Kurz & bündig

  • Die beiden Melkroboter im Stall sind mit einem digitalen Gesundheitsüberwachungsprogramm ausgerüstet.
  • Am Halsband der Kühe sind Responder mit Sensoren angebracht.
  • Die Sensoren messen die Aktivität der Tiere, die Fress- und Wiederkauzeit und leiten die Daten an die Datenverarbeitung weiter, also an den Controller.
  • Der Controller macht den Landwirt auf Abweichungen vom normalen Verhalten aufmerksam.
  • Insbesondere hilft der Controller dem Landwirt, die Brunst zu erkennen und Ketosen vorzubeugen.
  • Die digitale Überwachung ist nur dann von Nutzen, wenn der Landwirt die Auswertungen regelmässig anschaut, sie richtig interpretiert und entsprechend handelt.

Die Tierbestände werden immer grösser und den Landwirten bleibt bei Arbeitsspitzen auf den Feldern wenig Zeit, ihre Tiere zu beobachten. Umso wichtiger werden digitale Hilfsmittel zur Beobachtung der Tiere. Sie helfen dem Landwirt, Krankheitsanzeichen und Brunst-Symptome frühzeitig zu erkennen.

Die Familie Markus und Lea Heeb melkt auf dem Vogelsang-Hof in Güttingen ihre 80 Kühe mit zwei Lely-A5-Melkrobotern, die mit einer digitalen Gesundheitsüberwachung ausgerüstet sind. Ihre Hoftafel lässt darauf schliessen, dass Heebs eine begeisterte Holstein-Friesian-Züchterfamilie sind.

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Der Blick auf den Melkroboter-Monitor verrät viel

Die beiden Melkroboter können mehr als nur melken. Sie kontrollieren die Milch und sammeln Daten zum Gewicht der Tiere, der Bewegung sowie der Fress- und Wiederkau-Aktivität. Ausgewertet werden die Daten mittels dem Lely-Horizon-Managementprogramm. Der LDn-Controller im Stall empfängt die Daten von den LDn-Respondern und wertet sie aus. «Das Wichtigste am Morgen ist der Blick auf den PC-Bildschirm», sagt Markus Heeb im Stallbüro vor dem Monitor. Er klickt auf die Seite «Hinweis auf Krankheit».

Kuh Jodeli war lange nicht beim Melken. Sie ist keine von denen, die Markus Heeb manchmal in die Melkbox führen muss und bedarf deshalb seiner Aufmerksamkeit. Rosalies Milch hat ein Fett-/Eiweiss-Verhältnis unter eins, das Gewicht der Kuh hat seit dem Abkalben vor vier Wochen überdurchschnittlich abgenommen. Eine Grafik zeigt den Verlauf der Milchmenge, der Fress- und Wiederkauzeit, der Aktivität und der Brunstwahrscheinlichkeit der «Alarmkühe» während der letzten 30 Tage. Noch ist nichts akut, da die Kühe normal fressen und wiederkauen.

Der Landwirt hat Rosalie schon länger im Auge. Jodeli muss er kontrollieren, um den Grund für die lange Zwischenmelkzeit ausfindig zu machen.

Anstatt Zellzahlmessung zwei Tierwaagen eingebaut

Vor einiger Zeit hat der LDn-Controller den Landwirt auf Elona aufmerksam gemacht. Ihre Wiederkau-Aktivität ging von einem Tag auf den anderen auf Null zurück. Ihr Gewicht lag 30 Kilo unter demjenigen des Vortages: Ein Zeichen, dass sie nichts mehr gefressen hat. Der Tierarzt diagnostizierte eine Labmagen-Verlagerung und musste sie notfallmässig operieren. 

Heute geht es ihr dank zuverlässiger Früherkennung durch die Technik wieder gut. Auf eine Zellzahl-Messung, die in vielen Melkrobotern eingebaut ist, hat der Landwirt aus Kostengründen verzichtet. Wenn die Kühe normal fressen, liegen und wiederkauen, sei auch keine akute Euterentzündung vorhanden, sagt er.

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Dank Gewichtsdaten die Fütterung und die Besamung anpassen

Allerdings misst der Melkroboter die Farbe und den Leitwert der Milch. Diese geben einen Hinweis darauf, ob Blut in der Milch ist, zum Beispiel von einem Schlag gegen das Euter oder von einer Verletzung.

Wichtiger als die Zellzahl-Messung war dem Landwirt die Erhebung des Gewichtes der Tiere mittels Waagen unter den Melkboxen. «Kühe, die abnehmen, nehmen nicht auf», ist eine Erfahrung des Landwirtes. Dank der Gewichtsdaten kann er die Fütterung und die Besamung anpassen. Eine Zellzahl-Messung lässt sich auch später noch in den Melkroboter integrieren. «Eine Waage kann man jedoch nicht einfach nachrüsten», erklärt der Landwirt. Dafür braucht es eine Vertiefung unter dem Standplatz der Kuh im Melkroboter.

Die LDn-Responder enthalten Sensoren, die auf Grund der Beschleunigung Bewegungen messen, man spricht von Akzeleratoren. Die Responder sind am Halsband der Kuh angebracht und übermitteln die Daten über eine unter der Stalldecke fest installierte Antenne an den Controller. Zur Messung der Wiederkau-Tätigkeit müssen die Responder am Nackenmuskel der Kuh anliegen, dessen Bewegungen die Sensoren registrieren. Die Responder müssen dazu am richtigen Ort des Halsbandes angebracht sein und ein Gewicht muss das Halsband nach unten ziehen. 

Gerade die Erhebung der Wiederkau-Tätigkeit ist für den Landwirt ein wichtiges Hilfsmittel für die Gesundheitsüberwachung geworden. «Die ersten zwei Wochen nach dem Abkalben schaue ich extrem auf die Wiederkau-Tätigkeit und auf das Gewicht, um Aceton vorzubeugen.»

 

«Digitale Technologien ersetzen den Landwirt nicht»

 Eine digitale Gesundheits-Überwachung benötigt immer auch das Mitdenken des Landwirtes, sagt Joanna Stachowicz von Agroscope auf Anfrage. Gesundheits-Alarme von Technologien, die unspezifische Variablen wie zum Beispiel die Aktivität erheben, müssten nicht zwangsläufig auf ein Gesundheits-Problem hinweisen. Solch ein Alarm könne auch durch kurzfristigen Stress oder eine Änderung im Management ausgelöst werden. Zudem müsse man sich bewusst sein, dass es bisher keine Modelle gäbe, die seltene Ereignisse im Leben eines Tieres, wie zum Beispiel eine Erkrankung, zu 100 Prozent verlässlich vorhersagen können.

Das bedeute, dass man mit Fehlalarmen rechnen und die Daten oder Alarme in den richtigen Kontext setzen und interpretieren müsse. Demnach könnten digitale Technologien die Landwirtinnen und Landwirten bei Entscheidungsprozessen unterstützen – sie jedoch nicht ersetzen. Die Forscherin weist ebenfalls darauf hin, dass Sensoren fachgerecht am Tier angebracht werden müssen, damit es zu keinen Verletzungen kommt. Besonders wichtig sei dies bei Pedometern und Abkalbe-Sensoren, aber auch bei Halsbändern von Ziegen mit Hörnern. 

Fress- und Wiederkau-Aktivität gibt Hinweise auf Ketose-Risiko

Da Heebs Herde mit 10 800 kg Milch eine hohe durchschnittliche Milchleistung aufweist, muss der Landwirt besonders darauf achten, dass die Kühe nach dem Abkalben nicht in ein Energiedefizit fallen und es nicht zu einer Ketose kommt, auch Aceton genannt. Fällt die Fress- und Wiederkau-Aktivität einer Kuh nach dem Abkalben stark ab und ist das Fett-/Eiweissverhältnis in der Milch unter Null, dann gibt er ihr Propylenglykol ein, um eine Ketose zu verhindern. 

Eine weitere grosse Hilfe ist die Brunsterkennung mit Hilfe der Responder. Diese basiert vor allem auf der Aktivität der Kuh, aber auch auf dem Wiederkau- und Fressverhalten. «Das Lely-Managementprogramm rechnet alles ineinander», erklärt Heeb. Es berechnet sogar den optimalen Besamungszeitpunkt. Die Kühe sind zwar sehr unterschiedlich im Brunstverhalten. Der Responder erkennt aber auch Kühe mit schwachen Brunstsymptomen, indem er vom individuellen Verhalten der Tiere ausgeht.

 

 

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Dank der Datenauswertung hat sich die Fruchtbarkeit verbessert

Landwirt Markus Heeb hat die Auswertungen der Zwischenkalbezeit, des Besamungsindex und des Anteils der Tiere mit mehr als drei Besamungen notiert. Dabei vergleicht er die Ergebnisse im Jahr 2019 ohne Melkroboter und Responder mit denen im Jahre 2020 mit Roboter, Tierwaage und Responder (siehe Tabelle Fruchtbarkeitsparameter). 

Dank der digitalen Kontrolle haben sich die Fruchtbarkeits-Indikatoren deutlich verbessert. Der Landwirt hat auch die Galtkühe und das Jungvieh mit Respondern versehen. Die Responder lassen sich auch bei Weidehaltung nutzen, da sie die Daten speichern können, bis sie wieder Kontakt zur Antenne haben. Mit dem Erheben der Daten allein ist es aber nicht getan. «Ich muss sie auch herauslesen und interpretieren», betont der Landwirt.

 

Was kostet das digitale Monitoring?

Markus und Lea Heeb haben den Hof im Jahre 2011 vom Vater des Betriebsleiters, Albert Heeb, übernommen. Sie haben den Laufstall mit Aussen-Liegeboxen auf einfache Weise erweitert, modernisiert und den Kuhkomfort erhöht. Im März 2020 haben sie den Stall mit zwei Lely-Astronaut-Melkrobotern ausgestattet.

Die zusätzliche Ausrüstung des Melkroboters mit dem LDn-Controller, HR-LDn-Respondern und den Tierwaagen haben den Landwirt 25 000 Franken gekostet. Darin inbegriffen sind je 6000 Franken für die beiden Waagen sowie 4000 Franken für die Antenne. Ein Ersatz von Respondern war bisher nicht nötig. Sie sollen eine Lebensdauer von sechs bis acht Jahren haben. Der Ersatz eines Responders kostet 200 Franken, das macht gerade einmal zwei Franken pro Monat, rechnet Marcel Schwager vor, Verkaufsleiter Lely Center Härkingen. Es ist auch möglich, die Responder zu mieten. Die ersten Responder sind wie oben erwähnt im Preis inbegriffen. Controller und Responder brauchen keinen extra Service.

Fressminuten und Wiederkau-Aktivität verhalten sich je nach Ereignis unterschiedlich. Vor dem Abkalben reduzieren sich die Fressminuten über mehrere Tage, die Wiederkau-Aktivität geht jedoch erst kurz vor dem Abkalben zurück. Ähnlich geht es bei einer schleichenden Stoffwechsel-Erkrankung. Bei einer akuten Erkrankung gehen jedoch sowohl Fressminuten als auch Wiederkau-Aktivität sehr schnell zurück. Der Landwirt sieht die digitale Gesundheitsüber-wachung als eine Investition, auf die er nicht mehr verzichten möchte. Sie müsse aber zum Betrieb passen, ergänzt er. Entscheidende Faktoren dürften darin liegen, wie viele Tiere auf dem Betrieb gehalten werden, wie intensiv die Milchwirtschaft betrieben wird und wie viel Zeit der Landwirt für seine Kühe hat.

Wer in eine digitale Gesundheitsüberwachung investiert, dürfe auch nicht meinen, die digitalen Hilfsmittel übernähmen alles: «Man muss trotzdem selbst in den Stall gehen, bekommt aber eine massive Alltags-Unterstützung durch die Technik», bringt es Landwirt Markus Heeb auf den Punkt.

 

Betriebsspiegel Vogelsang-Hof

 Markus und Lea Heeb, Güttingen (Thurgau) 

LN: 22 ha Eigenland und 15 haim Nutzen von tierlosen Betrieben mit Gülleabnahme, davon 25 ha Grünland, 10 ha Silomais und 2 ha Futterweizen

Tierbestand: 80 Holstein-Friesian-Milchkühe, 40 Aufzuchtrinder, davon 30 auswärts im Vertrag, 20 Kälber

Arbeitskräfte: Betriebsleiterehepaar, ein Lehrling, Mithilfe des Vaters