Die Süsskartoffeln und Kartoffeln sind geerntet, der Körnermais gedroschen und den letzten Dinkel habe ich vor zwei Wochen gesät. Die Feldarbeiten sind damit grösstenteils abgeschlossen, und ich fühle mich gut, was nicht unbedingt selbstverständlich ist. Ich meine das primär in Bezug auf die Jahreszeit, wobei es ja auch sonst nicht immer so ist, dass einem die Sonne aus dem Allerwertesten scheint.
In den früheren Jahren war es meist so, dass ich nach dem arbeitsmässig stets sehr intensiven Herbst zunächst müde und auch lustlos war. Ich erledigte eine Zeitlang nur die Stallarbeiten und ansonsten bloss das Nötigste. Darüber hinaus kam ich schlicht nicht so recht in die Gänge. Ich fühlte mich ausgelaugt, in der Regel bereits nach der Süsskartoffelernte, einem Highlight des Jahres.
Gute Vorsätze für die Ernte 2023
Heuer nahm ich mir einmal vor, die Süsskartoffelernte und den ganzen Herbst gelassener anzugehen. Ich wollte den November nicht mehr wie ein sedierter Heugümper verbringen. Ich wünschte mir mehr Ausgeglichenheit, oder, in der Sprache der Milchbauern gesprochen: Eine bessere Persistenz.
Ein frommer Wunsch (an dem auch einige Jahrringe abzulesen sind), aber wie umsetzen? Da wäre zunächst das Ziel, in der Regel um 18 Uhr mit der Ernte aufzuhören. So sollte es anschliessend möglich sein, jeweils um 20 Uhr alles verräumt und für den kommenden Tag vorbereitet zu haben und mit leerem Kopf und hungrigen Bauch zu Abend zu essen. Und somit die Grundlage für einen erfolgreichen nächsten (und übernächsten …) Tag zu schaffen.
Das ist sogar grösstenteils gelungen. Das war jetzt nicht unbedingt eine Meisterleistung von mir, denn logischerweise hat das sehr gute Wetter im Herbst geholfen, dass ich das Ganze entspannter als auch schon angehen konnten. Wir mussten kaum je eine Strasse putzen und wussten, dass morgen auch noch schöner Erntetag auf uns wartet. So konnten wir auch einige Pannen – Nachbarschaftshilfe sei Dank – mit kühlem Kopf überbrücken.
Die Ernte ist nur ein Etappenziel
Entscheidend war aber wohl wie so oft im Leben die Einstellung. Ich wusste, dass nach der Ernte nicht einfach fertig lustig ist. Nach der Ernte ist vor der Bodenbearbeitung und dem Säen. Und vor den Aufräumarbeiten im Büro. Und vor den Planungen diverser Winterprojekte. Die Ernte war nur ein Etappenziel auf unserer «Tour de Landwirtschaft 2023», und nicht etwa das letzte Kapitel dieser Reise.
Ich denke, dass dieses Bewusstsein geholfen hat, um im Anschluss an die Ernte nicht in ein Loch zu fallen. Um zurück zum Vergleich mit der Persistenz bei Milchkühen zu kommen: Ich habe versucht, die Leistungskurve etwas zu glätten. Dass soll ja auch nachhaltiger sein. Was nützt es, wenn die Kuh auf dem Höhepunkt der Laktation 70 Liter gibt, welche mit teurem Ergänzungsfutter gekauft werden, bevor sie am Ende der Laktation verfettet?
Oder wenn ich in der Süsskartoffelsaison mit Red Bull geflutet und mit Nikotin vollgepumpt kaum schlafe und nach der letzten vollen Paloxe nur noch halblahm durch die Gegend schlurfe? Eben.
Bei Milchkühen ist die Sache mit der Persistenz teilweise erblich bedingt. Wie das bei mir ist, weiss ich nicht so genau. Die heurige Verbesserung zeigt mir aber, dass ich immerhin einen wesentlichen Teil selbst in der Hand habe. Und das stimmt doch zuversichtlich.
Hagenbuchs Randnotizen
Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er bewirtschaftet mit seinen Eltern einen Betrieb mit zwei Standorten in Rottenschwil und Unterlunkhofen im Kanton Aargau.
Hagenbuch erzählt in seiner Kolumne von Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischem Blick und einem Augenzwinkern.