Bastien Girod und Stefan Mutzner sind sich einig: Der Vorschlag zum neuen CO2-Gesetz löst keine (Klima-)Probleme. Girod ist Nationalrat der Grünen Partei Schweiz, Mutzner Geschäftsführer der Genossenschaft Ökostrom Schweiz. «Die Reduktion der Treibhausgase geht viel zu langsam voran», sagt Girod.

Mutzner findet es «unglaublich und unverständlich, dass sich der Nationalrat nicht auf eine griffige Version des Gesetzes einigen konnte.» Denn: Der Nationalrat hat im Dezember 2018 den Gesetzes-Vorschlag des Bundesrates abgelehnt.

Die Schweiz muss ihre Treibhausgase verringern

Aber von Anfang an: Ende 2015 haben sich an der Klimakonferenz in Paris alle Staaten verpflichtet, ihren Treibhausgas-Ausstoss zu verringern. Die Schweiz hat das Abkommen am 6. Oktober 2017 verpflichtend unterschrieben.

Und somit gilt es ernst: Die Schweiz hat sich verpflichtet, ihre Emissionen bis 2030 um 50 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Die Verringerung soll vor allem im Inland erfolgen. Es ist aber höchstwahrscheinlich weiterhin möglich – wie beim vorherigen Kyoto-Abkommen – sich sogenannte Zertifikate im Ausland zu kaufen.

Das heisst, die Schweiz kann vermutlich weiterhin dafür zahlen, dass in anderen Ländern weniger Treibhausgase ausgestossen werden. Im Mittelalter konnten sich Gläubige den Weg in den Himmel mit dem «Ablassbrief» erkaufen. Daran erinnert der Handel mit CO2-Zertifikaten.

Dieser wird in den nächsten Jahren aber teurer, denn grundsätzlich haben sich (fast) alle Staaten der Erde verpflichtet, ihre Emissionen zu senken. Nur die USA will aus dem Abkommen austreten.

Düngung und Tierhaltung sind für Methan mitverantwortlich

Wie die Reduktion erfolgen soll, regelt die Schweiz insbesondere im CO2-Gesetz. Darin ist etwa die maximale Höhe der Abgabe auf fossile Brennstoffe festgeschrieben, aber auch die das Ziel unterstützende CO2-Emissionsgrenzwerte für Gebäude und der maximale CO2-Ausstoss von neuen Personenwagen und leichten Nutzfahrzeugen.

Die Landwirtschaft ist vom Klimawandel besonders betroffen – der trockene Sommer 2018 ist vielen noch in Erinnerung. Es braucht also Anpassungen, sagt Fabienne Thomas, stellvertretende. Leiterin Departement Produktion, Märkte und Ökologie beim Schweizer Bauernverband SBV.

Für sie ist klar: Sowohl Trockenheit und Temperaturen wie auch die Variabilität zwischen trocken und nass und extreme Wetter-Ereignisse wie Starkniederschläge werden in der Schweiz zunehmen. «Aus meiner Sicht ist es eine grosse Herausforderung, sich gleichzeitig an alle diese Veränderungen anzupassen, weil alle diese Ereignisse andere Anpassungsmassnahmen voraussetzen», so Thomas.

Die Landwirtschaft verursacht auch Gase, welche das Klima schädigen

Zwar stösst die Branche nur wenig CO2 aus – das Treibhausgas CO2 macht 80 Prozent der Schweizer Treibhausgase aus. Doch beim Methan und beim Lachgas ist die Landwirtschaft wegen Tierhaltung und Düngung in der Verantwortung. Insgesamt ist die Landwirtschaft gemäss Treibhausgas-Inventar der Schweiz für 13 Prozent der Treibhausgase (2016) verantwortlich.

Deshalb will der Staat nun erstmals auch ein Sektorziel für die Landwirtschaft festlegen. Die «Klimastrategie Landwirtschaft» des Bundesamtes für Landwirtschaft sieht vor, dass die Treibhausgase bis 2050 gegenüber 1990 um einen Drittel reduziert werden. Der Bericht ist von 2011.

Einfach das Potenzial des eigenen Betriebs prüfen oder investieren

In der Botschaft zur Totalrevision des CO2-Gesetzes schlägt der Bundesrat auf Verordnungsstufe nun einen inländischen Reduktionsbeitrag von 20 bis 25 Prozent für das Jahr 2030 gegenüber 1990 vor.

Mit den laufenden Aktivitäten ist der Sektor auf einem guten Weg – dennoch gilt es, noch 0,5 Mio Tonnen CO2-Äquivalent (1) loszuwerden. Diese Reduktion soll im Rahmen der Agrarpolitik 2022+ konkretisiert werden – was das aber für die einzelnen Betriebe bedeutet, scheint aktuell noch unklar.

Um heute schon herauszufinden, wie jeder einzelne Betrieb einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, bietet sich www.energie-klimacheck.ch von AgroCleanTech an. Online oder auf dem Handy kann jede Landwirtin und jeder Landwirt innerhalb von 10 bis 15 Minuten das Sparpotenzial des eigenen Betriebs prüfen und bekommt dann Massnahmen vorgeschlagen. Der Check ist anonym, die Fachleute von AgroCleanTech beraten jedoch gerne.

Eine andere Möglichkeit, Treibhausgase zu reduzieren, bieten die landwirtschaftlichen Biogas-Anlagen. Diese produzieren erneuerbaren Strom, Wärme und reduzieren zusätzlich beachtliche Mengen an Methan.

Stefan Mutzner weist auf die heute bereits realisierten Reduktionleistungen und das Potenzial der Anlagen hin: «In den rund 100 Anlagen unserer Mitglieder wurden 2018 über 1 Mio Tonnen Hofdünger vergärt. Nach unseren vorläufigen Hochrechnungen konnten wir den Ausstoss von rund 84 000 Tonnen an Treibhausgasen vermeiden.»

Heute werden gemäss Mutzner lediglich rund 4,5 Prozent des Hofdüngers (Mist und Gülle) energetisch genutzt. Würden aber 40 Prozent des Hofdüngers energetisch genutzt, ergäbe dies eine geschätzte Reduktionsleistung von jährlich rund 750  000 Tonnen CO2-Äquivalent.

Landwirtschaftliche Biogas-Anlagen erfordern aber hohe Investitionen und der Strompreis ist wenig attraktiv. Stefan Mutzner wünscht sich deshalb unterstützende Beiträge, etwa für geschlossene Nährstoff-Kreisläufe, aber auch für die Produktionsanlagen von erneuerbarer Energie. «Im Idealfall sind diese Elemente in einer KEV-Nachfolge-Lösung enthalten», so Mutzner.

Das ist die politische Ebene. Wie sollen sich Bauern anpassen? Fabienne Thomas rät, dass Landwirte ihren Betrieb möglichst diversifizieren. «So vermeiden sie, dass von einem Produktionszweig, oder einer Hauptkultur abhängig sind.»

Wichtig sei, sich gut zu informieren über neue Sorten und Kulturen und diese wenn möglich auszuprobieren. Das heisst, wenn sie für diese einen Markt haben.
Auch die technischen und rechtlichen Möglichkeiten einer Bewässerungsinstallation am eigenen Standort sollten geprüft werden. «Ein ge-
sunder Boden ist anpassungsfähiger», sagt Fabienne Thomas. Deshalb solle jeder Landwirt auf Humusaufbau und Erosionsprävention achten, etwa mit bereits verbreiteten Massnahmen wie geregelter Fruchtfolge und durchgehender Bodenbedeckung.

Das CO2-Gesetz wird vermutlich in der Sommer- oder Herbstsession im Ständerat diskutiert. Danach geht es zurück in den Nationalrat. Das wird sicher nach den Wahlen im Herbst 2019 der Fall sein.

Bastien Girod spricht deshalb von einer «Klimawahl»: Wenige Stimmen können viel bewirken. Er erwähnt, dass etwa die Abgabe auf Flugtickets bei der Erstberatung im Nationalrat mit 88 Ja- und 93-Nein-Stimmen gescheitert sei. Noch knapper wurde es beim Inlandziel für die Reduktion der CO2-Emissionen: Diese ist mit 95 zu 97 Stimmen abgelehnt worden.

Gefordert sind die Landwirte also nicht nur auf dem Feld und im Stall. Sondern im Herbst auch beim Entscheid, wer ihre Interessen und die des Klimas im Parlament vertreten soll.


(1) CO2-​Äquivalente sind eine Masseinheit zur Vereinheitlichung der Klimawirkung der unterschiedlichen Treibhausgase.