Im Zusammenhang mit der Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» diskutiert man bisher fast nur über die Pflanzenschutzmittel. Dabei geht vergessen, dass auch die Biozide zu den synthetischen Pestiziden gehören.

Keime eindämmen

«Biozide sind Wirkstoffe oder Zubereitungen, die Lebewesen abtöten oder zumindest in ihrer Lebensfunktion einschränken. Sie werden im nichtlandwirtschaftlichen Bereich zur Bekämpfung von Schadorganismen (Insekten, Pilze, Bakterien, Nagern, Algen, usw.) eingesetzt»: So wird der Begriff von der Bundesverwaltung definiert.

Dominique Werner, Leiter Chemikalienrecht bei Scienceindustries, erklärte am «Swiss-Food-Talk» am Montag Begrifflichkeiten und Stoffklassen im Zusammenhang mit Bioziden. Swiss-Food ist eine Allianz von Bayer und Syngenta. Sie verfolgt das Ziel, auf wissenschaftlicher Basis, Fakten seitens der forschenden Industrie im Zusammenhang mit den beiden Agrar-Initiativen vom kommenden Jahr der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Desinfektionsmittel und Mäusegift würden nicht mehr bewilligt

Zu den Bioziden gehören Desinfektionsmittel, Mäusegift, Fliegenbekämpfungsmittel usw. Biozide haben viele verschiedene Einsatzgebiete. Nebst der Landwirtschaft werden sie oft in der ­Lebensmittelverarbeitung ein-gesetzt. Aber auch in der Klimatechnik sind sie von Bedeutung, damit die Frischluft im Büro nicht mit Keimen belastet ist. Sie kommen ferner in Hausfassaden oder Schiffsanstrichen zum Einsatz.

Bedeutend in der Schweinehaltung

Welche Bedeutung Biozide in der Schweinemast haben, erklärte Thomas Kempf, Schweinezüchter und Vizepräsident von Suisseporcs. Dort werden sie eingesetzt, um Fliegen und Mäuse zu bekämpfen. In der Schweinemast werden Biozide auch eingesetzt, wenn ein Futtersilo mit Schädlingen befallen ist.

Verbreitung von Schweinekrankheiten eindämmen

Eine wichtige Bedeutung haben Biozide aber für die Schweinegesundheit. Mithilfe von Desinfektionsmitteln versucht man, die Verbreitung von Schweinekrankheiten, wie zum Beispiel die Afrikanische Schweinepest, zu verhindern.

Die Übertragung von Schwein zu Schwein wird verhindert und auch jene von Betrieb zu Betrieb. Jede Person, die den Schweinestall betritt, muss durch eine Schleuse, andere Kleider anziehen und mit den Füssen durch ein Bad oder über eine Matte mit Desinfektionsmitteln gehen, um nichts in den Stall einzuschleppen.

Wie wichtig Desinfektionsmittel bei der Eindämmung einer Krankheit sind, ist vielen Konsumenten wohl in Zeiten von Corona bewusst. Thomas Kempf betonte, dass Schweinemäster Biozide nicht zum Spass einsetzen würden, denn sie bedeuteten für sie in erster Linie Kosten. Es gelte das Credo:

«Nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich».

Hohe Hygienestandards in der Lebensmittelindustrie

Eine wichtige Bedeutung haben Biozide in der Lebensmittelindustrie, darüber sprach Urs Vollmer. Er ist Leiter Qualitätssicherung und Umwelt bei der Frigemo, einer Fenaco-Tochterfirma, die viele Frisch- und Tiefkühlprodukte für die Gastronomie und den Detailhandel herstellt.

In der Lebensmittelindustrie gelten sehr hohe Hygienestandards, um die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten. «Ohne Reinigungs- und Desinfektionsmittel kann die Lebensmittelsicherheit nicht gewährleistet werden», sagte Vollmer.

Einschränkung der Lebensmittelvielfalt

Doch es geht auch um die Einschränkung der Vielfalt. Mit einer Annahme der Pestizidverbots-Initiative müssten die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten auf vieles verzichten.

Kein Schinken, Trockenfleisch und Wein mehr

So wäre die Herstellung von Schinken, Trockenfleisch usw. nicht mehr möglich, denn auch Pökelsalz gehört zu den Bioziden. «Beim Wein verhindert das Schwefeln die Oxidation und unterdrückt die Hefenachgärung. Ohne das wäre der Wein nach zwei Jahren braun und würde nach Portwein schmecken», so Urs Vollmer.

Auch Import wäre verboten

Auch gäbe es ohne Keimhemmungsmittel Kartoffeln und Zwiebeln nur noch von August bis März. Falls die Pestidverbots-Initiative angenommen würde, dürften auch keine solchen Lebensmittel mehr importiert werden. 

Weitere Informationen: www.swiss-food.ch