Kurz & bündig
- In der Schweiz fällt der Methanausstoss von Kühen stärker ins Gewicht als in anderen Ländern.
- Wenn das Grasland allerdings über die Verwertung durch Kühe genutzt und zur menschlichen Ernährung beitragen soll, dann ist der Methanausstoss eine zu akzeptierende Konsequenz.
- Es gibt verschiedene Massnahmen, mit deren Hilfe Methan etwas reduziert werden kann. Jedoch sind die Effekte gering oder es fehlen Langzeitstudien, die zeigen, wie lange die reduzierende Wirkung anhält.
Eine Kuh scheidet jedes Jahr rund 130 kg Methan aus – auf die Schweizer Kuhbestände hochgerechnet, kumuliert sich eine Methanmenge, die als klimarelevant einzustufen ist. Dies schreibt das Forschungsinstitut für biologischen Anbau (FiBL) im aktuellen Faktenblatt «Kuh und Klima». Die AutorInnen erklären, dass die landwirtschaftlich verursachten Methanmengen in der Schweiz aufgrund weniger Schwerindustrie und fossiler Energiegewinnung einen grösseren Anteil an den Gesamtemissionen ausmachen als etwa in Deutschland.
Das von Kühen ausgestossene Methan unterliegt einem natürlichen Kreislauf. Dabei nehmen Kühe Kohlenstoff aus dem Futter auf, wandeln ihn unter Ausschluss von Sauerstoff durch ihre Verdauung in Methan um und scheiden dieses wieder aus. Das Methan gelangt so in die Atmosphäre, wo es zersetzt und erneut in CO₂ und Wasser umgewandelt wird. Das CO₂ wird von Pflanzen aufgenommen und wiederum von Wiederkäuern gefressen.
«In der Zeit, in der es existiert, wirkt sich Methan schädlicher auf das Klima aus als CO₂. Schaut man sich allerdings das gesamte System an, müssen wir sehen, dass das frei werdende CO₂bei der Verbrennung von fossilen Quellen im Gegensatz zu Methanausstoss der Kühe nicht Teil eines natürlichen Kreislaufes ist, sondern immer zusätzlich. Das ist das grössere Problem», sagt Stefan Probst, Leiter der Fachgruppe Nutztierwissenschaften und Dozent für Tierernährung an der Hochschule für Forst-, Agrar- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL).
Emissionen vermindern oder das Grasland sinnvoll nutzen?
Eine Frage der Perspektive also. Dies bestätigt auch Florian Leiber, Leiter der Fachgruppe Tierernährung am FiBL: «Es gibt sowohl gesellschaftliche als auch wissenschaftliche und wirtschaftliche Perspektiven auf dieses komplexe Thema. Manche fokussieren sehr eng auf die reine Emission, andere stellen das in grössere Zusammenhänge.» Betrachte man das gesamte System, müsse eine Güterabwägung zwischen reiner Emission und dem Sinn und Nutzen der Rinderhaltung gemacht werden, so Leiber.
In der einen Waagschale liegt demnach die Verminderung von Emissionen. «Global betrachtet, stammen je nach Berechnung drei bis sechs Prozent der CO₂-Äquivalente aus Wiederkäuermethan. Wenn wir das auf einen Schlag auf Null setzen könnten, hätten wir einen dementsprechend mindernden Effekt. Dieser würde aufgrund der Kurzlebigkeit des Methans für etwa zwölf Jahre anhalten. Das sind also für zwölf Jahre etwa fünf Prozent Verlangsamung unserer Emissionen bei vollständiger Abschaffung aller Wiederkäuer.»
In der anderen Waagschale läge die Nutzung der Graslandressourcen, die weltweit und auch in der Schweiz einen sehr grossen Anteil an der landwirtschaftlichen Nutzfläche haben. Diese nicht mehr zu nutzen, bedeute nicht nur die vollständige Abhängigkeit der Menschheit vom Acker, sondern auch den Verlust dieser Graslandflächen, ihres Ernährungspotenzials und ihres ökologischen Wertes durch Vergandung und Verbuschung, erklärt Leiber.
«Der Verlust dieser über Jahrhunderte entstandenen Weideflächen wäre für spätere Generationen nur sehr schwer rückgängig zu machen, falls das Ackerland nicht resilient genug wäre, um die Ernährungssicherheit regional und global zu gewährleisten. Hinzu kommen der Beitrag des Rinderdungs zur Bodenfruchtbarkeit und weitere Ökosystemleistungen des Graslandes», sagt Florian Leiber.
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Dank Wiederkäuern wird aus Gras Nahrung für Menschen
Wiederkäuer liefern in der Schweizer Landwirtschaft 152 000 Tonnen Lebensmittelprotein, Monogastrier wie Schweine im Vergleich dazu «nur» 64 000 Tonnen. Das FiBL unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass der grösste Teil des von Wiederkäuern erzeugten Proteins nicht aus Ressourcen stammt, die in einer Nahrungsmittelkonkurrenz zum Menschen stehen, wie etwa Soja und Getreide, sondern aus Gras, einer Ressource, die der Mensch nicht direkt verwenden könnte. «Ohne Wiederkäuer würde dieses pflanzliche Protein nicht zur menschlichen Ernährung beitragen», heisst es im Faktenblatt.
Hinzu komme auch, dass Naturwiesen und Weiden grosse Mengen an Kohlenstoff im Boden speichern. Würden diese Flächen zum Beispiel für eine Umnutzung als Acker umgebrochen, würde der darin gespeicherte Kohlenstoff wieder freigesetzt.
«Man muss sich fragen, was man will», unterstreicht Stefan Probst an dieser Stelle. «Wenn wir unsere 70 Prozent Grasland in der Schweiz nutzen wollen, dann muss es Wiederkäuer geben, und somit auch Methan. Das ist eine Konsequenz, mit der wir leben müssen.» Dennoch sucht man wie so oft nach der eierlegenden Wollmilchsau – oder eben der grasfressenden Kuh, die wenig Methan ausstösst. Wie stehen die Chancen? «Sehr bescheiden», antwortet Probst. «Man weiss, dass Rationen mit einem hohen Anteil an Maissilage und Kraftfutter den Methanausstoss senken können. Aber in der Schweiz wird eben Wert darauf gelegt, dass die Kühe das Gras fressen. Worauf wir uns eher besinnen müssen, ist eine dem Standort angepasste Fütterung, die auf unseren Futtergrundlagen basiert.»
Relative Methanausscheidung sinkt bei intensiver Fütterung
Florian Leiber ergänzt: «Mit einer intensiveren Fütterung steigt die Milchleistung und die relativen Methanausscheidungen pro Liter sinken. Allerdings werden die Klimaeffekte des ackerbasierten Kraftfutters dabei häufig nicht mit veranschlagt.»
Im Bio-Bereich komme die Intensivierung der Fütterung zudem nur sehr begrenzt infrage. «Es gibt aber trotzdem noch ein wenig Luft nach oben in der Verbesserung der Effizienz bei der 95 Prozent Raufutterfütterung», so Leiber. Im Labor konnte man zwar zeigen, dass die Fütterung pflanzlicher, tanninreicher Zusatzstoffe methanreduzierend wirkt. «Leider gibt es dazu viel weniger Tierversuche. Am Tier sind die Effekte wesentlich weniger eindeutig und stark», ordnet Leiber ein.
Rechnet man hoch, wie viel Anbaufläche man bräuchte, um für die Schweizer Kühe die Kräuteranteile aus den wissenschaftlichen Versuchen zu realisieren, landet man meist bei utopischen Hektaren. Ein auf ätherischen Ölen basierendes Produkt, welches methanreduzierend wirken soll und in der Schweiz auf dem Markt ist, heisst Agolin. Das Klimaprogramm von Mooh basiert auf der Nutzung von Agolin als Methanhemmer. Teilnehmende LandwirtInnen können dabei für dessen Einsatz entschädigt werden.
Auf dem Markt sind auch synthetische Methanhemmer, wie zum Beispiel das Produkt Bovaer. Es unterdrückt ein methanproduzierendes Enzym im Pansen, ohne dabei andere wichtige Mikroorganismen anzugreifen. «Bovaer ist eine auch in der Schweiz zugelassene, rein chemische Substanz, deren methansenkender Effekt über kurze Zeiträume hinweg nachgewiesen werden konnte», sagt Stefan Probst und erklärt: «Die Effekte, die Bovaer über längere Zeiträume hat, können zurzeit noch nicht abgeschätzt werden. Wie lange und wie konstant der methansenkende Effekt von Bovaer anhält, ist ebenfalls noch nicht abschliessend geklärt.»
Was allerdings gezeigt werden konnte, ist, dass Bovaer eine grössere methansenkende Wirkung habe, wenn die Ration Maissilage-basiert, anstatt Grassilage-basiert sei, fügt Probst hinzu. Bei Weidehaltung oder reiner Heufütterung ist Bovaer nicht einsetzbar. Aufgrund seiner synthetischen Basis spielt es auch in der Bio-Tierfütterung keine Rolle.
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Züchterische Lösungen oder Nutzungsdauer verlängern
Auch züchterisch beschäftigt man sich in ganz Europa mit dem Thema und sucht nach niedrig emittierenden Genotypen, berichtet Florian Leiber und erzählt: «Eine ganz neue Studie der ETH hat für mich erstaunlich grosse Unterschiede zwischen Braunvieh- und Holsteinkühen gezeigt.» Hier sei allerdings noch ein langer Weg zu gehen. Was bislang fehle, sei eine verlässliche Messtechnologie im Stall, um überhaupt belastbare Daten von den Betrieben zu erhalten.
Eine Massnahme, die das FiBL aktuell vorschlägt, ist die Verlängerung der Nutzungsdauer der Milchkühe, verbunden mit einer engeren Kopplung von Milch- und Fleischproduktion.
«Wir können zeigen, dass bei einer entsprechenden Änderung der Produktionssysteme etwa 10 Prozent Methaneinsparungen möglich wären, ohne Reduktion des produzierten Proteins aus Milch und Fleisch», berichtet Leiber. Je länger eine Kuh lebt und leistungsfähig bleibt, desto besser verteile sich der Stoffwechselumsatz sowie die Methanemission auf jedes produzierte Kilogramm Milch, schreibt das FiBL in seinem Merkblatt dazu. Diese Massnahme sei für Bio-Produzenten der realistischste und passendste Ansatz zur Minderung des Methanausstosses, so Leiber.
Krank wegen Futterzusatz?
Zahlreiche Studien beweisen den methansenkenden Effekt einer Zufütterung des Produktes Bovaer. In Dänemark wurde die Zufütterung von Bovaer beim Milchvieh daher seit dem 1. Oktober 2025 sogar Pflicht. Der dänische Milcherzeugerverband meldete eine Woche nach dem verpflichtenden Einsatz gehäuft Fälle von unfitten oder sogar kollabierenden Kühen. Die Situation in Dänemark sei noch ungeklärt und es sei noch zu früh, um sagen zu können, ob wirklich ein Zusammenhang besteht – darin sind sich Stefan Probst und Florian Leiber einig. Die dänische Universität Aarhus ist nun mit der unabhängigen Bewertung und Aufklärung der Fälle betraut.