Kurz & bündig
- Wenn alles nach Plan läuft, können LandwirtInnen ihre Tiere ab 2023 bei der Schweizer Hagel unter anderem gegen Afrikanische Schweinepest versichern.
- Versichert werden kann der Deckungsbeitrag pro Tierplatz.
- Die Emmental Versicherung und die Mobiliar bieten weitere Versicherungslösungen für Nutztiere an, so etwa für den Fall von Feuer im Stall oder bei einem Unfall des Tiers.
Im Dezember 2021 war die Afrikanische Schweinepest ASP nahe an die Schweizer Grenze gerückt. Deutschland hatte zu dieser Zeit schon über 1000 infizierte Wildschweine entdeckt. Da verkündete der Versicherungskonzern AXA, dass er sein Versicherungsangebot für Tierseuchen- und Pflanzenkrankheiten aufgeben werde. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt für SchweinehalterInnen.
AXA kommunizierte damals, dass die Prämien erhöht werden müssten, um die Risiken abzusichern. Der Versicherungsschutz könne nicht mehr zu fairen Preisen gewährleistet werden, schrieb die AXA an ihre Schweizer Kunden.
Ein Jahr später besteht die Gefahr eines ASP-Ausbruches nach wie vor. Doch mittlerweile ist eine neue Möglichkeit zur Tierseuchenversicherung in Sicht: Die Versicherungsgesellschaft Schweizer Hagel gab Ende September 2022 bekannt, dass sie das Tierseuchenportfolio von AXA übernehmen werde.
Für den Seuchenfall: Deckungsbeitrag pro Tierplatz versichern
«Wir haben uns mit AXA auf einen sogenannten Portfoliotransfer geeinigt. Das heisst, laufende Versicherungsverträge gehen zu denselben Konditionen auf die Schweizer Hagel über», erklärt Robert Wyss, Fachspezialist Tierversicherung der Schweizer Hagel. Konkret bedeutet das: Prämienberechnungen, Selbstbehalt und Entschädigungen bleiben dieselben wie bei der vorherigen Versicherungsanbieterin AXA.
Versicherungsangebote gibt es aktuell für Zucht- und Mastschweine sowie für Legehennen – und zwar gegen eine Vielzahl von Seuchen. Einige Beispiele:
- Legehennen: Salmonella-Infektionen, Vogelgrippe, Newcastle undRotlauf
- Schweine: Krankheiten wie EP (Pneumonie), PRRS, Rhinitisund Räude
- Schweine: hochansteckende Tierseuchen wie Maul- und Klauenseuche, Vesikuläre Stomatitis, Afrikanische Schweinepest ASP oder die klassische Schweinepest
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Im Schadensfall, wenn also eine Krankheit oder Seuche ausbricht, erfolgen kantonal unterschiedliche Entschädigungen an den Tierhalter. Im Falle einer hochansteckenden Seuche wird ausschliesslich der Tierwert vom Bund entschädigt.
Bei Schweizer Hagel können Betriebe ergänzend ihre Tierplätze versichern: «Das heisst, dass zusätzlich der Deckungsbeitrag pro Tierplatz versichert ist. Ein solcher Ausfall kann beispielsweise während behördlich verordneter Massnahmen zur Eindämmung der Seuchen vorkommen», sagt Wyss.
Bewilligung der Finanzmarktaufsicht Finma wird erwartet
Genau genommen sind solche Versicherungsmöglichkeiten noch Zukunftsmusik. Aktuell bietet Schweizer Hagel noch nichts dergleichen an. Die Transaktion der VersicherungsnehmerInnen von der AXA zu Schweizer Hagel ist bewilligungspflichtig, wie Robert Wyss erklärt: «Die Prüfung durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma ist im Gange. Wir sind guten Mutes, dass es per 1. Januar 2023 mit der Übernahme klappen wird.»
Der Deckungsbeitrag pro Tierplatz ist versichert.
Robert Wyss, Schweizer Hagel
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Sobald die Zustimmung der Finma vorliegt, werden die betroffenen Versicherungsnehmenden informiert und haben dann die Möglichkeit, vom Vertrag zurückzutreten. Erfolgt dies nicht, werden die laufenden Versicherungsverträge mit den Versicherungsnehmenden von der Schweizer Hagel zu denselben Konditionen übernommen.
Tierseuchen sind ein Risiko für Tierhalter und Versicherin
Die ASP und andere Tierseuchen stellen ein Risiko dar – nicht nur für die TierhalterInnen, sondern auch für die Versicherungsanbieterin. Für die AXA schien dieses Risiko zu gross geworden zu sein. Weshalb hat sich Schweizer Hagel für das Portfolio entschieden?
«Wir sind eine Genossenschaft in bäuerlichem Besitz. Mit dem Ausstieg der AXA aus diesem Versicherungsangebot wäre eine Lücke in der Versicherungsdeckung unserer Landwirtschaftsbetriebe entstanden», sagt Robert Wyss. Sie seien auf Vermittlung des Schweizer Bauernverbands SBV hin in die Gespräche eingestiegen. Nach genauer Analyse des Portfolios seien sie der Überzeugung, dass sie das Angebot weiterführen können, ohne übermässige Risiken einzugehen.
Ist Schweizer Hagel also im Schadensfall in der Lage, die Summen auszuzahlen? Robert Wyss bejaht: «Die Schweizer Hagel ist eine sehr solide finanzierte Agrarversicherungsgesellschaft.» Trotzdem dürften sie die Risiken aus dem Tierseuchengeschäft nicht unterschätzen. «Wir haben daher mit unseren Rückversicherungspartnern auch für das Epidemiengeschäft eine Rückversicherungsdeckung abgeschlossen», so Wyss.
Was ist eine Rückversicherungsdeckung?
Dabei handelt es sich um den Versicherungsschutz, der der Rückversicherer dem Erstversicherer (in unserem Beispiel der Schweizer Hagel) gemäss Vertrag gewährt.
Rückversicherungen versichern Versicherungen. Sie übernehmen damit einen Teil der Schadenslast von den Erstversicherern. Das Geschäftsmodell der Rückversicherungen basiert auf ihrer globalen und diversen Risikoabdeckung. Die grösste Schweizer Rückversicherung ist mit 50 Mrd Franken Umsatz die Swiss Re mit Sitz in Zürich.
Ein Detail am Rande: Auch Rückversicherungen können sich rückversichern. Der Fachbegriff dafür ist Retrozession, also Weiterrückversicherung. Da fühlt man sich ja fast wie der Troubadour Mani Matter beim Coiffeur.
Versicherung mindert das Risiko
Nebst den Seuchen sind Nutztiere weiteren Risiken ausgesetzt. Diese Risiken können LandwirtInnen mit verschiedenen Massnahmen senken. Eine Möglichkeit ist wiederum die Versicherung, erklärt Andreas Stucki von der Emmental Versicherung: «Mit den Tieren auf dem Landwirtschaftsbetrieb verhält es sich nicht anders als mit anderen Werten, wie etwa den Landmaschinen.»
Ihre KundInnen müssten sich überlegen, welche Schadenssummen selbst getragen werden können und ab welcher Summe das Risiko überwälzt werden müsse. «Jeder Betrieb macht ein Risikomanagement. Eine abgeschlossene Versicherung ist eine mögliche Massnahme, um das Risiko zu minimieren», so Stucki weiter.
Bei Botulismus oder Gaseintritt im Schweinestall
Die Emmental Versicherung bietet Lösungen für Schäden vom Stallbrand bis zur Unfallversicherung an. Mit enthalten ist auch eine sogenannte Grossschadenversicherung, welche Totalschäden abdeckt, wie sie bei Botulismus, Gaseintritt im Schweinestall oder Massenpanik mit toten Tieren im Geflügelstall geschehen können. Was im Portfolio der Emmental Versicherung fehlt, ist eine Seuchenversicherung.
Dass Schweizer Hagel die Tierseuchenversicherung übernehmen wolle, freue ihn sehr, sagt Andreas Stucki. «Das ist keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung zu unserem Angebot.» In ihrem Team kommen viele MitarbeiterInnen selbst aus der Landwirtschaft, was bei der Kundenberatung helfe, so Stucki. «Bei Tierseuchen fehlt uns das Wissen und auch die personelle Kapazität, eine Versicherungslösung anzubieten.»
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«Jeder zweite Landwirtschaftsbetrieb ist bei uns versichert»
Die Mobiliar ist vielleicht nicht die erste Versicherung, die einem für landwirtschaftliche Anliegen einfällt. Tatsache ist, dass die Mobiliar als älteste private Versicherungsgesellschaft die grösste Landwirtschaftsversicherung ist, erklärt Kim Allemann von der Mobiliar. «Jeder zweite Landwirtschaftsbetrieb ist bei uns versichert.»
Nutztiere können bei der Mobiliar gegen die klassischen Sachgefahren – Feuer, Elementarereignisse, Einbruchdiebstahl und Beraubung, einfacher Diebstahl – versichert werden. Zudem gibt es eine Tierunfallversicherung, die auch Botulismus-Fälle deckt.
Ergänzende Leistungen durch die Mobiliar
Die Mobiliar biete ausserdem ergänzende Leistungen zu regionalen Vieh- und Pferdeversicherungskassen an, erklärt Allemann: «Entschädigt die Viehversicherungskasse bis 80 Prozent des Marktpreises, übernehmen wir die restlichen 20 Prozent.»
Die Versicherung ihrer Tiere sei den LandwirtInnen ein Bedürfnis, beobachtet Kim Allemann. Dabei sei das Versicherungsinteresse über die Jahre etwa gleich. Etwas anders könnte es sich mit der geplanten Seuchenversicherung der Schweizer Hagel verhalten – jetzt, da das Risiko von Seuchen wie ASP oder Vogelgrippe hoch ist.