Die Agrarpolitik AP 22+ soll sistiert werden, fordert die Ständerats-Kommission WAK-S am 21. August 2020 vom Bundesrat. Die Vorlage enthalte «nur negative Punkte» und biete der Schweizer Landwirtschaft «keine langfristige Perspektive» (wir berichteten darüber: «Agrarpolitik AP 22+ wird sistiert, Landwirtschafts-Minister Parmelin muss über die Bücher»).

Der Schweizer Bauernverband SBV sieht im Entscheid zur Sistierung der umstrittenen Agrarpolitik AP 22+ naturgemäss «eine Chance, eine glaubwürdige Ernährungspolitik auszubauen». Grundsätzliche Fragen zur Land- und Ernährungswirtschaft der Zukunft seien noch nicht geklärt worden, und so erlaube der Entscheid des WAK-S eine Diskussion über eine zukunftsgerichtete und kohärente Ernährungspolitik. Eine solche Politik müsse von der Heugabel bis zur Essgabel greifen und allen Akteuren – auch den Bauernfamilien – wirtschaftliche Perspektiven bieten.

Ähnlich tönt es beim Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverband SBLV, der hofft, «dass mit diesem Entscheid der WAK-S wichtige Korrekturen in der Botschaft des Bundesrats vorgenommen werden können». Das sei nötig, um eine solide und kohärente Agrarpolitik zu erreichen. Der SBLV kritisiert die mangelnden Perspektiven für Bauernfamilien und für die junge Generation sowie auch die ungenügende Aufnahme von sozialen Aspekten.

Auch die Schweizerische Vereinigung für einen starken Agrar- und Lebensmittelsektor SALS-Schweiz / ASSAF Suisse begrüsst den Entscheid der WAK-S, da die Botschaft des Bundesrats noch zu viele Widersprüche enthalte. «2017 sei mit 78 Prozent Ja-Stimmen der Verfassungsartikel zur Ernährungssicherheit angenommen worden; das unterstreicht die Bedeutung der einheimischen Wertschöpfungskette und muss der Schwerpunkt der Agrarpolitik sein.» Die SALS-Schweiz sehe in der Botschaft des Bundesrates eine inakzeptable Reduktion von Ackerflächen, eine Senkung des Selbstversorgungsgrads und eine Schwächung des Pflanzenbaus.

Die Reaktionen der meisten anderen Organisationen – von der Agrarallianz über Bio Suisse bis zu den Umweltverbänden – fallen dagegen erwartungsgemäss deftig bis heftig aus:

Agrarallianz: Der Entscheid der WAK-S ist «inakzeptabel und eine agrarpolitische Ignoranz»

Für die Agrarallianz (der Zusammenschluss von 19 progressiven Organisationen entlang der Wertschöpfungskette der Schweizer Landwirtschaft) ist der Entscheid «inakzeptabel und eine agrarpolitische Ignoranz». Die Weiterentwicklung der Agrarpolitik sei dringend nötig. Mit dem Entscheid würden Probleme nicht gelöst, sondern auf Jahre hinaus agrarpolitisch ignoriert.

Bio Suisse: AP 22+ Sistierung ist «Arbeitsverweigerung des Ständerates»

Bio Suisse spricht von einer «Arbeitsverweigerung des Ständerates». Die Bio-Organisation fordert Lösungen für die drängenden Probleme und nicht politisches Hickhack. Das würde den Bauernfamilien auch Planungssicherheit gewähren. Nach dem Sistierungs-Entscheid drohe ein Machtwort des Volkes mit einem Ja zu den hängigen Landwirtschafts-Initiativen, so Bio Suisse.

WWF, Pro Natura, BirdLife Schweiz und Greenpeace Schweiz: «Verweigerung»

Die Umweltorganisationen WWF, Pro Natura, BirdLife Schweiz und Greenpeace Schweiz bekunden ihre Unzufriedenheit mit dem Entscheid der Wirtschaftskommission des Ständerates WAK-S. Es sei «eine Weigerung der Kommission, den Verfassungsauftrag zur Ernährungssicherheit zu realisieren», heisst es. Dadurch werde der Rückhalt für die Schweizer Landwirtschaft in der Bevölkerung gefährdet. Umweltprobleme und Verlust der Biodiversität würden aufgrund der Verzögerung zunehmen. Eine Ablehnung der Sistierung seitens des Ständerates sei dringend nötig.