Seine Diplomarbeit präsentierte Hannes Ziegler auf 1300 m ü. M. in Utengule, Tansania: Der 25-Jährige hat dort das zweite Praktikum seiner Weiterbildung als Agro-Techniker HF absolviert – auf einer Kaffeeplantage. Johannes Meyer, Lehrer am Strickhof und Betreuer von Hannes Ziegler, war dafür aus der Schweiz angereist. Zum einen natürlich, um die Arbeit zu beurteilen, zum anderen, um die Plantage seines Studienkollegen Lui Fässler kennen zu lernen. Fässler lebt seit Januar 2022 in Tansania und führt mit seinem Vater eine Kaffeefarm mit Rösterei.
Als Diplomarbeit hatte Ziegler eine Vollkostenrechnung der Kaffeeplantage gemacht. Denn die Firma Utengule Coffee Estates Tanzania Limited führt zum einen eine Farm, zum anderen auch eine Rösterei, die aber hunderte Kilometer entfernt liegt. Eine der Erkenntnisse von Ziegler war, dass in Tansania Arbeitskräfte eine völlig andere Bedeutung haben als in der Schweiz. Sie sind so billig, dass sich moderne Maschinen nur bedingt lohnen. «Es ist beeindruckend, wie viel Handarbeit hinter einer einzigen Tasse Kaffee steckt», sagt Ziegler.
Gut gerüstet für eine Stelle in der Agrar-Berufswelt
An einem nasskalten Novembertag erzählt er am Strickhof Lindau in Eschikon ZH von seinen Erlebnissen in Tansania und seinen Beweggründen für die Agro-Techniker-Weiterbildung. Aufgewachsen auf einem Betrieb in Schönholzerswilen TG, hat er zuerst ein EFZ als Milchtechnologe absolviert, anschliessend die Zweitausbildung zum Landwirt und sich danach mit drei Kollegen für den Lehrgang am Strickhof entschieden: «Mein Bruder ist ebenfalls ausgebildeter Landwirt. Da der Betrieb relativ klein ist, wird er wohl nur von einer Person weitergeführt werden.»
Deshalb hat sich Ziegler gegen die Betriebsleiter-/Meisterschule und für eine Weiterbildung entschieden, die ihm eine Stelle in einem vor- oder nachgelagerten Bereich der Landwirtschaft ermöglicht.
Steigt er nun in die Kaffeebranche ein? Ziegler lacht: «Nein, das war einfach eine spannende Erfahrung. Ich suche eher etwas im Bereich Nutztiere.» Aktuell bewirbt er sich auf Stellen in der Nutztierhaltung in den Bereichen Futtermittel und Stallbau.
Marktorientierte Ausbildungmit hohem Praxisbezug
Johannes Meyer unterrichtet seit dem Schuljahr 2021/2022 am Strickhof. Er ist Landwirt EFZ, hat die Berufsmatur absolviert und an der HAFL Agrarwirtschaft studiert. Am Strickhof ist er an der Höheren Berufsbildung tätig und zu einem kleinen Teil in der Grundbildung.
Beratungen macht er keine – mit Unterrichten und Betreuen ist er gut ausgelastet. Zudem arbeitet er in einem kleinen Pensum an der HAFL im Bereich Energietechnik.
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«Nach dem Studium sind die Berufschancen sehr gut»
Johannes Meyer, Strickhof
Meyer macht die Erfahrung, dass sich junge Menschen für die Weiterbildung entscheiden, welche eher nicht in Vollzeit einen Betrieb übernehmen, sondern in die Agrar-Berufswelt einsteigen wollen. Dabei ist die Fenaco eine der grossen Arbeitgeberinnen, aber auch Treuhandfirmen oder Futtermittel-Hersteller stellen Agro-TechnikerInnen ein.
Die Weiterbildung ist zu Beginn stark kaufmännisch ausgerichtet, mit Fächern wie Betriebswirtschaft, Marketing und Personalführung. Im Gegensatz zum Agro-Kaufmann HF folgen danach Inhalte im Bereich Produktionstechniken, also Pflanzenbau, Tierhaltung und Landtechnik. Abgeschlossen wird das Studium mit einer Vertiefungsphase und dem Diplompraktikum.
Praxisnah wird die Weiterbildung durch zwei Praktika und Studienreisen, anspruchsvoll durch die Arbeiten, welche die Studierenden selbständig erstellen: Johannes Meyer betreut am Strickhof Projektarbeiten, bei denen er als «Auftraggeber» Feedback gibt, aber auch Betriebsstudien. Darin werden Betriebe beschrieben, analysiert und mögliche Weiterentwicklungen berechnet und bewertet.
Die Praktikums-Erfahrungen helfen den Agro-TechnikerInnen bei der Stellensuche
Hannes Ziegler hat beide Praktika im Ausland absolviert. Das erste verbrachte er bei einem Viehhändler in Norddeutschland. Auf die Idee, sein zweites Praktikum in Tansania zu verbringen, hat ihn Johannes Meyer gebracht. Ziegler hat es so gut gefallen, dass er nicht nur sein Praktikum verlängert hat, sondern auch noch durchs Land gereist ist.
Auf der Kaffeefarm war er im Controlling und in der Lohnbuchhaltung tätig: «Dazu hat gehört, dass ich die Löhne bar ausbezahlt habe.» Viel Arbeit werde von Tagelöhnern erledigt, die je nach Arbeitsspitzen aus den umliegenden Dörfern kommen. «Die Ernte wurde eher von Frauen erledigt, das Schneiden der Bäume von Männern», erzählt Ziegler. Er hat in einem Arbeiterhaus gewohnt und den Kontakt zu den Einheimischen sehr geschätzt. «Das ist völlig anders, als wenn ich als Tourist ein Land bereise.»
Nur mit Geld und Zahlen hatte Ziegler nicht zu tun: Zur Kaffeefarm gehört ein Hotel, dafür hat Ziegler zusammen mit den einheimischen Arbeitern einen Spielplatz gebaut.
«Das sind die Vorteile von Praktika», sagt Johannes Meyer: Die Studierenden sind Teil des Unternehmens, können Erfahrungen sammeln und entscheiden, ob ihnen zum Beispiel die Arbeit in einem Treuhandbüro gefällt. Die Berufschancen sind sehr gut: «Es gibt Studierende, die nach dem Studium im Praktikumsbetrieb eine Stelle bekommen.»
Die Ausbildung
Wer Agro-TechnikerIn HF studieren will, findet dafür in der Schweiz fünf Schulen:
Vollzeit
- Strickhof ZH
- Schluechthof ZG
Berufsbegleitend
- Inforama BE
- Schluechthof ZG
- Rheinhof SG in Zusammenarbeit mit Plantahof GR & Arenenberg TG
- Grangeneuve FR
Für das Studium braucht es ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis EFZ der Agrarbranche sowie mindestens ein Jahr Berufserfahrung in der Branche. Der Fokus der Weiterbildung liegt auf der marktorientierten Unternehmensführung. Die Studierenden investieren u.a. Zeit in die Analyse, Planung und das Management eines landwirtschaftlichen Betriebs sowie in produktionstechnische Aspekte.