Nach der Fruchtbarkeit und der Eutergesundheit gelten Lahmheiten laut der Universität Bern als dritthäufigste Abgangsursache beim Milchvieh. In den letzten 20 Jahren hätten sich die Lahmheitsfälle als Folge von Klauenerkrankungen sogar um das Fünffache erhöht.
Als wichtigster Faktor für diese Zunahme gilt neben der Haltung (Boden, Hygiene, Nässe und Schmutz), Genetik und Fütterung die Klauenpflege. Wie Klauenspezialist Karl Bürgi aus Wisconsin USA 2018 in der BauernZeitung über das nach wie vor hochaktuelle Thema schilderte, sind bei einer korrekten Ausführung der Klauenpflege die anderen genannten Einflüsse sogar zu vernachlässigen.
Der Tragrand trägt das Gewicht
«Wir haben viel zu wenig Klauenpfleger in unserem Land, die wirklich etwas von ihrem Handwerk verstehen», lässt sich Kuhsignaltrainer Christian Manser in einem früheren Artikel zum Thema zitieren. Oftmals werde statt einer funktionellen eine ästhetische Klauenpflege durchgeführt.
Dabei wird die Klaue mit dem Winkelschleifer zwar für das Auge in eine schöne Form gebracht, doch meist wird gleichzeitig zu viel entfernt. Davon betroffen ist oft auch der Tragrand, der die Klaue umgibt und das Tier trägt. Wird die Klauenbearbeitung richtig ausgeführt, liegt das gesamte Gewicht auf dem Tragrand.
Ein gesunder Tragrand ist hart und widerstandsfähig. Wird er hingegen mit dem Winkelschleifer bearbeitet, lässt er sich entfernen. Und genau dieser Fehler scheint laut Bürgi weitverbreitet. «Den Tragrand zu schneiden, heisst, das Fundament zu verlieren», so der Experte.
Kurze Klauen nicht schneiden
Doch wie schneidet man die Klauen richtig? Grob gesagt gilt: Bei kurzen Klauen sollte nichts geschnitten werden. Bei normalen Klauen wird nur wenig geschnitten, und das ausschliesslich in der vorderen Hälfte (in 7,5 cm Länge). Dieses Vorgehen sorgt dafür, dass das Gewicht auf die Klauenspitze verlagert wird.
Bei einer zu langen Klaue hingegen verlagert sich das Gewicht nach hinten. Der hintere Teil des Klauenbeins drückt auf die Lederhaut, was eine Lahmheit verursachen und Entzündungen begünstigen kann.
Finger weg von der Klauenspitze
Hat man die gewünschte Aufrichtung durch das Kürzen der Zehen erreicht, wird die hintere Aussenklaue der Trachtenhöhe der Innenklaue angepasst. Im dritten und letzten Schritt erfolgt das Erschaffen der Hohlkehlung – hinten an der Aussenklaue und vorn an der Innenklaue.
Der Bereich der Klauenspitze bleibt dabei unangetastet, denn nur die hinteren zwei Drittel der Klaue werden mit einer Hohlkehlung versehen. Damit wird das gesamte Gewicht auf den Tragrand verlagert. Zum Schluss wird das lose Horn im Ballenbereich entfernt und die Klaue ist fertig bearbeitet (siehe Bild).
Lahmheiten erkennen
Das rechtzeitige Erkennen von Klauenproblemen erfordert ein gutes Verständnis für Lahmheiten. Fehlt dieses, landen die Kühe zu spät im Klauenstand. Die Probleme verschlimmern sich rasant. Zur Beurteilung der Lahmheiten verwendet Bürgi das Drei-Punkte-System. Was sagen die Punkte aus?
1 – gesunde Kuh: Steht mit einem geraden Rücken und läuft mit einem geraden Rücken. Das heisst, eine normale Fortbewegung ist möglich. Sie trägt den Kopf höher und dieser macht beim Laufen keine Bewegung, der Rücken bleibt gerade, der hintere Fuss geht beim Laufen in den Abdruck des vorderen.
2 - Mittelmässige Lahmheit: Der Rücken ist im Stehen wie auch im Gehen leicht gekrümmt. Die Kuh trägt den Kopf tiefer und er bewegt sich beim Gehen, die Schritte sind kürzer. Trägt eine Kuh den Kopf tiefer und bewegt ihn, dann hat sie immer Schmerzen. Den Gang-Test darf man nicht auf dem Gummiboden machen, es muss ein harter Boden zum Test gewählt werden. Nach Möglichkeit Beton, da die Symptome auf der Gummimatte abgeschwächt werden.
3 - Die lahme Kuh: Rücken im Stehen und Gehen stark gekrümmt. Der Kopf wird tief getragen und macht starke Bewegung beim Abfussen der Kuh. sb