Zugegeben: Zuerst war ich nicht sonderlich erfreut, dass meine Eltern im April für drei Wochen in die Ferien gehen. Nebst dem Pflanzenschutz, den übrigens Feldarbeiten und den Tieren im Stall galt es in dieser Zeit ein anderes Projekt zu bewältigen: Den Umbau des ehemaligen Schweinemast-Stalles in einen Pferdestall. Und dieser Umbau duldete keinerlei Aufschub, weil das Datum für den Einzug der neuen Pferde bereits fixiert war. Übrigens nicht von mir, aber dies nur nebenbei.

Eigentlich wäre dieser Umbau ja für den Winter vorgesehen gewesen. Aufgrund von Verzögerungen bei der Baubewilligung  konnten wir aber lange nicht mit den Bauarbeiten loslegen. So gab es einen intensiven Monat April: Kartoffeln setzen, Mais säen, Tiere versorgen und den Stall samt Reitplatz bauen.

Rückblickend freut es mich zu sagen, dass das gar nicht so schlecht war. Mit dem Stall standen wir ziemlich unter Zeitdruck und siehe da: Wenn man muss, geht erstaunlich viel. Auch erstaunlich vieles gleichzeitig. Natürlich nicht als One-Man-Show, sondern unter bester Mithilfe unseres Mitarbeiters, des Lehrlings und diverser Handwerker. Hätten wir mehr Zeit gehabt, hätten wir auch mehr Zeit gehabt, um ineffizient zu sein.

Es klappte alles ohne grössere Probleme, und pünktlich an einem Freitag um 17 Uhr war der Stall bezugsbereit. Am Samstagmorgen standen bereits die Pferde im Stall. Eine Punktlandung, die so nicht geplant, aber dennoch kein Zufall war, denn wie gesagt: Wenn etwas gehen muss, geht erstaunlich viel.

In der dreiwöchigen Abwesenheit hatte ich nie Kontakt zu meinen Eltern, und das war gut so. Für meine Eltern hätte der Erholungsfaktor der Ferien wohl massiv gelitten, wenn laufend Fragen zur Baustelle zu Hause eingetrudelt wären. Da kann man genauso gut zu Hause bleiben, das wäre entspannter und günstiger. Und auch für mich war das eine gute Sache, denn: Es gab keine Möglichkeit mehr, mich zu verstecken. Es war klar, dass die Verantwortung in dieser Zeit ohne Wenn und Aber bei mir liegt.

Ich musste selber rasch viele Entscheidungen treffen, die ich mir im Vorhinein eigentlich gar nicht richtig zugetraut hätte. Zur Erinnerung: Ich habe ursprünglich das KV gemacht, «Bau-arbeiten» war in dieser Ausbildung kein Pflichtfach. Doch auch hier stellte ich überrascht fest: Wenn ich muss, kann ich erstaunlich viel.

Wären meine Eltern in dieser Zeit auch im Lande gewesen, wäre der April vermutlich kaum viel entspannter abgelaufen. Es hätte mehr Diskussionen gegeben, ob wir nun diese oder jene Einzäunung wählen sollen, oder welche Parzelle nun wie und wann genau bearbeitet werden soll. Es hätte mehr Leerläufe gegeben, und ziemlich sicher auch mehr Missverständnisse.

Letztendlich hätte ich vermutlich deutlich mehr Verantwortung an die Eltern abgeschaufelt, und ich hätte mich elegant um den einen oder anderen Entscheid gedrückt. Ja, es ist bequemer, sich zu verstecken, als selber Ver-antwortung zu übernehmen und sich zu exponieren. Ich musste mir eingestehen, dass ich oft in meiner Komfortzone bleibe, wenn sich mir die Möglichkeit dazu bietet.

Jedenfalls war es ein toller Monat. Noch selten mochte ich meinen Beruf so sehr wie in dieser Zeit. Gemeinsam klappte alles nach dem Plan, den es eigentlich gar nicht gab, sondern der jeden Tag neu erstellt werden musste. Und für die Zukunft bleibt als wichtigste Erkenntnis: Wenn man muss und auch will, geht erstaunlich viel.

«Plötzlich Bauer»

Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er bewirtschaftet mit seinen Eltern einen Betrieb mit zwei Standorten im Freiamt AG.
Hagenbuch begann sich erst spät für die Landwirtschaft zu interessieren. In seiner Kolumne erzählt ervon Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischen Blick und einem Augenzwinkern.