Wo entsteht eigentlich Staub? Am offensichtlichsten auf dem Feld. Bei der Getreideernte oder der Bodenbearbeitung ist der Staub deutlich zu sehen. Filter in den Traktor-Kabinen schützen wirksam. Und zwar nicht nur vor Staub, sondern auch vor Gasen und Dämpfen. Wichtig ist, dass die Filter regelmässig gewechselt werden.
Je kleiner Staubpartikel sind, desto mehr Schaden können
die Teilchen anrichten
Die Grösse von Staubteilchen wird in tausendstel Millimeter gemessen. Für den Menschen sind ganz kleine Partikel besonders gefährlich. Diese treten zum Beispiel im Tabak-Rauch oder
in Abgasen (etwa Dieselmotoren oder Holzverbrennung) auf.
Je kleiner die Staubpartikel sind, umso tiefer können sie in die Atemwege eindringen. Grössere Partikel verfangen sich in den Nasenhärchen und in den Schleimhäuten der oberen Atemwege. Die kleinen Partikel können bis in die Lungenbläschen oder sogar ins Blut gelangen.
Der Staub ist deshalb im direkten Umgang sehr unangenehm. Er kann Husten oder Niesen auslösen. Staub kann auch zu Allergien und, gerade bei einer regelmässigen Belastung, zu ernsthaften Erkrankungen führen.
Bei Allergikern kann der Staub eine allergische Entzündung der Nasenschleimhaut, der Augenbindehäute und der Atemwege auslösen. Es kommt rasch nach dem Kontakt mit dem allergieauslösenden Staub zum Niesen, laufender, juckender Nase, roten juckenden Augen und zu Asthma-Beschwerden. Typische allergieauslösende Partikel in der Landwirtschaft sind z.B. Gräserpollen (blühende Wiese, Heu), Schimmelpilze oder Hautschüppchen von Tieren.
Gegen Allergien helfen Medikamente oder eine Therapie über mehrere Jahre hinweg
Dr. Christoph Ninck, Lungenspezialist am Tiefenauspital in Bern, erklärt, dass Allergien mit Medikamenten behandelt werden: Mit Allergietabletten, Nasensprays und bei Asthma mit Medikamenten, welche die Betroffenen inhalieren.
Je nach Allergie hilft eine Desensibilisierungs-Behandlung. Dabei verändert eine mehrjährige Behandlung mit regelmässigen Spritzen oder Tabletten/Lösungen das Immunsystem. Danach kommt es im Idealfall nicht mehr zu den Allergien.
Bei Allergien ist immer der Kontakt zu den allergieauslösenden Partikeln so gut es geht zu meiden. Das ist bei an einer Allergie erkrankten Landwirten aber oft schwierig umzusetzen. Ninck sagt aber: «Interessanterweise hat man beobachtet, dass das Aufwachsen auf einem Bauernhof für die Kinder einen Schutz vor Allergien darstellt.»
Seltene Krankheiten wie die Farmer-Lunge zwingen Landwirte zu einem Berufswechsel
Auch der Klimawandel hat Auswirkungen auf Allergiker: Die Pflanzen blühen zu anderen Zeiten. Zudem entfällt die besonders für die Allergiker wohltuende Reinigung der Luft von den Pollen, wenn es länger nicht regnet. Der Medikamenten-Bedarf steigt. Selten entwickeln Landwirte eine Farmer-Lunge oder noch seltener eine Vogelhalter-Lunge.
Beides sind verzögerte Allergien. Die Allergiker reagieren z.B. auf wärmeliebende Bakterien im Heu und Schimmelpilze bei der Farmer-Lunge und auf Eiweisse der Vögel bei der Vogelhalter-Lunge.
In den Anfangsstadien kommt es typischerweise 3 bis 12 Stunden nach dem Kontakt zu den allergieauslösenden Substanzen zu grippeähnlichen Beschwerden mit Fieber, Atemnot, Husten und Abgeschlagenheit.
Bei wiederholtem Allergen-Kontakt schreitet die Erkrankung voran. Dabei vernarbt das Lungengewebes und die Sauerstoff-Aufnahmefähigkeit reduziert sich.
Wird die Erkrankung nicht erkannt und als wichtigste Massnahme der Kontakt zu den Auslösern nicht konsequent vermieden, so kommt es zu zunehmender Luftnot. Zunächst bei Belastung, später auch in Ruhe. Es folgen Sauerstoff-Bedürftigkeit und Tod. Betroffenen Landwirten wird klar zu einem Berufs- und Wohnort-Wechsel, fern vom Bauernbetrieb, geraten.
Ninck erklärt, dass bei der Geburt niemand an einer Allergie leidet. Der Mensch setze sich täglich mit allerhand Stoffen auseinander, bei manchen reagiere der Körper plötzlich zu stark.
Die Langzeit-Belastung mit Staub kann zu lebensgefährlichen Krankheiten führen
Auch die Langzeit-Belastung mit Staub kann Folgen haben. Am häufigsten behandelt Ninck Landwirte mit einer chronisch obstruktiven Lungenkrankheit (COPD, chronic obstructive pulmonary disease). «Die Hauptursache der COPD ist bei uns das Rauchen. Gerade bei Landwirten sehen wir aber auch eine COPD, ohne dass sie geraucht haben. Die langjährige Staub-Belastung hat die Erkrankung ausgelöst», so Ninck.
Es kommt zu einer Entzündung in der Lunge mit Verengung der Bronchien. Dadurch wird vor allem das Ausatmen immer schwieriger. Die Lunge überbläht sich bereits in Ruhe, aber besonders bei Anstrengungen. Bei der COPD kommt es zudem zu einem Abbau der Lungenbläschen, es entsteht ein sogenanntes Lungen- Emphysem. Es handelt sich dabei um Gebiete ohne Lungenbläschen und somit auch ohne Nutzen für den Gas-Austausch (Sauerstoff-Aufnahme und Kohlendioxid-Abgabe).
Ein Lungen-Emphysem tritt vor allem in den oberen Lungenabschnitten auf. Die Erkrankten leiden an Husten, oft verbunden mit Auswurf und Luftnot.
Die wichtigste vorbeugende und therapeutische Massnahme ist ein konsequenter Rauchstopp. Bei den Landwirten ist ein möglichst guter Schutz vor dem Einatmen von Stäuben wichtig. Mit Medikamenten können die Atemwege erweitert werden und ein gewisser Schutz vor Verschlechterungen erreicht werden. Bei fortgeschrittenen Erkrankungen wird Sauerstoff und allenfalls eine Maskenbeatmung während der Nacht erforderlich. Die Erkrankung kann nicht geheilt werden. Sie ist eine «Einbahnstrasse».
Generell wünscht sich Ninck, dass sich die Landwirte ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind. Er sagt, dass rund ein Viertel des gesamten Feinstaub-Ausstosses der Schweiz aus der Landwirtschaft stammt.
In den letzten Jahren konnte die Staubproduktion erfreulicherweise schweizweit gesenkt werden. Die Staubproduktion in der Landwirtschaft ging wie bei den anderen Staubquellen zurück.
Russ – etwa von Dieselmotoren – ist krebserregend. Deshalb empfiehlt es sich, mit Russpartikel-Filtern zu arbeiten. Die ganz kleinen Ammoniak-Partikel dagegen verbinden sich mit anderen Stoffen. Sie bleiben dann lange in der Luft und werden eingeatmet.
Viel Luft im Stall hilft Menschen und Tieren, besser zu atmen und gesund zu bleiben
Der stechende Ammoniak-Geruch tritt auch in Ställen auf. Peter Klauser von der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft beobachtet, dass der Trend zu Offen-Ställen positive Auswirkungen hat. Viel Luft im Stall sei gut für die Landwirte – und sicher auch für die Tiere.
Neben dauernden Belastungen richten auch einmalige Belastungen Schaden an. So ist die Asbest-Gefahr auch nach dem Verbot von 1989 in der Schweiz noch nicht gebannt. In vielen Gebäuden ist Asbest verbaut. Bei der Sanierung treten die Fasern wieder zutage und können Schaden anrichten.
Ninck erklärt, dass Asbest-Fasern Tumore vom Brust-/Rippenfell aus lösen. Diese sind meist nicht heilbar und führen nach durchschnittlich einem bis zwei Jahren zum Tod der Patienten führen. Heilungen sind leider nur sehr selten möglich.
Die Tumore treten typischerweise 20 und mehr Jahre nach dem Asbest-Kontakt auf. Lungen-Spezialisten rechnen damit, dass die Zahl der abestbedingten Tumore noch während einigen wenigen Jahren ansteigen wird und dann zurückgeht.
Daher gilt: Wer seinen Betrieb selber umbaut, muss das Baujahr der Gebäude kennen und herausfinden, welche Materialien zum Beispiel in Feuerschutz-Türen, Elektro-Installationen, Heizungsräumen, Böden, Plättli-Klebern oder im Dach verbaut wurden. Asbest-Prüfungen seien im Zweifelsfall erforderlich, sagt Ninck. Bei Nachweis von Asbest-Materialien ist eine fachgerechte Sanierung nötig.