Kurz & bündig

  • Landwirte pflegen jede zweite Strassenböschung in der Schweiz – von Flurwegen und Waldstrassen bis zu öffentlichen Strassen.
  • Die Landwirte leisten damit einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt. Sie erhalten dafür in der Regel aber keine Vergütung.
  • Dies, obwohl viele dieser Flächen durch die öffentliche Hand gepflegt werden müssten. Aber die Landwirte pflegten die Strassenböschungen «schon immer», weil sie an ihre Flächen grenzen.

Böschungen von Flurwegen und Waldstrassen, aber auch von öffentlichen Strassen, liegen oft «unter dem Radar» der Gemeinden. Jede zweite Böschung wird von Landwirten gepflegt. Das zeigt das Projekt «Ökologische Pflege der Verkehrsbegleitflächen des Kantons Bern».

Oft beinhaltet dies auch Flächen, die eigentlich durch die öffentliche Hand gepflegt werden müssten. Aber weil die Landwirte dies angrenzend an ihre Flächen schon immer besorgten, läuft es weiterhin so, ohne dass sie dazu verpflichtet wären oder jemand Danke sagt für diesen wertvollen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt.

Grosse Bedeutung für die Bienen und die Artenvielfalt

Gerade weil Strassenränder nicht ertragsrelevant sind, sondern gepflegt werden «müssen», sind sie oft ungedüngt, mager sowie extensiv genutzt – und dadurch artenreicher. Dies obwohl auf diesen Flächen meist keine Direktzahlungen anfallen.

Natürlich sind nicht alle Strassenränder artenreich. Es sind oft die ansteigenden und abfallenden Böschungen, an denen es im Sommer blüht und summt.

Auch an den Längsseiten von Ackerflächen finden sich vielfach seltene Acker-Begleitkräuter. Diese Böschungen werden ausser für die Pflege kaum befahren.

Gerade für die Bienen sind solche Restflächen von Mitte Mai bis Mitte Juli besonders wichtig. Dann, wenn Löwenzahn, Raps und Obstbäume verblüht sind, klafft für Honigbienen und Wildbienen eine sogenannte Trachtlücke. Und schlecht ernährte Bienen sind anfälliger für Krankheiten.

Das ist auch für Landwirte relevant: In der Schweiz hängen 300 Mio Franken Wertschöpfung im Obst-, Beeren-, Gemüse- und Ackerbau direkt von der Bestäubung durch Bienen ab.

Weil manche Landwirte die Strassenränder eher als «lästige» Restflächen sehen, sind sie sich gar nicht bewusst, dass sie dort einen wichtigen Beitrag an die Erhaltung der Artenvielfalt leisten könnten.

Dabei blühen an solchen Böschungen oft Blumen, die aus den Ertragsflächen längst verschwunden sind. Die botanische Artenvielfalt ist die Basis für eine Vielfalt an Kleintieren: Wo es Blumen hat, hat es auch Bienen und Schmetterlinge. Wo es Insekten gibt, hat es auch Vögel.

Optimale Pflege der Böschungen bedeutet, die Pflanzen absamen zu lassen

Dass Nützlinge, die in solchen Flächen zu Hause sind, in angrenzenden Acker-Kulturen Schädlinge räumen, ist bekannt. Dies ist in Zusammenhang mit der aktuellen Pflanzenschutz-Diskussion umso wichtiger. Wenn weniger Pestizide eingesetzt werden, kann Artenvielfalt ertragsrelevant sein.

Viele Faktoren bestimmen, wie und wann Böschungen gemäht werden sollten. Meist werden sie «irgendwann einmal» gemäht, wenn es gerade passt und jemand Zeit hat. Hauptsache, es gibt möglichst wenig Aufwand. Magere Böschungen reduzieren aber genau diesen Aufwand.

Dort, wo die Verkehrssicherheit relevant ist, bestimmt selbstverständlich das Lichtprofil, wann gemäht wird. Aber ausserhalb davon besteht ein Handlungsspielraum.

Damit die Vielfalt in den Böschungen erhalten bleibt, ist wichtig, dass die Pflanzen absamen können, genau wie auf den Q II-Wiesen. Dies wird durch spätes Bodenheu erreicht. Oder wo dies zu aufwendig ist, durch eine Nutzung ab August. Dann haben auch die meisten spätblühenden Arten abgesamt. Und plötzlich finden sich wieder Heuschrecken auf solchen Altgras-Böschungen oder vielleicht sogar eine Orchidee.

Im Unterschied zu einer frühen Mahd spart man bei mageren Flächen einen Mäh-Durchgang. Für wüchsigere Standorte empfehlen sich ein, zwei Schnitte mit einem Spätschnitt, damit sie nicht vergrasen.

Das Grüngut sollte auf jeden Fall abgeführt werden. Mulchen und liegenlassen erstickt viele feine Arten und wirkt wie eine Gründüngung – damit verarmt die Arten-Vielfalt.

Vielleicht braucht es auch weniger Perfektionismus: Wegborde müssen nicht a priori das ganze Jahr sauber gemäht sein. Weniger ist hier oft mehr.

Wer Freude hat an seinen Blumen, wird die Flächen von selbst schonend behandeln. Das heisst, möglichst wenig befahren sowie beim Düngen und Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln darauf achten, dass sie nichts abbekommen.

Was für Wegböschungen gilt, lässt sich auch auf Bachborde übertragen. Hier genügt oft ein einziger Schnitt im Spätherbst, wenn die dort lebenden Kleintiere bereits im Winterquartier sind. Für die eigentliche Ufer-Vegetation genügt oft sogar ein zweijähriges Mähregime.

Auch Strasseninspektorate achten stärker auf Artenreichtum

Auf eine arterhaltende Pflege achten im Übrigen auch immer mehr Strasseninspektorate, wie zum Beispiel im Kanton Bern. Die neue «Arbeitshilfe Grünpflege» legt dafür die Grundlage.

Im ersten Durchgang im Mai werden die sicherheitsrelevanten Flächen gemäht, die anderen lässt man zumindest abblühen. Dann folgen die nährstoffreichen, grasdominierten Böschungen. Die artenreichen Magerwiesen werden erst ab August gemäht.

Die Autoren: Christian Gnägi ist Projektleiter ökologische Böschungspflege im Kanton Bern. Ruedi Ritter leitet die Fachstelle Bienen im Inforama Zollikofen.

 

Strassenböschungen

Zur besseren Einbettung in die Topographie wird beidseits der Strassen eine Strassenböschung angelegt.

Strassenböschungen haben oft die typische Vegetation von Magerwiesen, weil in der Regel keine Düngemittel eingesetzt werden. Solche Magerwiesen sind im Schweizer Mittelland ein seltener Lebensraum.

Deshalb bieten Strassenböschungen zahlreichen Tier- und Pflanzenarten einen idealen Lebensraum. Einige der auf Böschungen anzutreffenden Arten sind heute bedroht.