Wenn man verstehen möchte, wie weit in der Schweiz die Politik, Behörden, Justiz und Gesellschaft von der Landwirtschaft entfernt sind, kann man Georg Oeschger fragen. Der 71-jährige Aargauer Landwirt verdiente schon als Fünfjähriger mit Mausen die ersten Batzen.

1955 hantierte Oeschger noch mit Bügelfallen. «Mit denen leiden die Schermäuse aber zu lange. Topcat-Fallen sind ineffizient, Giftköder verboten, und an der Knüppelmethode mit Benzinvergaser erstickt man selbst fast – oder knüppelt unsinnig lange.»

Heute schützt Georg Oeschger seine alten Hochstamm-Bäume mit wertvollen, seltenen Obstsorten mit einem Rodenator vor den gefrässigen Schermäusen.

Der Rodenator («rodent»: englisch für Nager) wurde in den USA 2003 zur Bekämpfung von Präriehunden entwickelt. Weltweit wurden über 23'000 Geräte verkauft, etwa 200 davon in der Schweiz. Agroscope führt in den «Pflanzenschutzempfehlungen für den Erwerbs-Obstbau» diesen Gas-Detonationsapparat auf. Auch im Bio-Landbau ist er gemäss dem FiBL erlaubt.

Über eine Lanze leitet Oeschger also ein Propangas-Sauerstoff-Gemisch rund 30 Sekunden in den Mausbau und bringt es dann zur Explosion. Durch die starke Druckwelle werden nicht nur die Schermäuse sofort getötet, das Gangsystem wird über mehrere Quadratmeter förmlich pulverisiert.

Der Knall ist so laut wie ein Gewehrschuss. Georg Oeschger trägt deshalb Gehörschutz und Sicherheitsbrille. Künftig muss er wohl noch einen Rechtsanwalt zum Mausen mitnehmen.

Denn ein Dorfbewohner alarmierte die Polizei, als Oeschger im November 2020 mit dem Rodenator hantierte. Die Polizisten behaupteten, der Rodenator sei illegal. Er sei exakt seit vier Tagen verboten – was komplett falsch ist.

Das Bundesamt für Veterinärwesen BLV stellte nämlich fest, dass der Rodenator in der Schweiz nicht verboten ist, «aber die Schadnager-Bekämpfung mittels Explosiva wird als nicht zulässig und potenziell qualvoll beurteilt.» Deshalb wurde der Landwirt in erster Instanz bestraft.

Georg Oeschger erhob Einsprache beim Bezirksgericht. Dieses verurteilte ihn im 26-seitigen (!) Urteil «schuldig der mehrfachen versuchten Tierquälerei» und damit zu 800 Franken Busse, 3300 Franken bedingter Geldstrafe und 2500 Franken Gebühren.

Der verurteilte Landwirt zieht das Urteil nun mit Unterstützung des Bauernverbandes Aargau an die nächsthöhere Instanz weiter, «denn sonst kann ich meine Hochstamm-Obstbäume gleich mit der Motorsäge bodigen.»

Soweit sind wir, dass 75 Hochstamm-Obstbäume mit wertvollen, resistenten Obstsorten umgesägt werden, weil ein paar Schermäuse nicht unschädlich gemacht werden dürfen. Da frage ich mich, wer hier einen Knall hat.