Mich beeindruckt immer wieder, welch grosse Leistungen Bäuerinnen erbringen: nebst Haushalt, Kinderbetreuung, Garten usw. leisten sie unverzichtbare Arbeiten in Büro, Stall und auf dem Feld. Sehr oft werden sie jedoch für diese Arbeit nicht entlöhnt. Sie sind auch ungenügend risikoversichert, und sie verfügen mehrheitlich über keine eigene Altersvorsorge. Ist das im Jahr 2020 noch zumutbar?

 

Internationaler Tag der Landfrau

Am 15. Oktober ist der internationale Tag der Landfrau. Ebenfalls hätte am 15. Oktober der Tag der Bäuerin an der OLMA stattfinden sollen, leider musste er Corona-beding abgesagt werden. 

Der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV) und Swissaid nahmen den internationalen Tag der Landfrau zum Anlass, in der Woche vom 12. bis 16. Oktober, Bäuerinnen aus der Schweiz und dem globalen Süden zu Wort kommen zu lassen und unter dem Titel: «Ich trete aus dem Schatten», ihre soziale Absicherung  zu thematisieren. Gestartet wurde die Aktionswoche mit einer gratis Hotline, bei der man sich von Anwaltspersonen über die soziale Absicherung und Entlöhnung beraten lassen konnte.

Mehr Informationen zum Projekt «Ich trete aus dem Schatten» findet man auf der Facebookseite des SBLV.

Auch der Gastkommentar von Markus Ming, bringt die ungenügende soziale Absicherung der Bäuerin auf den Punkt. 

 

Die Berechnungen bei der Vergabe der staatlichen Finanzierungsmittel sind falsch

Die von Bauernvertretern oft geäusserte Begründung, dass die tiefen Einkommen es nicht zuliessen, für die Bäuerin einen Lohn abzurechnen, gibt mir zu denken. Warum kommt es so oft vor, dass das landwirtschaftliche Einkommen nicht ausreicht, um die Bäuerin anständig zu entlöhnen? Für mich hat das schon lange System. Es ist die logische Folge, der seit Jahren falsch gerechneten Investitionsfolgen in der Landwirtschaft. Die Berechnungen, die bei der Vergabe von staatlichen Finanzierungsmitteln wie zinsfreie Kredite und Subvention erstellt werden, sind ungenügend bis komplett falsch. Die staatlichen Finanzierungshilfen fliessen, wenn der Nachweis der Tragbarkeit der geplanten Investition erbracht werden kann. Diese sogenannte Tragbarkeitsrechnung gilt es dringend zu hinterfragen. Im Art. 8 der Strukturverbesserungsverordnung des Bundes steht aktuell noch, dass die Finanzierbarkeit und die Tragbarkeit der vorgesehenen Investition vor der Gewährung der Investitionshilfen ausgewiesen sein muss. Die vorgesehene Investition gilt dann als tragbar, wenn der Gesuchsteller oder die Gesuchstellerin in der Lage ist, die laufenden Ausgaben für Betrieb und Familie zu decken, die anfallenden Zinsverpflichtungen zu erfüllen, den Rückzahlungsverpflichtungen nachzukommen, die künftig notwendigen Investitionen zu tätigen und zahlungsfähig zu bleiben.

 

Zur Person

Markus Ming ist Meisterlandwirt, Treuhänder mit eidg. Fachausweis und Altkantonsrat GLP Kanton Schwyz.

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Markus Ming (Bild zVg/Markus Ming)

 

Einfach alle Rechnungen zu zahlen, reicht nicht

Doch genügt es heute noch, wenn einfach alle Rechnungen bezahlt werden können? Es ist aktuell immer noch nicht erforderlich, dass nach Projekt-Abschluss die geleistete Arbeit des Bauern und seiner Familienangehörigen angemessen abgegolten werden kann. Wie soll also der Bäuerin nach dem Stallbau ein angemessener Lohn ausbezahlt werden, wenn dieser Lohn bei der Tragbarkeitsrechnung gar nie berücksichtigt wurde?

Diese Tragbarkeitsrechnung wirkt sogar noch schlimmer. Das ausserbetriebliche Erwerbseinkommen der Bäuerin wird bei der Tragbarkeitsrechnung bei einem Stallbau voll mitgerechnet. Erzielt sie ein gutes auswärtiges Nebeneinkommen, so wird dadurch systematisch ermöglicht, dass der Bau grosszügiger und somit auch kostenintensiver sein darf.

Bei Trennung steht die Bäuerin mit leeren Händen da

Gleichzeitig werden bei Investitionen oft das Eigengut der Bäuerin sowie das gesamte, gemeinsame Ersparte der Familie eingesetzt. Eine angemessene Verzinsung dieser Eigenmittel ist kein Thema und die Sicherung einer Altersvorsorge für beide Ehegatten fehlt gänzlich. So überrascht es nicht, dass, wenn es zu einer Trennung kommt, die Bäuerin alles Ersparte verliert und mit leeren Händen dasteht.

Es darf in Zukunft auf keinen Fall mehr sein, dass bei Investitionen in Betriebsgebäude das auswärtige Einkommen der Bäuerin oder die geplante Gratisarbeit der Bäuerin dazu führt, dass unwirtschaftliche Betriebsstrukturen erhalten bzw. solche auf Jahre hinaus neu geschaffen werden. Die staatlichen Investitionshilfen sind wichtig, und es lohnt sich sogar, über deren Ausbau nachzudenken. Doch diese dürfen nicht mehr zur systematischen Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der Bäuerinnen führen. Aktuell tragen mehrheitlich die Bäuerinnen die Folgen von Investitionsprojekten, die eine ungenügende Wirtschaftlichkeit ausweisen.

Stattliche Hilfe soll nur noch bekommen, wer genügend abgesichert ist

Die Bäuerinnen haben es nicht mehr länger verdient, die finanziell am schlechtesten abgesicherten Frauen in der Schweiz zu sein: Staatliche Investitionshilfen sollte in Zukunft nur noch erhalten dürfen, wer alle Familienmitglieder angemessen entlöhnen und wer sich und seine Angehörigen gegen die Risiken wie Invalidität, Tod und Alter genügend absichern kann.