kurz & bündig

- Die Landwirtin Petra Graber arbeitet als Betriebshelferin im Berner Oberland.
- Ihre Einsätze koordiniert der Betriebshelferdienst Amt Thun.
- Die Betriebshelferin schreibt Rapporte, die gesamte weitere Administration (inklusive Versicherungen) läuft über den Betriebshelferdienst.
- Petra Graber geht im Sommer auf die Alp, im Winter arbeitet sie als Betriebshelferin.

Die Betriebshelferin Petra Graber kann anpacken: Im Moment hilft sie auf einem Betrieb, dessen Besitzer sich von einem Schlaganfall erholen muss. Als Betriebshelferin mistet und melkt sie. Jeden Abend bringt sie die Milch Abend zur Käserei. Sie bereitet die Weiden vor und zäunt. Zudem kümmert sie sich um die Kälber.

Den Betriebsleiter hat sie davon überzeugt, dass die Jungtiere besser gedeihen, wenn sie nicht im selben Stall leben wie die Kühe. Die «Züglete» ist nun in vollem Gang: «Bei uns daheim halten wir die Kälber seit Jahren draussen. Sie sind viel gesünder», erzählt Petra Graber.

Petra Graber ist eine erfahrene und gefragte Betriebshelferin

Obwohl die junge Frau erst 21 ist, hat sie Erfahrung. Dadurch kann sie sich durchsetzen und wird auf den Be-
trieben akzeptiert und geschätzt. So sehr, dass es auch schon Leute gab, 
die sie für einen weiteren Einsatz 
als Betriebshelferin privat angefragt oder im Sommer auf der Alp besucht haben.

Weitere Einsätze nimmt sie gern an: Aber über den offiziellen Weg. Petra Graber ist beim Betriebshelferdienst Amt Thun angemeldet. Ihr Chef 
Ruedi Wyss bekommt die Anfragen der Landwirte und verteilt die Stellen.
Meist sind es Einsätze, weil jemand verunfallt ist oder eine geplante Operation während der ruhigen Zeit im Winter durchführt. Sie springt aber auch ein, wenn jemand in die Ferien reist. Petra Graber ist meist frühmorgens und abends auf dem Betrieb, bei Bedarf auch den ganzen Tag.

Sie erstellt Arbeitsrapporte und schickt diese an ihren Chef. Mit der Administration hat sie sonst nichts zu tun und ist froh darüber: «Das ist für mich die sicherste Variante, ich komme zu meinem Lohn und bin korrekt versichert.»

Ihr Chef wisse auch, wie sie gerne arbeitet: Anbindeställe sind ihr lieber als Laufställe, sie schätzt es, nicht zu weit weg von Sigriswil zu arbeiten, damit sie tagsüber auf dem elterlichen Betrieb helfen kann.
Oder am Skilift in Sigriswil. Ihr Onkel ist Betriebsleiter, die Tante kümmert sich ums Beizli und Petra macht «Aussendienst». Sie kontrolliert Billette und hilft beim Anbügeln – wenn es genügend Schnee hat und der Skilift läuft.

Petra Graber machte ihre Ausbildung an der Bergbauern-Schule

Die ausgebildete Landwirtin hat nach dem Lehrabschluss im Sommer 2016 zuerst zwei Monate im Service gearbeitet. Ihre Lehre hat sie auf Betrieben in Bleiken, Meiringen und Sigriswil absolviert, die landwirtschaftliche Schule am Inforama in Hondrich. «Das hat gepasst, Hondrich hat ja 
den Ruf der Bergbauern-Schule», sagt Graber.

Und Bergbäuerin, das ist sie mit Herzblut: Auf dem elterlichen Betrieb hat sie in der 5. Klasse zum ersten Mal alleine den Stall gemacht. Der Vater habe neben der Landwirtschaft allerlei Engagements gehabt, die Mutter arbeitet 60 Prozent auswärts. So sei 
es für sie selbstverständlich gewesen, Verantwortung zu übernehmen und selbstständig zu werden.

Seit Kindesbeinen geht Petra Graber jeden Sommer auf die Alp

Den Sommer verbringt Petra Graber jeweils auf der Alp, auch das seit Kindesbeinen. Mittlerweile lebt Familie Graber den Winter über im Dorf Sigriswil, ab April ist Petra auf der Alp Wilerallmi und bereitet alles vor.

Mitte Mai kommen dann die eigenen 12 Kühe, 18 Jungtiere und ca. 70 fremde Rinder auf den 1200 m ü. M. gelegenen Betrieb.

Und Ende Mai zieht Petra Graber dann weiter auf die Alp Flühlauenen im Justistal. Dort ist sie mit einer zweiten Älplerin zusammen für die 
25 Kühe von 18 Bauern, für einen Stier und 18 Schweine verantwortlich. Der Höhepunkt ist dann der «Chästeilet» Ende September und die Alpabfahrt.

Den Winter verbringt Graber dann als Betriebshelferin. Die Unsicherheit, ob es genug Aufträge hat, macht ihr wenig aus. Und wenn es eng wird, springt sie auch sehr spontan ein: Einmal habe ihr Chef um 21 Uhr angerufen und sie gebeten, am nächsten Morgen anzufangen.

Betriebshelfer sagen auch mal einen Auftrag ab, wenn die Chemie nicht stimmt

Einen anderen Auftrag hat sie aber abgelehnt: Sie habe den Betrieb besichtigt, mit dem Betriebsleiter geredet und rasch gemerkt, dass ihr dieser die Aufgabe nicht richtig zutraut. «Das wäre nicht gut gegangen. Dabei müssten die Bauern doch froh um Hilfe sein und mir nicht dreinreden», findet sie.
Durchsetzen kann sie sich, auch wenn es manchmal zäh sei: «Etwa, wenn es darum geht, ob es den Tierarzt braucht oder nicht», sagt sie. Sie bringe dann Argumente und kann oft überzeugen, weil sie ausgebildete Landwirtin ist. Betriebshelfer ohne diesen Hintergrund und weniger Erfahrung hätten es sicher schwerer, sagt sie.

Betriebsspiegel der Familie Graber, Sigriswil BE

Daniel und Karin Graber mit Petra (21), Simon (18) und Flurin (13)

LN: 10 ha
Kulturen: Wiesen
Tierbestand: 12 Kühe, 18 Jungtiere Produktionsform: ÖLN
Zone: Bergzone 2
Arbeitskräfte: Die ganze Familie Graber

Petra Graber weiss, worauf sie 
bei ihren Einsätzen achten muss

Zudem überzeugt sie durch ihre Arbeit: Es brauche viel Flexibilität und sorgfältiges Arbeiten. Petra Graber legt Wert auf sauberes Melken, hat Keime und Zellzahlen im Auge, wenn die Milch in die Käserei geht. Sie achtet darauf, dass es rund um den Hof und im Stall sauber ist, wischt den Hofplatz und wäscht die Tiere.

Hat sie einen Notfalleinsatz, weiss sie sich zu helfen: «Melkmaschinen funktionieren alle ähnlich. Und für die Fütterung schaue ich, was im Tenn vorhanden ist.» Im Umgang mit ihren Arbeitgebern habe sie viel gelernt, erzählt sie. Sie sei offener geworden, spüre aber auch, wenn es keine Witzchen vertrage. «Dann sage ich halt 
etwas weniger.»

Sie schätzt es, viele kürzere Ein
sätze zu leisten: Den Winter 2018/19 hat sie auf zehn verschiedenen Betrieben verbracht. Weniger gut sei es im Winter vorher gelaufen: «Da hatte ich fast zwei Monate Zwangsferien», sagt sie. Finanziell sei das wenig problematisch, weil sie bei den Eltern wohnt und nichts abgeben muss. Dafür sei es klar, dass sie tagsüber mithelfe. Mit der Arbeit am Skilift verdient sie sich ein «Sackgeld».

Auf jedem Betrieb lernt sie, längere Einsätze verbinden

Die vielen kurzen Einsätze mag sie: «Ich lerne immer etwas, wenn ich verschiedene Betriebe sehe. Und wenn es mal nicht so passt, bin ich recht rasch wieder weg.» Einige längere Einsätze hat sie in sehr guter Erinnerung: «Und manchmal fällt es mir dann schwer, wieder zu gehen.» Auf einem Betrieb in Homberg hat sie schon mehrere Male gearbeitet und dort ein Gitzi aufgepäppelt. «Ich freue mich jedes Mal, wenn ich Gitzi Mädi wieder sehe.»

Die Zukunft von Petra Graber ist offen – aber sicher in der Landwirtschaft

Und wie sieht sie ihre Zukunft? Petra Graber überlegt. Ihr Vater sei erst 49, der Betrieb zu klein für zwei. Vorerst passt ihr das Modell, die Winter als Betriebshelferin und die Sommer auf der Alp zu verbringen.
Möglicherweise packt sie die Betriebsleiterschule an: «Es gibt ja Ideen, dass es nur noch Direktzahlungen gibt, wenn man eine höhere Ausbildung hat.» Petra Graber ist sehr skeptisch, ob sich das durchsetzen liesse.
Und hat eine klare Meinung, wenn es um Agrarpolitik geht: «Eigentlich müssten wir doch von unserer Arbeit leben können.» Sie arbeitet im Winter oft weit mehr als 10 Stunden am Tag, dann immerhin im Stundenlohn. «Da verdiene ich gut», sagt sie. Die Alpsommer seien finanziell eine ganz andere Sache – aber ihr sei die Freude daran wichtig. Dennoch: Dass viele Betriebe nur überleben, weil jemand auswärts arbeitet, findet sie tragisch.

In der Freizeit jodelt Petra Graber und züchtet Original Braunvieh

Neben der vielen Arbeit züchtet sie Original Braunvieh, ist im Organisationskomitee einer Jungzüchter-Viehausstellung und schreibt für ein Rasse-Heft.

Und jeden Dienstag probt sie im Jodlerklub: «Das ist mir extrem wichtig. Wenn es irgendwie geht, lasse ich keine Probe aus.» Und stösst mit diesem Wunsch auf viel Verständnis – ihr aktueller Arbeitgeber geht an ihrer Stelle in die Käserei, allenfalls würden auch Vater oder Bruder einspringen.

Ihr Freundeskreis sei klein geworden, seit sie die Lehre abgeschlossen habe, sagt Petra Graber: «Am Sonntagmorgen muss ich früh in den Stall, da liegt kein extrem langer Ausgang drin.»

Dennoch kann und will sie sich kein anderes Leben vorstellen. Sie mag die Arbeit mit den Tieren be
sonders, zäunt aber auch gern und pflegt die Weiden. «Voll verwurzelt» sei sie in Sigriswil und wohl ist ihr 
im Berner Oberländer Dorf mit Seeblick.

Hilfe für Betrieb und Familie

Betriebshelferinnen und Betriebshelfer gibt es in der ganzen Schweiz. Die Dienste sind kantonal organisiert. Die einzelnen Dienste haben Reglemente, welche regeln, wer die Kosten für einen Einsatz trägt und welches Anliegen in welcher Dringlichkeit behandelt wird.

Im Kanton Bern etwa organisiert die Landwirtschaftliche Betriebs- und Familienhilfe LBF die Einsätze.

Die Rechnungsstellung erfolgt über einen Arbeitsrapport. Die LBF ist als Arbeitgeberin für die An- und Abmeldung sowie Abrechnung der Personalversicherungen zuständig

Nationale/regionale Angebote: www.dgrn.ch/betriebshelfer