Kurz & bündig
- Besonders in der Westschweiz und Region Bern wiesen Kartoffeln vermehrt schlechte Backtests auf.
- Als Ursache kommen neben den schwierigen Wetterbedingungen drei Krankheiten in Frage: Verticillium, SBR und Stolbur.
- In Gebieten mit SBR-befallenen Zuckerrüben wurde das Bakterium Arsenophonus auf Kartoffeln gefunden. Dieses löst bei Zuckerrüben SBR aus.

Gemäss Andreas Keiser von der BFH-HAFL kommen drei Schaderreger als mögliche Ursache für die ungenügende Backqualität bei Kartoffeln in Frage: Der Pilz Verticillium dahliae, das Bakterium Candidatus Arsenophonus phyopathogenicus und Stolbur.

Arsenophonus ist das Bakterium, das in Zuckerrüben die SBR-Krankheit auslöst. Nebst den verdächtigten Krankheiten könnten Hitze- und Trockenstress die Symptome verstärken. Die Ungewissheit und das Fehlen von wirksamen Gegenmassnahmen führen zu einem Rückgang des Kartoffelanbaus.

In einem neuen Forschungsprojekt der BFH-HAFL und Agroscope in Zusammenarbeit mit der gesamten Kartoffelbranche sollen die genauen Ursachen bestimmt und schliesslich wirksame Bekämpfungsmassnahmen entwickelt werden (siehe Kasten «Forschungsprojekt soll Klarheit bringen»).

Produzenten machten ungewohnte Beobachtungen

Stefan Wyss und sein Cousin Daniel Wyss haben 2023 interessante und bedenkliche Beobachtungen gemacht. Die beiden sind Landwirte und Kartoffelproduzenten. Daneben ernten sie Kartoffeln im Lohn in der Region zwischen Bern und Solothurn. Dadurch sehen sie viele verschiedene Kartoffelfelder.

Letztes Jahr wurden grossflächig befallene Stauden gesichtet und Kartoffeln mit tiefem Stärkegehalt und schlechtem Backtest geerntet.

«Zuerst waren Vergilbungen in den Zuckerrüben zu beobachten», erzählt Stefan Wyss. Die Rüben seien innert weniger Tage komplett gelb geworden. Gleichzeitig habe man plötzlich Kartoffelstauden mit rotvioletten Blättern gesehen.

Die Symptome waren also nicht als klassische Vergilbung wie bei den Zuckerrüben sichtbar. Es habe auf den ersten Blick eher ausgesehen wie die bakterielle Welke.

Forschungsprojekt soll Klarheit bringen
In Zusammenarbeit mit der gesamten Kartoffelbranche haben die BFH-HAFL und Agroscope ein Forschungsprojekt für die Jahre 2024 bis 2027 beim Bundesamt für Landwirtschaft eingereicht. Mit der Untersuchung von Proben und engem Austausch mit ausländischen Forschungsgruppen sollen die Ursachen der ungenügenden Backtest bestimmt und praktikable Lösungen gefunden werden.

Das Projekt wird von der Vereinigung Schweizerischer Kartoffelproduzenten VSKP, Inoverde, Frigemo, der FFB Group (Teil der Migros-Industrie), Swisspatat, Bioreba und Terralog finanziell und mit Eigenleistungen unterstützt.

Viele kleine Luftknollen wurden auf den Dämmen gesichtet

Beobachtet wurden viele kleine Luftknollen oberhalb der Dämme, welche an den Kartoffelstauden wieder austrieben. Bereits vor der Krautvernichtung waren befallene Stauden abgestorben und nicht mehr mit der Knolle verbunden. Deshalb konnten die Kartoffeln auch nicht vollständig abreifen.

«Speziell war, dass nach der Krautvernichtung die gesunden Stauden wie gewohnt verdorrten, während die erkrankten Stauden auffällig grün blieben», schildert Stefan Wyss.

Die Symptome traten bereits Ende Juli, Anfang August 2023 auf. «Wir haben zu diesem Zeitpunkt Folienkartoffeln geerntet, aber diese waren alle gesund. Die Symptome traten hauptsächlich bei Freilandkartoffeln auf», sagt Stefan Wyss. Ausserdem seien spät gepflanzte Kartoffeln stärker befallen gewesen als früh gesetzte.

«Wahrscheinlich waren früh gepflanzte Kartoffeln auch etwas robuster gegenüber Krankheiten und Hitze, weil sie im Wachstum bereits weiter fortgeschritten waren», schildert Christian Mollet, Bio-Kartoffelproduzent und Mitarbeiter beim Lohnunternehmen Wyss-Wyss.

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«Auffällig war, dass die Pflanzen, welche im Schatten von Bäumen standen, grün blieben. Wir hatten einen Kunden, bei dem konnten wir eine Parzelle Agria am Waldrand entlang ernten. Die Menge, sowie die Qualität der Knollen war verhältnismässig gut», erklärt Daniel Wyss.

«Die Zikade mag es anscheinend nicht gerne kühl und schattig», folgert Stefan Wyss. «Ausserdem waren Parzellen in tieferen Höhenlagen und entlang von Gewässern stärker betroffen», beobachtete Christian Mollet.

Gemäss den Beobachtungen von Wyss und Mollet sind die Sorten Fontane, Agria, Pirol und SH C 1010 am stärksten betroffen gewesen. «Bereits im Jahr 2022 wiesen Kartoffeln auf einmal einen schlechten Backtest und tiefe Stärkegehalte auf. Man fragte sich, woher das auf einmal kommt», sagt Stefan Wyss.

Untersuchung auf Stolbur und SBR war negativ

Teilweise wurden auch sogenannte «Gummiknollen» gefunden. Dort stellt sich die Frage, ob das von der Krankheit Stolbur stammt. Diese Krankheit wurde vergangenes Jahr in Süddeutschland bei den Zuckerrüben nachgewiesen, aufgrund von «Gummirüben».

Nachdem die kranken Kartoffeln (Sorte Fontane) von Stefan Wyss bei den Probegrabungen schlechte Backtests aufwiesen, nahm Agroscope Proben. Diese wurden im Labor auf Stolbur und das Bakterium Arsenophonus getestet. Das Ergebnis war bei beiden Erregern aber negativ.

Das Problem der schlechten Backtests treibt viele Kartoffelproduzenten um. So auch die Betriebsgemeinschaft Rätz-Ritz-Hofmann aus Ruppoldsried BE. Sie machten einen Backtest von Kartoffeln mit grünen Stauden und mit abgestorbenen Stauden derselben Parzelle (siehe Abbildungen zu den Backtests). Das Ergebnis: Die Kartoffeln der abgestorbenen Stauden wiesen deutliche Verbräunungen und einen tieferen Stärkegehalt auf.

Betriebsspiegel der Familie Wyss
Stefan Wyss und Daniel Wyss bewirtschaften je 21 Hektaren Land in Messen SO und Balm bei Messen SO.

Kulturen: Kartoffeln, Raps, Zuckerrüben, Mais, Weizen, Gerste, Kunstwiese
Tierbestand: 24 Milchkühe, 21 Mastkühe
Weitere Betriebszweige: Lohnunternehmen Wyss-Wyss: Kartoffelernte im Lohn, Zuckerrübentransport
Arbeitskräfte: 4 Angestellte im Stundenlohn

www.wyss-wyss.ch

SBR, Verticillium oder doch Stolbur?

Agroscope und die BFH-HAFL arbeiten mit Hochdruck daran, herauszufinden, welche Ursachen für die schlechten Backtests und tiefen Stärkegehalte verantwortlich sein könnten.

Olivier Schumpp von Agroscope ist verantwortlich für die Gruppe Bakteriologie und Virologie. Er klärt über den aktuellen Forschungsstand auf: «Wir können im Moment noch nicht sagen, welche Krankheit für die schlechten Backtests verantwortlich ist.»

Denn alle drei verdächtigten Krankheiten können zu schlechten Backtests führen. Deshalb seien die Krankheiten von den Symptomen her schwer zu unterscheiden.

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Was man bereits sagen könne ist, dass man das Bakterium, welches SBR bei Zuckerrüben auslöst, bei Kartoffeln feststellen konnte. Und zwar in fast allen Sorten, die bislang getestet wurden. Aber man könne noch nicht sagen, ob ein direkter Zusammenhang zwischen den Symptomen und dem SBR-Bakterium besteht. Denn es wurden sowohl verbräunte als auch nicht verbräunte Kartoffeln von Pflanzen nachgewiesen, in denen das SBR-Bakterium gefunden wurde.

Schlechter Backtest in Gebieten mit SBR auf Zuckerrüben

Abo Die mit SBR befallenen Rüben vergilben und zeigen teilweise Nekrosen bei älteren Blättern. Ganz ähnliche Symptome zeigt auch die Infektion durch die viröse Vergilbung, weshalb die beiden Krankheiten auf den ersten Blick schwierig zu unterscheiden sind. Zuckerrüben «Mit Smart-Sorten in SBR-Befallsgebieten verliert man etwa 1'000 Franken pro Hektare» Sonntag, 17. Dezember 2023 Ein direkter Zusammenhang konnte jedoch festgestellt werden, welchen Christian Bucher von Swisspatat bestätigt: In Gebieten mit SBR befallenen Zuckerrüben wurden vermehrt Kartoffeln mit schlechtem Backtest geerntet. Daher sind vor allem die Regionen Westschweiz und das Seeland bis nach Solothurn betroffen. «In der Ostschweiz ist die Krankheit aktuell noch kein Thema, die innere Knollenqualität war in diesen Regionen verhältnismässig gut», erzählt Christian Bucher. 

Dies bestätigen auch Andreas Keiser und Olivier Schumpp. Die BFH-HAFL hat 40 Kartoffelproben der Ernte 2023 aus der Schweiz mittels qPCR-Test auf das Bakterium Arsenophonus (SBR bei Zuckerrüben) und Verticillium untersucht. 30 Proben stammten aus Gebieten mit SBR-befallenen Zuckerrüben. In vielen dieser Proben wurde das Bakterium Arsenophonus nachgewiesen. Die zehn Proben aus der Ostschweiz waren hingegen befallsfrei.

In der Ostschweiz tritt auch das Problem mit ungenügenden Backtests nicht auf. In zahlreichen Proben wurde aber auch der Pilz Verticillium dahliae gefunden, welcher ebenfalls die Ursache für ungenügende Backtests sein kann. Der Pilz wurde sowohl in den Proben der West- als auch der Ostschweiz gefunden.

Lösungen gefragt, um wirtschaftliche Verluste zu verhindern

«Aktuell ist es wichtig, dass wir nicht vorschnelle Schlüsse ziehen», sagt Andreas Keiser. Die Ursachen müssten sorgfältig abgeklärt werden, um schliesslich praktikable Bekämpfungsmassnahmen entwickeln zu können. «Wir sind uns aber bewusst, dass wir dringend Lösungen finden müssen, um grosse wirtschaftliche Verluste zu verhindern», so Keiser.

Eine gewisse Hoffnung bestünde bei der Sortenanfälligkeit. Ernteproben vom Jahr 2023 haben gezeigt, dass die Industriesorte Innovator im Verbreitungsgebiet von SBR in Zuckerrüben das Bakterium häufig tragen würde. Trotzdem gebe es bei dieser Sorte gemäss Frigemo kaum Beanstandungen vom Backtest.

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In Deutschland treten die Schäden vor allem in Gebieten mit SBR-befallenen Zuckerrüben auf. Studien aus Deutschland zeigen, dass die Schilf-Glasflügelzikade das SBR-Bakterium von Zuckerrüben auf Kartoffeln und umgekehrt übertragen kann. Zudem wurde bestätigt, dass die Zikaden ihren Wirtskreis erweitert haben und sich auch auf Kartoffeln vermehren können. Dies würde die Hypothese eines Zusammenhangs von SBR auf Zuckerrüben und Kartoffeln verstärken.

Ausserdem konnte in diesen Studien gezeigt werden, dass die Zikaden im heissen Sommer 2022 zwei Generation bilden konnten. «Je wärmer es ist, desto besser kann sich die Zikade vermehren», erklärt Stefan Vogel.

Das würde möglicherweise erklären, weshalb höher gelegene Gebiete weniger stark betroffen waren. Olivier Schumpp meint aber, dass die Zikade die extreme Hitze des Sommers 2023 und Trockenheit verschmähen würde. Das würde erklären, weshalb gemäss den Beobachtungen von Mollet gewässernahe Gebiete stärker befallen waren.

Stolbur in Deutschland verschärft die Situation

In Deutschland werde das Problem zusätzlich verschärft. Nebst Arsenophonus würde auch die Krankheit Stolbur sowohl in Zuckerrüben wie auch Kartoffeln auftreten, erklärt Keiser. Stolbur führt zu Gummiknollen bei Kartoffeln und Gummirüben bei Zuckerrüben. «Diese Krankheit ist bei uns ein geregelter Nicht-Quarantäne-Organismus mit Nulltoleranz», mahnt Keiser. Das heisst die Krankheit muss in der Produktion von Kartoffelpflanzgut kontrolliert werden und darf nicht vorhanden sein.

Stolbur befällt neben Kartoffeln eine grosse Anzahl Acker- und Gemüsekulturen wie Sellerie und Möhren sowie Wildpflanzen. Die Krankheit wird ebenfalls von Zikaden übertragen. «Das Hauptproblem bei uns ist aktuell das Bakterium Arsenophonus. Wir müssen aber aufpassen, dass sich Stolbur nicht wie in Deutschland ausbreitet», erklärt Keiser.

Die Anbaubereitschaft wird noch mehr sinken

Die Branche steht vor grossen Herausforderungen. Denn verbräunte Kartoffeln können nicht mehr zu Frites oder Chips verarbeitet werden. «Davon sind beträchtliche Flächen in der Westschweiz betroffen», mahnt Christian Bucher.

«Der Krankheitsdruck bei den Zuckerrüben in dieser Region ist hoch und wird nun auch bei den Kartoffeln hoch sein», sagt Christian Mollet. Die Anbaubereitschaft sinkt und Industriesorten würden abnehmen.

«Unsere Industriekartoffeln verfügten über einen schlechten Backtest. Deshalb wurden sie als Speisekartoffeln verkauft. Immerhin nicht als Futterkartoffeln deklassiert, aber der Preis war dennoch nicht befriedigend», erklärt Stefan Wyss. «Wir haben Respekt davor, die Qualität nicht mehr hinzubekommen», gibt Daniel Wyss zu bedenken.