In unserer Gesellschaft sind Suppenhuhn, Kutteln und Gerichte aus Resten des Vortages aus der Mode gekommen. Was für ein Unterschied, wenn wir nur wenige Jahrzehnte zurückschauen. Die Schweiz ist heute eines der reichsten Länder der Welt. Dies bringt neben vielen Vorteilen auch Schattenseiten 
mit sich.

Die Ende April 2019 publizierte Studie des Bundesamtes für Umwelt zeigt wieder einmal deutlich auf: Ein grosser Teil 
der hierzulande verursachten Lebensmittelverschwendung oder des Food Waste fällt in den Haushalten an. Viele Menschen werfen Teile oder ganze Lebensmittel weg, sie nicht wissen, wie sie diese verwenden können. Das ist vor allem 
in den industrialisierten Ländern wie der Schweiz der Fall.

Das Wissen und die Bereitschaft, aus verschiedenen Produkten kreativ zu kochen, nehmen seit Jahren stetig ab. Unter anderem hat dies mit zunehmend gestressten Menschen einer Leistungsgesellschaft zu tun, die keine 
Zeit mehr haben für die essenziellen Dinge im Leben.

Es ist aber auch Resultat einer Wohlstandsgesellschaft, 
die den Nahrungsmitteln immer weniger Wertschätzung entgegenbringt. In Industriestaaten wird mittlerweile nur noch durchschnittlich 6 Prozent des Haushaltsbudgets für Nahrungsmittel ausgegeben, während dies vor 50 Jahren noch um 30 Prozent waren – die Tendenz ist weiter sinkend. Es besteht die grosse Gefahr, dass Lebensmittel immer weniger kosten und daher in den Augen vieler Menschen immer weniger wert sind. Dies kann und darf nicht sein.

Auch in der Landwirtschaft fallen Lebensmittelabfälle an. Dies geschieht insbesondere aufgrund einer sehr anspruchsvollen Nachfrage: Abnehmer, Händler und Konsumierende greifen nach immerwährend bereitgestellten Produkten von uniformer, ästhetisch und inhaltlich hoher Qualität. Eigentlich wäre eine Verfügbarkeit nach industriellen Normen ganz praktisch. Als ob die Landwirtschaft am Fliessband produzieren könnte: Immer schön, immer gute Qualität, immer gleich, zu jeder Zeit.

Um dieser Nachfrage zu entsprechen, müssen Landwirte die Unregelmässigkeiten ausgleichen, die es in der Natur einfach gibt. Oder diese Unregelmässigkeiten werden eben zwischen landwirtschaftlicher Produktion und Verarbeitung ausgeglichen. Die Folge davon ist, dass beispielsweise zu kleine oder zu grosse Kartoffeln oder solche mit etwas Schorf ausgemustert und zu Lebensmittelabfall werden.

Immerhin können sie noch für die Fütterung der Tiere verwendet werden, was nach Ansicht von uns Bauernfamilien eine sinnvolle und ethisch vertretbare Verwertung ist. 
Denn diese Tiere müssten ja stattdessen mit anderen Futtermitteln versorgt werden.

Nahrungsmittel haben definitiv einen viel zu geringen Wert in der Gesellschaft. Dies muss sich als Erstes ändern, wenn wir die Menge der Lebensmittelabfälle reduzieren wollen.

Glücklicherweise gibt es immer mehr kleinere oder grössere, wachsende Gruppen von Menschen, die das Problem erkannt haben. Initiativen wie «Ässbar», «Gmüesgarte», «Grassrooted», «Tischlein deck dich» und viele weitere tragen konkret zur Verringerung der Lebensmittelverschwendung bei. Initiativen wie Slowfood sensibilisieren unter anderem auf das Angebot von Kursen auch fürs Selberkochen und bewusst Essen. 
Das ist sehr wichtig und richtig.

Aber es muss mehr geschehen. Für das notwendige 
gesellschaftliche Umdenken sind alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette gefordert, gemeinsam die Aufgabe anzugehen. Nicht zuletzt müssen viele Menschen aufwachen und sich bewusst werden, dass nach wie vor 800 Mio Menschen auf dieser Welt an Hunger leiden. Auch wenn wir es uns leisten können, tun wir gut daran, unsere Verantwortung 
im Umgang mit Lebensmitteln täglich wahrzunehmen.