Die Schweiz beeinträchtigt die Biodiversität mit 162 Subventionen für Verkehr, Landwirtschaft, Energieproduktion und Siedlungsentwicklung in der Höhe von 40 Milliarden Franken pro Jahr.

Dies zeigt eine neue Studie der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz SCNAT und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Die Studie wurde von Pro Natura, BirdLife Schweiz und der Temperatio-Stiftung für Umwelt, Soziales, Kultur unterstützt.

Dabei hat sich die Schweiz 1994 im Rahmen der Biodiversitäts-Konvention verpflichtet, Biodiversitäts-schädigende Subventionen bis 2020 anzupassen oder abzuschaffen.

Biodiversitäts-schädigende Subventionen für Verkehr, Energie, Siedlungsentwicklung und Landwirtschaft

Die Subventionen in der Schweiz betreffen vor allem den Verkehr, die Energieproduktion und Siedlungsentwicklung – aber auch die Landwirtschaft.

«Die Biodiversitäts-Krise könnte entschärft werden, würden Subventionen nur gewährt, wenn sie die Biodiversität nachweisbar nicht beeinträchtigen», erklärt Irmi Seidl von der der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL.

Zerschnittene, verschmutzte und zerstörte Lebensräume: Gemäss der Studie seien die Hälfte aller Lebensraumtypen und ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten in der Schweiz gefährdet.

 

Als Biodiversitäts-schädigend bezeichnete Subventionen für die Landwirtschaft von A–Z

«Eine intensive landwirtschaftliche Bewirtschaftung führt zu Übernutzung, Verschmutzung, Fragmentierung und Zerstörung von Lebensräumen» heisst es in der Studie über Biodiversitätsschädigende Subventionen in der Schweiz. «Mager- und Feuchtstandorte, Kleingewässer und Kleinstrukturen verschwinden, die Landschaft wird homogen und verarmt. Hinzu kommt, dass verschiedene Lebensräume mit Schadstoffen aus der Landwirtschaft belastet sind. All dies bewirkt einen starken Rückgang der Flora und Fauna des Kulturlandes.»

Subventionen für die Schweizer Landwirtschaft mit stark negativer Wirkung auf die Biodiversität sind gemäss der Studie (Einträge mit * haben einen Innerökologischen Zielkonflikt)

On-Budget (im Staats-Budget)

  • Absatzförderung Fleisch und Eier
  • Absatzförderung Milch
  • Administration Milchproduktion und -verwertung
  • Alpungsbeitrag*
  • Basisbeitrag
  • Beiträge für Entsorgung tierischer Nebenprodukte
  • Einzelkulturbeiträge
  • Finanzierung der Zulassungsevaluation
  • Förderung Tierzucht
  • Graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion*
  • Hangbeitrag*
  • Hangbeitrag Rebflächen
  • Investitionshilfe für Strukturverbesserung
  • Marktstützung Fleisch, Einlagerungsbeiträge Kalbfleisch und Eier
  • Offene Ackerfläche
  • Offenhaltungsbeitrag*
  • Produktionserschwernisbeitrag*
  • Qualitäts- und Absatzförderung von weiteren Landwirtschaftsprodukten
  • Schoggigesetz bzw. Nachfolgelösung
  • Sömmerungsbeitrag*
  • Steillagenbeitrag*
  • Tierwohl BTS
  • Tierwohl RAUS
  • Übergangsbeitrag
  • Verkäsungszulage
  • Vollzug Schlachtvieh und Fleisch
  • Weitere Nettoausgaben Kantone
  • Zulage bei silofreier Milchviehfütterung*

Off-Budget (nicht im Staats-Budget, z.B. Steuererleichterungen)

  • Ausnahme von LSVA
  • Grenzschutz
  • Mineralölsteuer Rückerstattung
  • Motorfahrzeugsteuer Reduktion
  • Reduzierter MWSt.-Satz

Implizite Subventionen (z.B. nicht internalisierte externe Kosten)

  • Externe ökologische Kosten durch Stickstoff, Phosphor, Pestizide, Treibhausgase
  • Geringe Biodiversitätsberücksichtigung in landwirtschaftlicher Beratung

Viele Subventionen sind gemäss der Studie ökologisch fragwürdig und ökonomisch ineffizient

Die identifizierten Subventionen seien gemäss der Studie nicht nur ökologisch fragwürdig, sondern auch ökonomisch ineffizient: Verursachen Subventionen zunächst Schäden, so brauche es für ihre Behebung oft weitere öffentliche Mittel – ebenso wie vielerorts für Biodiversitäts-Förderung.

Dabei nehmen die Kosten zu: In 30 Jahren, so schreibt das Bundesamt für Umwelt BAFU, dürften die Verluste der Ökosystem-Leistungen wie der Schwund fruchtbarer Böden oder die Abnahme von sauberem Wasser rund 4 Prozent des BIP betragen.

Politik soll schädigende Subventionen umgestalten oder abschaffen

Um den Rückgang der Biodiversität zu bremsen und die Strategie Biodiversität Schweiz zu erfüllen, müsse die Politik die schädigenden Subventionen umgestalten oder abschaffen, schreiben die Forschenden. Und formulieren konkrete Empfehlungen:

  • Bei der regelmässigen Überprüfung von Subventionen von Bund, Kantonen und Gemeinden gemäss Subventionsgesetz soll «Biodiversität» neu als Kriterium aufgenommen werden.
  • Die Zweckbindung der Verkehrsabgaben soll aufgehoben oder mindestens ein Teil der Mittel abgeschöpft
    werden.
  • Die landwirtschaftlichen Basisbeiträge sollen an Biodiversitäts-fördernde Auflagen geknüpft werden.
  • Die Fördergelder für die Kleinwasserkraftwerke sollen – im Sinne der Schweizer Energiestrategie – zielführender als bisher eingesetzt und der Steuerabzug für den Mineralölverbrauch nur in Ausnahmefällen gewährt werden.
  • Der Steuerabzug bei Unternutzung von Wohneigentum soll abgeschafft werden, womit der Flächenbedarf und somit der Druck auf weiteres Einzonen und Überbauen zugunsten naturnaher Lebensräume sinken könnten.

Die Studie über Biodiversitäts-schädigende Subventionen und das dazugehörige Faktenblatt

 

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