich der Begriff Marmelade nicht von einer Zitrusfrucht ab, sondern – von einem Kernobst: «marmelo» ist das portugiesische Wort für Quitte.
  • Gelée wird nicht aus den ganzen Früchten hergestellt, sondern aus Fruchtsaft. Logischerweise enthält er deshalb keine Fruchtstücke. Der Begriff Gelée kommt vom lateinischen «gelare» (gefrieren oder zum Erstarren bringen).

SchweizerDeutsch

In der deutschsprachigen Schweiz werden Hunderte von alemannischen Dialekten gesprochen. Von Tal zu Tal, oft sogar von Dorf zu Dorf unterscheiden sich die Dialekte.

Manchmal haben sogar Deutschschweizer untereinander Verständigungsprobleme, auch bei Begriffen aus der Landwirtschaft.

Für «die grüne» geht Urs Schweizer dem Schweizerdeutschen auf den Grund. Seine Rubrik heisst – nomen es omen – SchweizerDeutsch.