Appenzellerziege

Einst verhalf die Appenzellerziege ihren Heimatkantonen zu Gästen aus ganz Europa. Heute ist die Ziegenrasse gefährdet. Organisationen und der Staat helfen, die traditionelle weisse Ziege nicht verschwinden zu lassen.

Steckbrief

Gattung: Ziege (Capra)

Art: Hausziege

lateinischer Name: Capra aegagrus hircus

Rasse: Appenzellerziege

Ursprung: Kantone Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden

Beginn der Züchtung: bereits im 18. Jahrhundert, ab 1903 Zucht auf weisses Fell 

Gefährdungsstatus gemäss FAO: gefährdet (berücksichtigt werden u.a. Populationsgrösse und Anzahl männlicher/weiblicher Zuchttiere)

Masse

Widerristhöhe Ziege: 75 cm

Gewicht Ziege: 55 bis 65 kg

 

Typische äusserliche Merkmale

Weisses, mittellanges Fell. Kräftiger, kompakter Körperbau. Bart unter dem Kinn und Glöckchen (zwei Hautausstülpungen) an der Kehle. Meist ohne Hörner: Genetisch hornlos oder enthornt.

Leistungsdaten

Die Appenzellerziege ist eine Milchrasse. Ziegenmilch ähnelt von der Zusammensetzung her der Kuhmilch – wobei die Appenzellerziege eher tiefere Protein- und Fettwerte aufweist. Verglichen mit anderen Ziegenrassen ist hingegen die Milchleistung höher.

Milchleistung

Leistung: 750 kg Milch/Laktation

Fett: 2,79 %

Protein: 2,63 %

Laktationsdauer: 284 Tage

Das zeichnet die Appenzellerziege aus

Wie alle Ziegen ist auch die Appenzellerziege neugierig und ein Bewegungstier. Die Rasse gilt zugleich als ausgeglichen und zählt damit zu den ruhigeren Gemütern unter den Ziegen.

Die meisten Appenzellerziegen tragen keine Hörner. Viele von ihnen sind genetisch hornlos – gefragte Tiere. Doch auch die Hornträger sind wertvoll: Das Hornlos-Gen steht nämlich in Zusammenhang mit unfruchtbarem Nachwuchs, sogenannten Zwittern. Diese kommen gehäuft vor, wenn in der Zuchtpopulation zu viele hornlose Tiere vertreten sind.

Die Geschichte der Appenzellerziege

Die gefährdete Rasse

Beim «Öberefahre» spielt sie die Hauptrolle: Die Appenzellerziege. Mit dem «Öberefahre» ist die Alpfahrt in den Kantonen Appenzell Innerrhoden und Ausserrhoden gemeint. Diese wird immer angeführt von einer Gruppe Appenzellerziegen. Die weissen Tiere sind Tradition und Kulturgut im Alpsteingebiet.

Umgekehrt ist die Tradition für die Rasse ebenso wichtig: Sie ist ein wichtiger Grund, weshalb die Appenzellerziege überhaupt noch existiert.

Tatsächlich gilt die Appenzellerziege als gefährdet. Im Herdebuch sind nur noch rund 1200 Tiere eingetragen. Um 1900 herum waren es deren 5000. Was ist dazwischen passiert?

Die Anfänge

Die Ziegenzucht im Appenzell ist bereits seit dem 18. Jahrhundert bekannt. Ursprünglich wurden auch schwarze, rötliche oder gefleckte Tiere gezüchtet. Die Mehrheit der Ziegen trug jedoch schon damals ein weisses, langes Fell.

Ziegen waren selten der Hauptbetriebszweig einer Bauernfamilie. Früher war es üblich, dass Bauern auch ein paar Appenzellerziegen hielten, die mit den Kühen auf der Weide waren und auch im Stall nebeneinander angebunden wurden. Auch heute noch werden die Appenzellerziegen oft im Nebenerwerb gehalten.

Den Aufschwung erlebte die Rasse ab 1750 durch die Beliebtheit von Molkekuren. Molke ist die Restflüssigkeit, die nach dem Gerinnen des Käses übrig bleibt. Sie ist energiearm und enthält vor allem Wasser, etwas Milchzucker, Vitamine und Mineralsalze. Sie wurde als gesund gepriesen und bei verschiedenen Krankheiten verschrieben.

Als besonders heilsam galt die Molke aus Ziegenmilch, da die wählerischen Ziegen in den Bergen nur die besten Kräuter fressen.

Dank der Appenzellerziege florierten die Kurbäder in Gais AR, Weissbad AI und anderen Gemeinden: Um in der Molke zu baden oder davon zu trinken, kamen Gäste aus Europa in die Ostschweiz zur Kur.

Tiefpunkt: nur noch 406 Tiere registriert

Zur Blütezeit von Molkekuren und der Appenzeller Ziegenrasse wurde Letztere in die Kantone Zürich, Thurgau und sogar bis nach Preussen exportiert. Das war um die Jahrhundertwende. Gleichzeitig, genau ab 1900, wurde das erste Herdebuch der Rasse begonnen.

Doch kurz danach brach in Europa Krieg aus und damit brachen sowohl die Kurfahrten als auch der Ziegenexport nach Deutschland ein. Erschwerend kam für die Appenzellerziegen ihr langes Fell hinzu (siehe das Interview mit Thomas Herren, SZZV).

1936 war der Bestand der Appenzellerziege auf 406 Tiere geschrumpft. Dank der traditionellen Alpfahrt überlebte die «Appezölle Gääss» zum Glück bis heute. Mehr noch: Die Herdebuchzahlen konnten erhöht werden. Aktiv mitgeholfen haben dabei der Schweizerische Ziegenzuchtverband SZZV in Zusammenarbeit mit der Stiftung Pro Specie Rara und der finanziellen Unterstützung durch den Bund (ab 1999 bis heute).

Heute: Stabile Zahlen dank Brauchtum und Wertschöpfung

Heute steht die weisse Ziege nach wie vor für gelebtes Brauchtum. Daneben werden ihre Milch, der Käse und das Fleisch explizit als Appenzellerziegen-Produkte vermarktet. Das Ziel: Mehr Wertschöpfung für die ZüchterInnen generieren und damit auch die gefährdete Rasse fördern.

Züchterisch wird insbesondere auf das Verbessern etablierter Merkmale fokussiert: bessere Milchleistung, Robustheit beibehalten.

Die Population soll stabil bleiben, sogar ausgebaut werden – ohne dabei den Inzuchtgrad zu erhöhen. Ein Unterfangen, das Zeit und sorgfältige Zuchtplanung braucht.

Bestandesentwicklung

Seit den 1970er-Jahren wuchs der Bestand der Appenzellerziegen auf über 1000 Tiere.

In den letzten zehn Jahren stagnierten die Zahlen auf diesem Niveau. Der Knick zwischen 2014 und 2015 kommt durch eine administrative Bereinigung der Herdebuchzahlen zustande und ist kein eigentlicher Einbruch.

Bei der Zuchtarbeit muss unter anderem der Inzuchtgrad von 2,1 % im Auge behalten werden. Inzucht, die durch Verpaarung naher Verwandter entsteht, führt zum Verlust von Diversität der Gene.

Links & Quellen

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