Seit Langem wissen wir, dass auch auf einem funktionierenden Markt die Preise nicht alle Kosten widerspiegeln. Diese Kosten für Schäden, die man einem Verursacher nicht in Rechnung stellen kann, weil sie die Allgemeinheit betreffen, werden als externe Kosten oder externer Effekt (auch Externalität) bezeichnet.

Typisches Beispiel ist die «Gratis-Verschmutzung» von Luft oder Wasser durch Schadstoff-Emissionen, die mit Produktion, Konsum und Transport verbunden sind.

Genau so gibt es aber auch externen Nutzen. Wenn etwa ein Imker Honig erntet, dann stellt er den damit verbundenen Bestäubungsnutzen seiner Bienen der Allgemeinheit kostenlos zur Verfügung.

Um externe Kosten zu berechnen, werden eine Menge Studien in Auftrag gegeben, die dann mit «exakten Zahlen» aufwarten. Die Resultate hängen aber stark von den Interessen der Auftraggeber ab. Je nach Situation geht es darum, die externen Kosten entweder klein oder gross zu rechnen.

Das ist bei der Landwirtschaft nicht anders. Meistens werden dort Studien zu externen Kosten von Organisationen in Auftrag gegeben, die den Bauern nicht freundlich gesinnt sind. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe:

  1. Von Umweltschutz- und Tierschutz-Organisationen sowie grünen Politikern werden die Landwirte als Umweltsünder angeprangert.
  2. Die Wirtschaftsverbände ärgern sich über die Opposition der Landwirte gegen Freihandelsabkommen.

Diese unheilige Allianz hat deshalb ein Interesse aufzuzeigen, dass die Schweizer Landwirtschaft viel kostet, aber wenig bringt.

Im Januar 2020 präsentierte die Denkfabrik Avenir Suisse eine Studie mit dem Titel «Weiterhin wachsende Kosten der Landwirtschaft», in der behauptet wird, dass die Schweizer Landwirtschaft insgesamt 20,7 Mrd Franken Kosten pro Jahr verursacht. Ein wesentlicher Teil davon sind externe Umweltkosten, die Avenir Suisse auf über 7 Mrd veranschlagte.

Doch wie kommt man auf die 7 Milliarden? Im Wesentlichen wird ein wenig fundiertes Resultat einer internationalen Studie zu den Kosten von Biodiversitäts-Verlusten willkürlich auf die Schweizer Landwirtschaft übertragen und angelastet!

Vorsichtiger und besser begründet sind die soeben publizierten Zahlen der Denkwerkstatt Vision Landwirtschaft, welche die landwirtschaftliche Produktion aus ökologischer Perspektive kritisiert. Die Studie «Kosten und Finanzierung der Schweizer Landwirtschaft» berechnet die externen Kosten mit 3,6 Mrd Franken, die sich aber vollkommen anders zusammensetzen als bei Avenir Suisse. Das liegt daran, dass eine ganz andere Methode gewählt wurde, die sich an den Outputs in die Umwelt (Emissionen) orientiert. Den grössten Beitrag liefern jetzt Ammoniak-Emissionen mit 1,7 Mrd Franken.

Aaaber – 2018 hatte Vision Landwirtschaft in ihrer Studie «Kosten und Finanzierung der Landwirtschaft» die externen Kosten der Landwirtschaft mit nur 0,9 Mrd berechnet. Sind die externen Kosten also in nur zwei Jahren um fast 3 Mrd gestiegen? Die Antwort lautet: Nein. Man hat einfach neue externe Kosten «gefunden». Diese werden möglichst hoch gerechnet und gleichzeitig die gemeinwirtschaftlichen Leistungen und damit der externe Nutzen der Landwirtschaft (z.B. die Pflege der Kulturlandschaft) tief gerechnet. Diese machen nur noch 1 Mrd aus, obwohl der Bund den Landwirten viel mehr zur Abgeltung dieser Leistungen zahlt.

Was schliessen wir daraus? Studien zu externen Kosten sind meistens interessengeleitete Zahlenspiele, die politischen Zwecken dienen. Es sind Schätzungen aufgrund bestimmter, keineswegs zwingender Annahmen. Solche Schätzungen kann man machen. Aber es ist wissenschaftlich unzulässig, solche Schätzungen zu den tatsächlichen Produktionskosten der Schweizer Landwirtschaft hinzu zu zählen und zu behaupten, das seien die gesamten Kosten der Landwirtschaft.

 

Mathias Binswanger

Der Ökonom Mathias Binswanger (57) ist Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW in Olten und Privatdozent an der Universität St.Gallen.

Das jährliche Ökonomen-Einfluss-Ranking der «Neuen Zürcher Zeitung» zählt Binswanger seit Jahren zu den drei einflussreichsten Ökonomen der Schweiz.