Kurz & bündig

  • Anfang Juni sind in der Schweiz noch viele Lehrstellen in der Landwirtschaft mit Ausbildungsbeginn im August 2020 frei.
  • Die künftigen Lehrlinge sind wählerisch, beobachten Lehrmeister und Verantwortliche der Landwirtschaftlichen Schulen.
  • Wichtig und sinnvoll sind mehrtägige Schnupperlehren.
  • Die Anzahl Lernender ist konstant, ebenso die Zahl der Ausbildungsbetriebe.

Eigentlich finden auch Quereinsteiger eine Lehrstelle – das ist zumindest die Erfahrung von Hansruedi Häfliger, Direktor des Landwirtschaftlichen Zentrums Liebegg im Kanton Aargau. Die Geschichte von Maël Simond aus Mathey VS erstaunt deshalb. Ende Mai 2020 hatte die «BauernZeitung» berichtet, dass der knapp 16-Jährige trotz guten Noten keine Lehrstelle als Landwirt EFZ finde.

Die Resonanz auf den Beitrag war gross, eine Woche nach dem Erscheinen konnte der Journalist dem jungen Mann ein gutes Dutzend Angebote zukommen lassen. Da die Angebote in der Deutschschweiz sind, ist es unsicher, ob Maël Simond sein Glück findet. Am Telefon sagt er, dass er gerne in der Region bleiben würde, aber grundsätzlich offen sei.

Der Walliser stammt nicht aus einer Bauernfamilie. Eben habe er eine Schnupperlehre gemacht, auf einem Betrieb, der vor allem Kräuter anbaut. Seinen Traum-Lehrbetrieb hat er damit nicht gefunden, er wünscht sich einen Aufzuchtbetrieb. Wenn es mit der Lehrstelle nicht klappe, wird er ein weiteres Schuljahr anhängen oder versuchen, auf verschiedenen Betrieben zu arbeiten, um Praxis-Erfahrung zu sammeln.

Anfang Juni viele freie Landwirtschafts-Lehrstellen in der ganzen Schweiz

Martin Willi, Abteilungsleiter Grundbildung am Berufs- und Weiterbildungszentrum Buchs  (Kanton St. Gallen), ist ziemlich sicher, dass es genügend Lehrstellen als Landwirt EFZ hat: Im Lehrbetriebs-Verbund Landwirtschaft der Kantone St. Gallen, Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden und des Fürstentums Lichtenstein werden total rund 230 Stellen angeboten. Dies bei rund 100 Abschlüssen pro Jahr.

Ein Blick in die Online-Lehrstellenverzeichnisse der Kantone zeigt: In praktisch allen Kantonen sind Anfang Juni noch Lehrstellen mit Lehrbeginn August 2020 zu finden.

Willi rät Maël Simond deshalb, den Bewerbungshorizont zu öffnen und sich damit zu befassen, in einer anderen Region der Schweiz seine Ausbildung zu machen. «Und er soll nachfragen, wieso er abgelehnt wurde!»

Hansruedi Häfliger sieht einen zielgerichteten «Schnupperprozess» als Voraussetzung für eine erfolgreiche Lehre: «Es gibt in der Schweiz Lehrstellen, die regelmässig Jahre voraus besetzt sind. Dabei sind Farbe und Grösse der Traktoren zunehmend irrelevant.» Vielmehr seien Kriterien wie die Familienkonstellation, vielseitige Lerninhalte, die Einhaltung der Arbeitszeiten und auch die Qualität der Unterkunft relevant.

«Selbstverständlich spielt aber auch die «Chemie» zwischen Berufsbildner und Lehrling eine wichtige Rolle», so Hansruedi Häfliger. Er beobachtet, dass die heutigen Lehrstellen-Suchenden recht selbstbewusst und wählerisch seien, insbesondere auch Lernende in der Zweitausbildung. Dass es mehr Lehrstellen als Suchende hat, scheint ihm sinnvoll: «Das fördert den Wettbewerb und die Qualität des Lehrstellenangebots.»

Willi findet es sinnvoll, dass junge Leute wählerisch sind: «Erst eine mehrtägige Schnupperlehre zeigt, ob die Chemie stimmt.» Das lasse sich nicht aufgrund der sichtbaren Gegebenheiten wie einem grossen Maschinenpark beurteilen.

Liebegg-Direktor Häfliger findet lobende Wort für die Ausbildner: «Grundsätzlich attestiere ich den Berufsbildnern in der Landwirtschaft eine sehr hohe Kompetenz in der Ausbildung von Lehrlingen. Die Lehrabbrüche bewegen sich auf vergleichsweise tiefem Niveau.»

Lehrmeistertagungen und informelle Treffen der Landwirtschafts-Lehrmeister

Gute Lehrstellen sind unter den Lehrstellensuchenden bekannt und werden über Mund-zu-Mund-Proganda weitergegeben. Sowohl Häfliger wie Willi weisen auf die Angebote im Internet hin: Die Verzeichnisse haben Fotos und detaillierte Beschreibungen der Betriebe. Die Lehrmeister treffen sich regelmässig: Entweder an Tagungen, welche die Schulen organisieren oder informell.

Martin Willi vom bzb Buchs sagt, dass die Anzahl Betriebe, welche einen Lehrling ausbilden wollen, in den letzten 10 bis 15 Jahre gestiegen sei. Dies habe unter anderem damit zu tun, dass die Ausbildungsanforderung von der Meisterprüfung auf die Berufsprüfung zurückgestuft wurde.

Sind Lehrlinge auch einfach billige Arbeitskräfte? «Ein grosser Teil der Lehrbetriebe sieht nebst dem Ausbildungsauftrag auch den Nutzen in der praktischen Mithilfe. Das ist auch legitim, das Verhältnis zwischen reiner Arbeit und Ausbildung sollte jedoch nicht überstrapaziert werden», so Martin Willi.

Hansruedi Häfliger betont, dass die Rolle der Lehrlinge als Arbeitskräfte kein Hauptargument sein dürfe: «Wer Lehrlinge ausbilden will, muss in erster Linie Menschen mögen und bereit sein, in den Berufsnachwuchs zu investieren.»