Die St.Galler Kantonsregierung verfasst etwa alle zwanzig Jahre einen Bericht mit dem Titel «Perspektiven der St.Galler Landwirtschaft» (PDF zum Download). Das aktuelle 68-seitige Papier basiert auf Postulaten aus dem Kantonsrat rund um die Themenbereiche Bio-Landwirtschaft, Ressourcenschonung und Biodiversität aus dem Jahr 2018.

Der Kanton St.Gallen gehört zu den wichtigsten Agrar-Kantonen

Der Kanton St.Gallen gehört mit rund 4'000 der total 51'650 Schweizer Landwirtschafts-Betriebe zu den wichtigsten Agrar-Kantonen. Geprägt wird die St.Galler Landwirtschaft von einem relativ grossen Anteil an Haupterwerbs-Betrieben von 76 Prozent (Gesamtschweizerisch 71 Prozent) mit über 10'000 Beschäftigten und einer starken Alpwirtschaft.

33,5 Prozent der gesamten Kantonsfläche sind landwirtschaftliche Nutzflächen und 13,1 Prozent Alpweiden (26'500 ha für 22'000 Rinder, 20'000 Kühe, 12'000 Schafe und 10'000 Kälber). Die landwirtschaftliche Nutzfläche wird im Kanton St.Gallen wie folgt bewirtschaftet:

ProzentNutzung
83,1Grünland
13,0Ackerbau und Gemüsebau
3,4Obstbau
0,6Rebbau, Gartenbau

Der wichtigste Betriebszweig ist die Tierhaltung für die Produktion von Milch und Milchprodukten sowie für die Schweine-, Geflügel- und Eierproduktion. Im Vergleich mit anderen, stärker Ackerbau-orientierten Kantonen, hat der Pflanzenbau im Kanton St.Gallen einen kleineren Anteil.

Das landwirtschaftliche Einkommen der St.Galler Bauernbetriebe liegt mit 77'000 Franken (Talregion), 65'000 Franken (Hügelregion) und 58'000 Franken (Bergregion)über dem landesweiten Durchschnitt. Der Strukturwandel verläuft mit jährlich 1,6 Prozent Betriebsaufgaben gleichermassen über die Haupt- und die Nebenerwerbsbetriebe.

«Perspektiven-Bericht der St.Galler Landwirtschaft» der Kantonsregierung wird zerpflückt

2018 verlangten verschiedene Postulate aus dem Kantonsrat von der St.Galler Kantonsregierung eine umfassende Situations-Analyse und Überlegungen zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft.

Diesen Bericht zu den «Perspektiven der St.Galler Landwirtschaft» präsentierte die Kantonsregierung im April 2020. Mitte September 2020 wurde der Bericht im Kantonsrat diskutiert – und zerpflückt.

Bereits die vorberatende Kommission unter dem Präsidium von Barbara Dürr (CVP), der ehemaligen Präsidentin des Kantonalen Bäuerinnenverbandes St.Gallen, hatte das Aufzeigen von Entwicklungsmöglichkeiten und Massnahmen für die Nutzung vorhandener Potentiale vermisst.

Die Fraktionen im St.Galler Kantonsrat waren noch weniger zimperlich:

  • «Die Kantonsregierung getraut sich nicht, die richtigen Fragen zu stellen.» (SP)
  • «Das Postulat mit der Bio-Offensive ist klar nicht erfüllt.» (SP)
  • «Der Bericht wird dem Titel nicht gerecht, es fehlt die Perspektive.» (FDP)
  • «Leider gibt es im Bericht keine Massnahmen, um die Biodiversitäts-Krise zu stoppen.» (GLP)
  • «Für die Alpwirtschaft zeigt der Bericht wenig konkrete Massnahmen auf.» (SVP)
  • «Wir haben mehr erwartet, als nur das Aufzählen von Fakten.» (Grüne)

Heftige Debatte um die vier Landwirtschaftlichen Betriebe des Kantons St.Gallen

Debattiert wurde auch um die vier Landwirtschaftlichen Betriebe des Kantons St.Gallen. Die zwei kleineren Betriebe werden bereits nach Bio-Richtlinien bewirtschaften, die beiden grösseren Betriebe immer noch konventionell:

  • Psychiatrie St.Gallen Nord, Wil (5,2 ha Bio)
    Massnahmenzentrum Bitzi, Mosnang (25,2 ha Bio)
  • Landwirtschaftliches Zentrum Salez (36,7 ha konventionell)
  • Strafanstalt Saxerriet (139,5 ha konventionell) 

Grünliberale, SP und Grüne wollten auch Salez und Saxerriet bis 2024 auf Bio-Landbau umstellen. Dieses Ansinnen lehnte der Kantonsrat ab, beauftragte aber die Regierung, die Weiterführung der Landwirtschaftsbetriebe bis 2022 zu klären und das Landwirtschaftliche Zentrum Salez auf die Herausforderungen der neuen Agrarpolitik, der Digitalisierung und des Klimawandels auszurichten.

Bei der Beurteilung des ökologischen Ausgleichs und der Entwicklung von Biodiversitätsförderflächen auf den Landwirtschafts- und Sömmerungs-Betrieben soll es künftig um «Qualität statt Quantität» gehen. Diesen Grundsatz setzten CVP/EVP, SVP und eine Minderheit der FDP durch.

Die vorberatende Kommission möchte zudem, «Projekte fördern, um den St.Galler Alp- und Bergbetrieben Möglichkeiten zu schaffen, damit die dort produzierte Milch mit einer deutlich höheren Wertschöpfung verarbeitet und vermarktet werden kann».

Nach längerer Diskussion erteilte der Kantonsrat der St.Galler Kantonsregierung verschiedene Aufträge, um dem «Perspektiven-Bericht der St.Galler Landwirtschaft» tatsächlich Perspektiven hinzuzufügen.