Kurz & bündig
- Resistenzen gegen Stress wie beispielsweise Trockenheit, sind heute bei der Pflanzenzucht wichtige Zuchtziele.
- Dank Hybridzucht, kann rasch auf ändernde Zuchtziele reagiert werden.
- Das Saatgut entsteht aus der Kreuzung reinerbiger Elternlinien.
- Bei der Hybridzucht entsteht ein Heterosiseffekt, welcher die Nachkommen stärker machen als die beiden Elternlinien.

KWS ist nebst anderen Kulturen vor allem bekannt für Zuckerrüben- und Mais-Saatgut. Welche Züchtungsmethoden werden bei diesen Kulturen angewendet?

Lucas Vogt: Hier züchten wir mit der Hybridtechnologie. Durch die Kreuzung zweier unterschiedlicher und reinerbiger Elternlinien wird ein Heterosis-Effekt erzielt. Das heisst, dass diese Nachkommen stärker sind als die Elternlinien. Sät man diese Körner aus, haben alle heranwachsenden Pflanzen die gleichen genetischen Eigenschaften und der Bestand wächst homogen heran.

Was bringt die Hybridtechnik aus züchterischer Sicht?

Man kann aus tausenden von Elternlinien die passende Paarung herausfinden, um Nachkommen mit den gewünschten genetischen Eigenschaften zu züchten. Das lässt sich einfach vergleichen mit der Viehzucht, wo durch gezielte Paarung ebenfalls ein Zuchtziel verfolgt wird.

Macht die Hybridzucht den Landwirt abhängig vom Saatguthersteller, da er das Saatgut nicht selber vermehren kann?

Ein Nachbau von Hybridsaatgut ist möglich, lohnt sich aber nicht, da die guten Eigenschaften einer Sorte verloren gehen. Das kann als Nachteil gesehen werden, anderseits kann der Saatguthersteller dank dem Saatgutverkauf in die Forschung und in die Entwicklung investieren und den sich ändernden Zuchtzielen anpassen.

Das zeigt sich darin, dass bei Hybridzucht der Zuchtfortschritt grösser ist als bei der Linienzucht, wo das Saatgut nachgebaut werden kann und ein Saatzuchtunternehmen deutlich weniger Einkommen generiert – respektive weniger Kapital für die Entwicklung neuer Sorten zur Verfügung steht.

Deshalb sehe ich es auch als Vorteil für den Landwirt, wenn der Züchter Geld verdient und dieses wieder in neue Sorten investiert. Die Anforderungen an die Pflanzenzucht sind mit der Reduktion des Pflanzenschutzes nochmals massiv angestiegen und deshalb muss investiert werden.

Das Hybridzuchtverfahren kennt man seit rund 100 Jahren. Wie haben sich die Methoden verändert?

Grundsätzlich geht es immer noch darum, passende Elternlinien auszuwählen und zu schauen, wie die Nachkommen gelingen. Für den Zuchtfortschritt muss man aus vielen reinerbigen Elternlinien auswählen können. Je grösser hier die Auswahl ist, desto rascher der Zuchtfortschritt.

Für reinerbige Elternlinien sind rund sieben Generationen mit aufwändiger Selbstbefruchtung notwendig, damit eine Reinerbigkeit von mindestens 95 Prozent erreicht wird. Mit dem abwechselnden Anbau der Linien auf der Nord- und der Südhalbkugel erreichte man dies in 3,5 Jahren.

Neue Methoden schaffen dies seit rund zehn Jahren in viel kürzerer Zeit. Dabei wird in einer Pflanze einer der beiden Chromosomen-Sätze eliminiert. Die Pflanze ist dann nicht mehr diploid (mit je einem Chromosomensatz vom Vater und von der Mutter), sondern haploid (mit nur einem Elternsatz). Dieser wird dann verdoppelt und die Pflanze ist reinerbig. Das lässt sich mit Keimzellen erzeugen und geht viel schneller als die bisherigen Verfahren.

Man muss dann aber immer noch die richtigen Elternlinien miteinander kreuzen, um zum Ziel zu kommen?

Auch hier wurden Fortschritte bei der Zuchtwertschätzung erzielt, indem die Selektion auf genetischen Merkmalen basiert. Das kennt man beispielsweise auch von der Tierzucht, wo der genomische Zuchtwert schon breit eingesetzt wird.

Eine Supersorte mit überragender Ertragssteigerung wurde trotz der Modernisierung der Zuchtmethoden noch nicht gefunden?

Es geht nicht nur darum, eine Sorte zu entwickeln, die allein das Ziel hat, unter günstigen Bedingungen einen Höchstertrag liefern.

Was sind denn die aktuellen Zuchtziele, wenn nicht Höchsterträge?

Die Ertragsstärke bleibt selbstverständlich ein wichtiges Zuchtziel. Aber heute sind andere Faktoren von Bedeutung, welche früher kaum eine Priorität hatten.

So ist die Resistenz gegenüber Stress wie beispielsweise Trockenheit ganz weit oben auf der Prioritätenliste angesiedelt. Ein solches Zuchtziel ist viel komplexer. Die Fortschritte bei den Zuchtmethoden werden also nicht nur für die Ertragsstärke benötigt.

Ein Landwirt will doch möglichst hohe Erträge ernten, das Maissilo füllen oder hohe Zuckerrübenmengen graben.

Das ist alles gut und recht – und das wird auch nicht vernachlässigt. Aber wenn nur in einem von vier Jahren perfekte Witterungsbedingungen herrschen, um das Potenzial auszuschöpfen, bringt dies langfristig nichts.

Viele Landwirte wollen heute eine Ertragssicherheit. Man pokert nicht immer auf den höchsten Ertrag und verfolgt stattdessen eine Strategie, welche auch bei Trockenheit oder anderen ungünstigen Umwelteinflüssen einen stabilen Ertrag ergibt.

Aber selbstverständlich ist es das Ziel, die Ertragsgarantie, wenn man dem so sagen kann, auf einem hohen Ertragsniveau zu erzielen. Der Landwirt kann aufgrund seiner Standortbedingungen und seinen Erfahrungen die Sorte mit den passenden Eigenschaften dann immer noch regional auswählen.

Wie werden die Züchtungen auf Trockenheit getestet? Erfolgt dies im Labor oder gar am Computer mit künstlicher Intelligenz?

Nein, das wird unter realen Bedingungen getestet. Die Herausforderung dabei ist, Versuchsstandorte zu finden, welche zuverlässig unter Trockenheit leiden, aber dennoch über geeignete übrige Anbaueigenschaften verfügen. Der Aufbau eines solchen Versuchsnetzes quer über Europa hat uns in den letzten Jahren stark beschäftigt.

Was sind weitere Zuchtziele, die man vielleicht vordergründig nicht so erwartet?

Man forscht intensiv an Züchtungen mit einer hohen Nährstoffausnutzung. Man will verstehen, wie Nährstoffe umgesetzt werden und was es braucht, damit ein hoher Wirkungsgrad erzielt wird.

Das soll nicht nur die Wirtschaftlichkeit für den Landwirt verbessern, sondern auch den Einsatz des Düngerbedarfs reduzieren. Auch hier soll ein gewisser Ertrag garantiert werden können, trotz verminderter Nährstoffverfügbarkeit.

Das ist international gesehen eine aktuelle Forderung durch die Absenkpfade der Hilfsstoffeinsätze und in der Schweiz für den Biolandbau eine grosse Chance.

Die KWS bietet ihren Kunden einen Nachsaat-Service an. Wer seine Flächen mittels App meldet, kann bei einer allfälligen Nachsaat das Saatgut zum halben Preis einkaufen. Wie kalkulieren Sie hier?

Der Hintergrund dieser Massnahme ist die Risikoabsicherung. Der Landwirt trägt diverse Risiken rund um den Anbau von Feldfrüchten. Wir haben uns überlegt, wie wir helfen können, diese Risiken mitzutragen. So kam unsere Nachsaat-Versicherung zustande.

Knapp ein Viertel der Kosten einer Einheit Zuckerrübensaatgut sind heutzutage Züchtungskosten. Also Kosten, die für die Forschung und Entwicklung einer Sorte aufgewendet wurden.

Mit dem Kauf einer KWS-Sorte bezahlt uns der Landwirt also etwas für die Nutzung unserer Genetik auf seinem Feld und hilft uns, weiter in die Züchtung zu investieren. Sollte aus irgendwelchen Gründen eine Nachsaat nötig sein, muss der Landwirt nicht ein zweites Mal für die Nutzung der Genetik aufkommen, sondern lediglich für die Produktionskosten des Saatgutes, so unsere Haltung.

Das tönt fair. Aber man denkt hier rasch an die USA, wo Landwirte Nutzungsgebühren für die Pflanzengenetik an die Züchter ausrichten müssen. Besteht nicht die Gefahr, dass man mit neuen Geschäftsmodellen und züchterischen Möglichkeiten auch in Europa in eine starke Abhängigkeit gerät?

Die Schweiz und Europa funktionieren diesbezüglich anders. Und da hier keine gentechnisch veränderten Sorten zum Einsatz kommen, ist dieses Thema für uns weit weg.

Was ich diesem Geschäftsmodell jedoch Positives abgewinnen kann, ist, dass es der Genetik in einer Sorte und der darin enthaltenen Züchtungsarbeit einen Wert gibt. Das Denkmuster von «Saatgutpreis gleich Vermehrungskosten» ist bei uns immer noch verbreitet und aus meiner Sicht veraltet.

Saatgut ist heutzutage weit mehr als gereinigte Körner mit einer hohen Keimfähigkeit. Saatgut ist ein innovatives Produkt, entstanden aus jahrelanger Forschungsarbeit und gleichzeitig der Grundstein für erfolgreichen Pflanzenbau.

 

KWS
KWS ist ein unabhängiges und familiengeführtes Saatgutunter-nehmen mit Hauptsitz in Einbeckim norddeutschen Niedersachsen.
Für Mais, Zuckerrüben und Getreide sowie weitere Kulturen werden Sorten entwickelt, vermehrt und weltweit vermarktet. In der Schweiz ist die KWS mit der Tochtergesellschaft KWS Suisse AG in Basel vertreten.

 

Die Nachsaat-Versicherung
Beet Seed Service und Corn Seed Service sind eine Nachsaat-Absicherung der KWS für Mais-und Zuckerrübenpflanzer. Um den Service zu nutzen reicht eine Registration auf myKWS und die Eintragung der Aussaatflächen bis spätestens fünf Tage nach erfolgter Aussaat. Schäden werden online gemeldet. Im Falle einer Nachsaat gewährt die KWS einen Rabatt von 50 Prozent auf das Saatgut.
Im vergangenen Hagel- und Frostjahr 2021 profitierten in der Schweiz rund 100 Betriebe und über 500 Hektar von diesem Service.