Mortellaro (Dermatitis digitalis) ist eine der häufigsten Klauenerkrankungen bei den Milchkühen. Ausgelöst durch Bakterien, bilden sich die typischen Erdbeerartigen Warzen. Mortellaro ist in den aktiven Stadien ansteckend und für die Kühe dann auch schmerzhaft. Es führt zu einem Rückgang in der Milchleistung, zu fehlenden Brunstsymptomen oder verschlechterter Fruchtbarkeit.
Das Projekt «Gesunde Klauen – Das Fundament für die Zukunft» der Vetsuisse-Fakultät der Uni Bern beschäftigt sich stark mit Mortellaro. Es werden Risikofaktoren sowie geeignete Bekämpfungsstrategien untersucht. Und es werden systematisch Daten zur Klauenpflege gesammelt.
«Mittlerweile ist bekannt, was gegen Mortellaro hilft», sagt Maria Welham Ruiters, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Teil des Projektteams. Das Problem sei ein anderes: «Hat der Tierhalter die akuten Mortellaro-Fälle im Griff, darf er nicht mit der regelmässigen Kontrolle, Behandlung und Klauenpflege aufhören. Andernfalls kann Mortellaro wieder neu ausbrechen», mahnt sie.
Das bedeute einen grossen Zeitaufwand. «Ich empfehle, die Klauenkontrolle- und Behandlung fix auf einen bestimmten Wochentag zu legen, um ein Aufschieben zu verhindern.»
Stadien von Mortellaro
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Behandlung von Mortellaro bei einzelnen Kühen
1. Vorbereitung
Es ist wichtig, die Klauen zuerst zu waschen, um Mortellaro korrekt identifizieren zu können. Hat dann eine Kuh eine Mortellaro-Läsion, wird klar, dass behandelt werden muss. Weil die von dem Projekt empfohlene Paste (Novaderma) in der angewendeten Konzentration die gesunde Haut schädigt, muss die umliegende gesunde Haut geschützt werden – am besten mit Melkfett.
2. Wirkstoff anbringen
Anschliessend kann die Paste (beim Tierarzt erhältlich) auf die getrocknete Läsion aufgetragen werden. Zur Entnahme der Paste sind Handschuhe zu tragen. Die Paste sollte sauber entnommen werden. Dazu eignen sich Tupfer, Haushaltspapier oder das angewendete Verbandsmaterial selbst.
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3. Polstern
Anschliessend sollte ein leichter Verband mit Watte angelegt werden, um die Paste am Wirkungsort zu halten. Die Polsterung mit Watte verhindert, dass der Verband zu eng wirkt. Klauen und Fussungsfläche sollten frei gelassen werden.
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4. Elastische Binde
Zum Abschluss des Verbandes eignet sich eine selbsthaftende Binde. Auch hier soll die Fussungsfläche frei bleiben. Ein Schützen des Verbandes mit breitem Klebeband kann in Laufställen zum besseren Schutz vor Feuchtigkeit hilfreich sein. Dabei darf das Klebeband jedoch nicht direkt auf die Haut geklebt werden.
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Massnahmen gegen Mortellaro
- Aktive Beobachtung der Herde und sofortige Behandlung.
- Einzeltierbehandlung bei Mortellaro-Infektion.
- Auf die Hygiene achten und die Biosicherheit hochhalten (Klauenpflege-Equipment desinfizieren, Neuzugänge im Stall auf Mortellaro untersuchen, …).
- Hoher Kuhkomfort: So legen sich die Kühe gerne hin, was die Klauen entlastet.
- Die Stallböden sauber und trocken halten.
- Regelmässige Klauenpflege – insbesondere vor der Weidesaison und im Winter empfehlenswert.
- Fütterung optimieren und Stoffwechselerkrankungen vermeiden.
Kühe in den Klauenstand
Regelmässige Klauenkontrolle im Klauenstand ist zentral. Denn Achtung: «Nicht alle Kühe mit Mortellaro lahmen», sagt Maria Welham Ruiters von der Vetsuisse-Fakultät. Die Idee hinter der regelmässigen Kontrolle: Möglichst schnell reagieren, wenn eine Kuh eine Mortellaro-Läsion hat. So kann die Verbreitung auf die ganze Herde eingedämmt werden.
Gar kein Mortellaro mehr auf dem Betrieb zu haben, sollte angestrebt werden. «Das ist aber sehr aufwändig und schwierig – wenn nicht sogar unmöglich, solange es keinen strikt geschlossenen Kreislauf auf dem Betrieb und somit keinen Tierverkehr von ausserhalb gibt», erklärt Welham Ruiters.
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Waschen und desinfizieren
Eine regelmässige Reinigung und Desinfektion der Klauen fördert vorbeugend die Klauengesundheit. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten der Anwendung:
- Rückenspritze/Spray: 2× pro Woche alle 2 Wochen
- Klauenbad: 1× pro Woche,über 2 Tage (4 Melkungen nacheinander)
- Klauenwaschanlage (Roboter): waschen bei jedem Melkdurchgang, alle 2 Tage desinfizieren
Diese Desinfektion ist als Massnahme geeignet bei Kühen, die kein aktives Mortellaro-Problem haben. Kühe mit einem «Erdbeeri» bzw. einem Verband gehören nicht in das Klauenbad oder die Waschanlage. Diese müssen einzeln unter Verband behandelt werden.
«Gesunde Klauen»: Stand der Dinge
Das Projekt «Gesunde Klauen» wurde 2019 gestartet. Ziel des Projektes ist die systematische digitale Erfassung der Daten bei der Klauenpflege. Mit den Klauengesundheitsdatenkönnen Betriebe mit Klauenproblemen gezielt begleitet werden. Ausserdem können damit Kennzahlen und Zuchtwerte für die Klauengesundheit in der Schweiz entwickelt werden.
Nach sechs Jahren wird das Projekt Ende 2024 offiziell abgeschlossen. Ende 2023 gab es diese Zahlen zum Projekt:
- 65 ausgebildete Klauenpfleger
- 1103 Betriebe, die im Projekt integriert sind
- 147 493 Klauenpflegen an 4 Füssen in der Datenbank
- 175 durchgeführte Beratungsbesuche von «Problembetrieben»
2025 und 2026 wird darauf geachtet, ob die Wirkungbeibehalten wird. Ausserdem soll die Dokumentation der Klauenpflege aufrechterhalten bleiben. Wer diese und weitere Aufgaben von der bisher federführenden Universität Bern übernehmen wird, wird noch abgeklärt.
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Zuchtwertschätzung Klauengesundheit
Für April 2025 ist die Einführung einer Zuchtwertschätzung zur Klauengesundheit geplant. Die Daten zum Phänotyp stammten grösstenteils aus dem Projekt «Gesunde Klauen». Der Phänotyp ist das äussere Erscheinungsbild eines Tiers. In diesem Fall ist der Gesundheitszustand der Klauen relevant.
Ergänzt wurde mit Daten aus der digitalen Gesundheitsdatenerfassung der Zuchtverbände, erklärt Sarah Widmer, verantwortliche Genetikerin bei Qualitas. «Bei der Klauengesundheit ist das aktuelle Ziel, auch genomische Informationen zu berücksichtigen», so Widmer.
Noch ist die Zuchtwertschätzung in Entwicklung. «In einem ersten Schritt wird eine Zuchtwertschätzung für die Milchviehrassen entwickelt, da hier die Datengrundlage am besten ist. Für die Fleischrassen ist die Datengrundlage noch zu klein. Das schliesst eine Weiterentwicklung in Zukunft aber nicht aus», erklärt Widmer.
Die Zucht auf gesunde Klauen könnte erfolgreich werden: Noch sind die Heritabilitäten (Erblichkeit) aus den Schweizer Daten nicht bekannt. «Aus ausländischen Studien ist bekannt, dass für die verschiedenen Klauenkrankheiten Heritabilitäten zwischen3 und 10 Prozent geschätzt wurden. Dies sind eher tiefe Heritabilitäten, die aber für eine züchterische Bearbeitung der Merkmale ausreichen», sagt Widmer.