Am Nationalen Solidaritätstag der Glückskette spendeten die Schweizer über 80 Millionen Franken für die Opfer des Krieges in der Ukraine. Diese Spenden werden eingesetzt für die Unterstützung von Flüchtlingen in den ukrainischen Nachbarländern Polen, Moldawien, Rumänien, Slowakei und Ungarn.

AboZeichnung eines Traktors, der einen russischen Panzer abschleppt.Krieg in der UkraineMitten im Ukraine-Krieg kämpfen die Landwirte um ihr Vieh, um die Getreide-Ernte – und um ihr LebenDienstag, 8. März 2022 Mitten im blutigen Krieg, den Russland seit dem 24. Februar 2022 in der Ukraine führt, harren aber schätzungsweise 90'000 Bauernfamilien und deren Mitarbeiter auf ihren Landwirtschafts-Betrieben aus. Rund 25 Prozent der ukrainischen Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig. Diese Bauernfamilien können ihr Vieh, ihre Felder und ihre Landtechnik auch im Krieg nicht einfach dem Schicksal überlassen.

Welche Hilfe erhalten die ukrainischen Bauernfamilien aus der Schweiz? «die grüne» hat nachgefragt beim Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, bei der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA und der Abteilung Frieden und Menschenrechte des EDA sowie beim Schweizer Bauernverband SBV.

So helfen SECO, DEZA und andere Schweizer Regierungsorganisationen in der Ukraine

Die Ukraine ist ein Schwerpunktland der Schweiz in Osteuropa. Das SECO, die DEZA und die Abteilung Frieden und Menschenrechte des EDA setzen ein gemeinsames Schweizer Kooperationsprogramm in der Ukraine um.

Die Schwerpunkte des Schweizer Staatssekretariates für Wirtschaft SECO liegen dabei auf einer nachhaltigen Entwicklung von Städten, bei der Wettbewerbsfähigkeit von KMU, bei effektiver demokratischer Staatsführung und bei effizienter öffentlicher Verwaltung.

Aufgrund der aktuellen Lage sind derzeit alle Aktivitäten ausgesetzt. «Noch können wir nicht abschätzen, wie sich eine Nachkriegs-Lage in der Ukraine präsentieren wird. Entsprechend schwierig ist auch die Planung», erklärte Lorenz Jakob, SECO-Koordinator Aussenbeziehungen und Anlässe, dem Fachmagazin «die grüne». «Derzeit verschaffen wir uns den Überblick und schauen auch, wie wir innerhalb der bestehenden Projekte und Strukturen helfen können.»

[IMG 2] «Das SECO unterstützt aber seit Jahren auch kleine und mittlere Landwirtschaftsbetriebe in der Ukraine beim Zugang zu Finanzmitteln», betont Lorenz Jakob, «denn die ukrainischen Bauernfamilien erhalten wegen fehlenden Sicherheiten und einem Land-Moratorium praktisch keine Kredite».

Durch dieses 2020 beschlossene Land-Moratorium dürfen nur natürliche Personen Land kaufen, maximal 100 ha pro Person.

Dazu gilt ein Verbot des Verkaufs von staatlichem Land, das 10,4 Millionen Hektaren der insgesamt 41 Millionen Hektaren Landwirtschaftsfläche umfasst. Ab Juli 2023 dürfen auch juristische Personen jeweils bis zu 10'000 Hektaren Land kaufen. Ausländer können seit 2020 kein Land mehr kaufen.

Die Schweiz gibt ukrainischen Landwirten Kredite auf Basis ihrer künftigen Ernte

Seit 2015 unterstützt das SECO die Einführung von «Crop Receipts» in der Ukraine durch das Programm IFC Crop Receipts Ukraine. «Crop Receipts» (Ernte-Erträge) sind ein Versprechen vor der Ernte, das es Landwirten ermöglicht, durch Verpfändung künftiger Ernteerträge Kredite zu erhalten.

Dieser innovative Ansatz, der vom SECO finanziert und von der Internationalen Entwicklungsbank IFC umgesetzt wird, ermöglichte es kleinen und mittleren Landwirten in der Ukraine, ihren Landwirtschafts-Betrieb auszubauen. Seit 2015 ermöglichte das Projekt Finanzierungen in Höhe von 2 Mrd Dollar für landwirtschaftliche Betriebe von 1 ha bis zu Grossbetrieben und für 48 verschiedene Kulturen (Getreide, Obst, Gemüse).
 
Die SECO-Abteilung Handelsförderung ist ausserdem mit zwei Programmen im Agrarsektor in der Ukraine aktiv:

Das Quality Food Trade Program wird umgesetzt von einem Konsortium bestehend aus dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL und dem Schweizer Agrar-Beratungsunternehmen SAFOSO. Es baut auf früheren Interventionen im Bereich der Entwicklung der biologischen Landwirtschaft, zum einen, und der Lebensmittelsicherheit von Milchprodukten zum anderen.

Die Qualität und Sicherheit sowie die Handelskapazitäten im Bio- und Milchsektor in der Ukraine sollten gestärkt werden durch die Verbesserung von Rahmenbedingungen für Unternehmen, den Aufbau von Multi-Stakeholder-Plattform und Capacity Building des Landwirschaftsministeriums sowie des State Service of Ukraine on Food Safety and Consumer Protection.

Das Programm Organic Trade for Development wird von der Internationalen Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen IFOAM in der Ukraine umgesetzt. Das Programm hat zwei Ziele:

  1. Öffentlich-private Partnerschaften PPP zwischen Importeuren aus EU oder Schweiz mit lokalen Produzenten zu kreieren, um das Volumen und den Wert von Bio-Exporten zu fördern.
  2. Die Stärkung der lokalen Bio-Märkte durch verbesserte Sektor-Gouvernanz und Marketing.

Der Schweizer Bauernverband SBV und Bauernfamilien spenden für die Ukraine

Der Schweizer Bauernverband SBV und seine Dienstleistungsunternehmen wie die Agrisano sind «über das grosse und völlig unnötige menschliche Leid sehr betroffen». Aktuell stünden die Arbeiten auf vielen Landwirtschafts-Betrieben in der Ukraine still, weil die Arbeitskräfte in die Armee eingezogen wurden oder als Konsequenz der zusammengebrochenen Versorgung mit Produktionsmitteln wie Saatgut. Und das in einem Staat, der als «Kornkammer» der Welt gilt: «Auf den fruchtbaren ukrainischen Böden wächst viel Essen für die einheimische Bevölkerung, aber auch für den Export», so der SBV.

Der Verband der 52'000 Schweizer Bauernfamilien beteiligte sich deshalb am nationalen Glückskette-Sammeltag und hat bei seinen MitarbeiterInnen für die Unterstützung der Menschen vor Ort gesammelt. Den Spendenbetrag seiner MitarbeiterInnen erhöhte der Bauernverband auf 35'000 Franken, die der Glückskette  überwiesen werden konnten.

Beim Schweizer Bauernverband ist man sich bewusst, dass diese Hilfe mehr den Flüchtlingen, als den Bauernfamilien in der Ukraine zugute kommt. Eine direkte Hilfe für die Landwirtschaftsbetriebe könnten aber nur die SECO, DEZA und andere Schweizer Regierungsorganisationen leisten. Den Schweizer Bauernfamilien, die ebenfalls einen Unterstützungs-Beitrag spenden möchten, empfiehlt der Bauernverband deshalb, diese Spenden direkt der Glückskette zukommen zu lassen.