Auf das Fleisch der alten Legehennen hat niemand gewartet. Schliesslich gibt es das Fleisch des Mastgeflügels, welches effizienter produziert wurde und erst noch zarter ist. Doch deswegen die Althennen einfach entsorgen? Das wäre Verschwendung.

Das sehen auch die EierproduzentInnen so. Als die Grossverteiler Coop und Migros 2009 aus der Althennenschlachtung ausgestiegen waren, gründeten die ProduzentInnen 2012 die Genossenschaft Gallo Circle. Ziel von Gallo Circle ist bis heute die Vermarktung von Althennen als Lebensmittel.

Zahlen zu den Schweizer Althennen und deren Vermarktung
- 2022 wurden rund 1 Million Legehennen geschlachtet, was rund 40 % aller Legehennen in diesem Jahr entsprach.
- Die nicht als Lebensmittel verwertbaren Tiere werden direkt auf dem Hof euthanasiert und der energetischen Verwertung zugeführt.
240'000 der geschlachteten Legehennen wurden über Gallo Circle vermarktet.
- 230'000 der geschlachteten Legehennen wurden von kleineren Schlachtbetrieben verarbeitet und anschliessend direkt vermarktet.
- Die restlichen rund 500'000 geschlachteten Legehennen wurden von anderen Marktteilnehmern wie beispielsweise Hosberg vermarktet.

Gallo Circle hilft beim Schlachthof-Kauf mit

Bis anhin war die Hauptaufgabe von Gallo Circle, die Althennen auf einer Plattform zu sammeln und ihre Abnahme und Verwertung zu organisieren. «Die Vermarktung über die Plattform ist leichter, als wenn einzelne Akteure kleinere Mengen an Legehennen anbieten würden», erklärte Willi Neuhauser, Geschäftsführer von Gallo Circle, an der Tagung von Aviforum und Agridea im April 2023.

Nun ist ein neues Tätigkeitsfeld für die Genossenschaft hinzugekommen: Im Februar 2023 kaufte die ehemalige Gründerfamilie Stauss den Schlachthof in Ertingen (D) – zusammen mit den Schweizer Partnern «Cuisine Regional GmbH» und «Gallo Circle Genossenschaft».

Ertingen: Eine Stunde von der Grenze entfernt, nördlich des Bodensees. In diesem Schlachthof wurden schon vorher ein Grossteil der Schweizer Althennen geschlachtet. Doch im November 2022 musste die Oberschwäbische Geflügel GmbH OSG den Betrieb wegen Etikettenschwindel schliessen. Konventionelles Hähnchen sei als Bio-Fleisch und aufgetautes Fleisch als Frischware verkauft worden.

Schlachtkapazität für Schweizer Hennen gesichert

Es stellte sich die Frage, wie es mit dem Schlachthof weitergehen sollte und ob jemand anderes den Betrieb kaufen wollte. Nachdem ein gemeinsamer Businessplan erarbeitet und vom Verwaltungsrat von Gallo Circle abgesegnet wurde, konnte der Besitzerwechsel stattfinden. «Die Genossenschaft Gallo Circle erweitert und sichert mit ihrem Engagement die Schlacht- und Zerlegekapazitäten für die Schweizer Legehennen», sagt Willi Neuhauser.

Mit welchem Betrag sich Gallo Circle am Kauf beteiligt hatte, wollen sie nicht mitteilen, so Neuhauser: «Die Genossenschafter werden an der Generalversammlung am 1. Juni 2023 ausführlich über das Engagement informiert.»

Aktuell werden die Anlagen in Ertingen revidiert. Es sei geplant, im Sommer 2023 die Produktion wieder aufzunehmen, erklärt Neuhauser. Die Schlachtkapazitäten für die anfallenden Schweizer Leghennen – rund 2,5 Millionen Tiere – sind mit dem zusätzlichen Projekt Ertingen und zusammen mit den vorhandenen Schweizer Schlachtbetrieben sichergestellt.

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Nicht jede Anlage kann die Infrastruktur bieten

Weshalb werden die Legehennen überhaupt nach Deutschland gefahren, um dort geschlachtet zu werden? Das hat damit zu tun, dass heutige Geflügelschlachtanlagen auf Mastpoulets spezialisiert sind. «Legehennen haben einen deutlich filigraneren Körperbau und passen nicht in moderne Poulets-Schlachtanlagen. Zudem beschränken die hygienischen Vorschriften in den Schlachtbetrieben die Möglichkeiten», erklärt Willi Neuhauser.

Das bedeutet, dass nicht jeder beliebige Schlachtbetrieb infrage kommt. Der Schlachthof in Ertingen konnte die nötige Infrastruktur bieten.

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In Deutschland sind ausserdem die Kosten für die Schlachtung tiefer. Das ist insofern von Bedeutung, als dass die Althennen-Schlachtung grundsätzlich teuer ist. Denn die Nachfrage nach Suppenhühnern ist in der heutigen Schweizer Küche beschränkt: «Die Nachfrage stagniert seit Jahren auf ca. 500'000 Stück. Ein Ausbau im Absatz kann mit innovativen Convenience-Produkten wie Nuggets, Bratwürsten oder Burgern gefördert werden», sagt Neuhauser. Da nicht alle Althennen als Nahrungsmittel verkauft werden können, entstehen entsprechende Kosten, wenn die restlichen Hennen euthanasiert und anschliessend in die Biogasanlage geliefert werden.

Diese Kosten werden solidarisch unter den Gallo Circle-Mitgliedern aufgeteilt. Die Gebühren, die der Eierproduzent an Gallo Circle zahlt, sind nach Herdengrösse abgestuft und betragen im Schnitt 80 Rappen pro Tier. Für Tiere, die dem Lebensmittelkanal zugeführt werden, erhält der Produzent einen Bonus auf die gelieferten Tiere.

Diese 80 Rappen fliessen in die Richtpreis-Eierkalkulation des Handels ein. Das heisst, dass den EierproduzentInnen die Verwertungskosten indirekt über den Eierpreis vom Handel rückvergütet werden.

Schlachtbetriebe in der Schweiz
Nicht nur in Deutschland, auch in der Schweiz sind verschiedene Schlachtbetriebe in die Althennen-Verwertung involviert:

- Der Schlachtbetrieb des Unternehmens Kneuss in Mägenwil AG hat die Schlachtanlage so angepasst, dass ab dem 2. Quartal 2023 auch Legehennen geschlachtet werden können. Die Schlachtung in der Schweiz ist aber teuer. Deshalb wünscht Kunde Bell vorerst ausschliesslich Bio Knospe-Tiere, die auf dieser Anlage geschlachtet werden. Die hohen Schlachtungskosten in der Schweiz sind auch mit ein Grund, weshalb in Deutschland geschlachtet wird.

- Die Zusammenarbeit mit kleineren Schlachtbetrieben in der Schweiz konnte ausgebaut werden. 2022 wurden so 80'000 Tiere mehr geschlachtet.

- Ein offenes Bauprojekt für einen Schlachthof in Avenches VD wurde aus verschiedenen Gründen sistiert, unter anderem wegen einer Baueinsprache.