Kurz & bündig
- Ein Hobby hilft als Ausgleich zur hohen Arbeitsbelastung auf Landwirtschaftsbetrieben.
- Landwirte schätzen den Austausch mit branchenfremden Personen.
- Ob man sich Zeit für ein Hobby nehmen kann oder will, ist meist eine Organisationsfrage.
Peter Hodel aus Vechigen BE, Nicole Mühlestein aus Belp BE und Tobias Küng aus Därstetten BE sind Landwirte mit Leib und Seele. Sie haben arbeitsintensive Betriebe, auf denen es immer etwas zu tun gibt.
Die Arbeit ist aber nicht ihr ganzes Leben: Alle drei üben ein Hobby aus:
- Peter Hodel spielt Posaune in der Musikgesellschaft Ferenberg
- Tobias Küng schaltet beim Gleitschirmfliegen ab
- Nicole Mühlestein schwingt sich nach der Arbeit auf ihr Mountainbike
Weshalb tun sie das?
Die Zeit für ein Hobby ist gut investierte Zeit
«Mir ist es sehr wichtig, Kontakte zu Menschen ausserhalb der Landwirtschaft zu haben», erzählt Nicole Mühlestein, deren Freund ebenfalls Landwirt ist.
«Eine Zeitlang verkehrte ich fast nur noch in landwirtschaftlichen Kreisen. Da wusste ich manchmal kaum noch, worüber ich mit Nicht-Landwirten sprechen sollte», erinnert sich die 28-jährige Meisterlandwirtin, die ihren Betrieb seit 2018 führt.
Mit dem Mountainbiken hat sie einen idealen Ausgleich gefunden. Jeweils am Montagabend um 18.15 Uhr trifft sich Nicole Mühlestein mit ihren Kolleginnen und Kollegen. «Meistens klappt das. Wir sind jedoch eine flexible Gruppe. Es macht also nichts, wenn ich einmal nicht komme, weil wir gerade heuen oder sonst etwas Wichtiges ansteht», so Mühlestein.
Sie ist eher gestresst, wenn sie unumstössliche Fix-Termine hat. Ist da die Gefahr nicht gross, immer wieder Ausreden zu finden? An Arbeit mangelt es schliesslich nie. «Das stimmt», gibt Nicole Mühlestein zu. «Aber mittlerweile weiss ich, dass es sich lohnt, wenn ich mir diese Zeit einfach nehme. Auch wenn ich mich manchmal überwinden muss. So bin ich im Nachhinein doch immer froh, wenn ich Biken ging.»
Landwirtin Nicole Mühlestein muss sich für ihr Hobby nicht rechtfertigen
Nebst dem Überwinden eigener Hürden gibt es noch andere Hindernisse auf dem Weg zum Hobby, erzählt Nicole Mühlestein.
«Manchmal habe ich als Landwirtin das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen, wenn ich einmal nicht arbeite. Das ist doch Blödsinn: Die meisten Menschen haben vier Wochen Ferien und freie Wochenenden. Wir sollten uns manchmal auch mit diesen Personen vergleichen und nicht nur mit den Berufskollegen, die am meisten arbeiten.»
Trotz dieser Einsicht: Einfach fällt dies Mühlestein nicht.
Ebenso wichtig wie der Sport ist für Meisterlandwirtin Nicole Mühlestein das anschliessende Beisammensein in der Beiz. «Bei uns sind viele Altersklassen und Berufe mit dabei. Das gibt immer wieder spannende Gespräche. Man lernt dadurch auch die Konsumenten besser kennen, was sicher kein Nachteil ist, wenn man wie ich noch einen Hofladen hat», sagt Mühlestein und schmunzelt.
Die Posaune gehört seit Kindesbeinen zu Peter Hodel
In einem anderen Lebensabschnitt befindet sich Peter Hodel aus Vechigen. Der 59-Jährige hat den Betrieb per 2018 an Sohn Michael übergeben, arbeitet aber noch immer Vollzeit auf dem Hof.
Sein Hobby ist das Posaunenspiel in der Musikgesellschaft Ferenberg. Hodel ist aus mehreren Gründen froh, dass er von Kindsbeinen an musiziert hat.
«Es ist zum Glück unmöglich, anständig in ein Instrument zu blasen und gleichzeitig über den Betrieb nachzudenken», erklärt der Agronom.
Nebst dem Abschalten gibt es aber auch die reine Freude an der Musik. «Es ist einfach schön, wenn wir gemeinsam ein gutes Stück spielen können.»
Als Landwirt sei man zudem zwangsläufig eher Materialist: Man produziert, optimiert, kauft, verkauft. «Wenn man aber als Mensch nur Materialist ist, ist das nicht gut», gibt Peter Hodel zu bedenken. Musik ist für ihn eine Art immaterielles Gegenstück.
Musik-Proben gehören für Landwirt Peter Hodel fix zum Wochenplan
Anders als bei Mühlestein ist die Musikprobe ein fixer Bestandteil in Hodels Wochenplan. «In einer Musik-gesellschaft kann man nicht einfach absagen. Das wäre mühsam für alle anderen.»
So konnte sich Hodel in all den Jahren fast immer organisieren, dass er es pünktlich zur Probe geschafft hat. «Ohne diese Verpflichtung hätte ich wohl oft Ausreden gefunden», sagt er und lacht.
Wenn Hodel bereits als Betriebsleiter gerne seinem Hobby nachging, so schätzt er es heute, mit der Pensionierung vor Augen, zusätzlich aus anderen Gründen.
«Loslassen ist so schon schwer genug. Wenn ich aber kein Hobby neben dem Betrieb gehabt hätte, wäre es wohl noch anspruchsvoller», vermutet er.
Ähnlich wie Mühlestein schätzt auch Hodel die sozialen Kontakte, die sich durch die Musik ergeben. «Es tut mir gut zu sehen, dass meine Kollegen, die nicht aus der Landwirtschaft kommen, ganz ähnlichen Sorgen und Herausforderungen im Leben begegnen, wie ich als Landwirt.»
Heuen oder doch lieber mit dem Gleitschirm fliegen?
In seiner Freizeit hoch hinaus geht Landwirt Tobias Küng aus Därstetten. Sein Hobby ist seit zehn Jahren das Gleitschirmfliegen. Ein Hobby, das in regelmässiger Unregelmässigkeit zum Zug kommt.
Das Fliegen hängt stark von der Witterung ab. Ein kleiner Nachteil, gibt Küng zu. Denn: «Wenn das Wetter schön ist, dann ‹verheuen› wir manchmal die besten Flugtage», lacht der Agronom.
Gleitschirmfliegen als Hobby klingt für Unterländer exotisch, nicht aber für Küng. «Ich bin in einem Dorf mit Flugschule aufgewachsen. Bereits als Kind bekam ich mit, wie die Gleitschirmflieger bei uns vor der Scheune gelandet sind», erinnert sich Küng.
Auch ohne fix eingeplante Flugstunden könnte Tobias Küng nicht mehr ohne das Fliegen sein. «Es ist wie ein Virus: Ist man einmal infiziert, gibt es kein Zurück mehr.»
Anders als bei Hodel und Mühlestein geht es Tobias Küng beim Fliegen weniger um die sozialen Kontakte. «Ich komme generell viel unter die Leute, auch im Rahmen meines Nebenerwerbs an der HAFL. Ich geniesse es einfach, hoch oben in der Luft abzuschalten. Ich bin dann voll auf das Fliegen fokussiert.»
Bis vor Kurzem arbeitete er für eine Futtermittel-Firma im Aussendienst. Im Gespräch mit älteren Betriebsleitern habe er viel gelernt. «Keiner hat betriebliche Dinge bereut. Hingegen fanden es viele schade, dass sie sich nicht mehr Zeit für ein Hobby oder das Reisen genommen haben.» Das soll ihm selber nicht passieren.
Dass es mit dem Gleitschirmfliegen trotz viel Arbeit klappt, ist für ihn in erster Linie eine Organisationsfrage. «Mit den Eltern, dem Lehrling und dem Alp-Personal im Sommer haben wir zum Glück eine gewisse Flexibilität auf dem Betrieb. Das ist mir sehr wichtig und das will ich beibehalten.»
Ein Hobby ist auch für Landwirte ein langfristiges «Projekt»
Und wie geht es weiter? Nicole Mühlestein hofft, dass sie auch in 10 Jahren noch Zeit findet, um zu Biken. «Vielleicht werden die Pisten dann etwas weniger holprig und ungefährlicher sein als heute», lacht sie. Im Winter geht Mühlestein zudem gerne in den Schnee, und sie hat auch das Yoga für sich entdeckt. «Seither habe ich weniger Probleme mit dem Rücken.»
Fliegt Küng auch in zehn Jahren noch mit dem Gleitschirm über das Simmental? «Ich hoffe es sehr! Eher würde mich meinen Führerschein abgeben als das Flugbrevet», sagt Küng und lacht.
Peter Hodel seinerseits ist nicht sicher, wie lange er noch weiter musizieren möchte. «Wir haben eine ambitionierte Dirigentin und viele gute Musiker. Solange ich Freude habe und mithalten kann, mache ich vermutlich weiter.»
Dank dem Hobby lernt der Landwirt, dass er nicht unersetzbar ist
Peter Hodel macht sich aber zusammen mit seiner Frau Anne zunehmend Gedanken über Alternativen. «Wenn wir weniger auf dem Betrieb eingebunden sind, gibt das plötzlich ein grosses Vakuum. Das möchten wir möglichst sinnvoll ausfüllen können.»
Ein konkreter Plan dazu besteht noch nicht, dafür aber der Wille und die Bereitschaft, sich dieser Frage zu stellen. «Es ist ja eines der grossen Privilegien als Landwirt, dass man sein Leben selber skizzieren kann. Das haben wir als aktive Landwirte sehr genossen», so Hodel.
Jetzt kommt dann der Punkt, an dem es darum geht, das Leben danach bewusst zu gestalten. Durch das bisher vorhandene Hobby haben Hodels gelernt, dass sie nicht unersetzbar sind. «Hoffentlich hilft dieses Wissen, loszulassen und sich neuen Herausforderungen zuzuwenden.»
Betriebsspiegel
Nicole Mühlestein, Belp BE
- Betriebszweige: Legehennen, Milchvieh, Ackerbau, Hofladen
- LN: 25 ha
- Arbeitskräfte: Betriebsleiterin, Vater
Betriebsspiegel
Tobias Küng, Därstetten BE
- Betriebszweige: Milchvieh, Schweinemast, Direktvermarktung Alpkäse, Nebenerwerb HAFL
- LN: 28 ha plus 160 ha Sömmerungsfläche
- Arbeitskräfte: Betriebsleiter, Eltern, 1 Lehrling,2 Angestellte für die Alp
Betriebsspiegel
Peter Hodel, Vechigen BE
- Betriebszweige: Spargeln, Schnittblumen, Kürbisse, Mutterkühe, Ackerbau, Direktvermarktung
- LN: 20 ha
- Arbeitskräfte: Sohn Michael (Betriebsleiter), Peter und Anne Hodel, 1 bis 2 Lehrlinge, diverse saisonale Aushilfen