Kurz & bündig

- Kupfer ist ein effektives Fungizid, das im konventionellen und im biologischen Landbau die Kulturen zuverlässig schützt.
- Kupfer kann sich im Boden anreichern. Deshalb sucht das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL nach Alternativen.
- Erste Erfolge erzielten Barbara Thürig und andere FiBL-ForscherInnen im Labor und im Rebberg.
- Eine grosse Hürde bleibt aber die Zulassung. Es wurde daher noch kein Produkt auf dem Markt eingeführt.

Die Trauben sind bereits geerntet. Das Laub an den Rebstöcken ist noch grün, zeigt aber erste Anzeichen von Herbst. Es zeigt auch Anzeichen von Pilzbefall, jedoch eher gering, verglichen mit anderen Jahren.

Das freut nicht nur den Winzer, sondern auch Barbara Thürig: «Der Praxisversuch war erfolgreich.» Die Biologin forscht am Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL an alternativen biologischen Pflanzenschutzmitteln – alternativ zu Kupfer.

Die fünf Reihen im FiBL-Rebberg, die Thürig begutachtet, wurden in der Saison 2023 mit einer vielversprechenden Alternative behandelt. «Leider darf ich nicht sagen, worum es sich bei diesem Pflanzenextrakt handelt. Wir sind noch zu früh in der Entwicklung und behalten daher die Informationen für uns», sagt Thürig.

Einfluss auf den Pilz und den Wein

Was sie sagen kann, ist, dass der Extrakt eine gute Wirkung zeigt. Vor allem in Jahren mit mittelgrossem Krankheitsdruck hatte sich dieser Wirkstoff bewährt.

Im aktuellen Praxisversuch im Rebberg des FiBL wird denn auch nicht nur auf den Pilzbefall geachtet, sondern auch auf die Vinifikation, also auf den Prozess der Weinherstellung. Denn dieser Pflanzenextrakt hatte in einem früheren Jahrgang zu leichten geschmacklichen Veränderungen im Wein geführt – was natürlich nicht erwünscht ist.

«Andreas Tuchschmid, der Winzer und Kellermeister des FiBLs, hat daraufhin die Strategie angepasst und früher im Jahr vom Extrakt auf Kupfer gewechselt. Ende August wird dann vorschriftsmässig auch das gestoppt, um bei der Ernte sicherlich kein Kupfer auf den Trauben zu haben», so Barbara Thürig.

Gegen Echten und Falschen Mehltau

[IMG 2] Kupfer ist ein wirkungsvolles Pflanzenschutzmittel. Wird das Schwermetall auf die Blätter von Reben appliziert, werden Infektionen mit dem Falschen und Echten Mehltau verhindert. Das Kupfer dringt in die Zellen der Pathogene ein und behindert deren Stoffwechsel, woraufhin die Pilze absterben. Das ist insofern wichtig, als dass der Mehltau unbehandelt zu Ertragsausfällen von bis zu 100 Prozent führen kann.

Kommt der Regen, wird das Pflanzenschutzmittel mit der Zeit von den Blättern gewaschen. Dadurch – sowie bei der Applikation – gelangt Kupfer in den Boden, wo es sich anreichert, falls mehr Kupfer eingetragen wird, als von den Pflanzen wieder aufgenommen wird.

Ein Abbau des Schwermetalls findet kaum statt. Vielmehr bindet Kupfer an mineralische und organische Bodenbestandteile und wird so immobilisiert.

Kupfer «unter der Lupe» der nationalen Bodenbeobachtung

Hohe Kupfer-Konzentrationen im Boden können Auswirkungen auf Bodenorganismen haben. Ihr Stoffwechsel kann beeinträchtigt werden.

Bei einigen Mikroorganismen ist ausserdem eine Resistenz gegen Kupfer aufgetreten. Sie sind damit im Vorteil gegenüber anderen und werden dominanter. Darunter kann die Biodiversität im Boden leiden.

Agroscope führt jährlich die nationale Bodenbeobachtung (Nabo) durch. Gemäss der Nabo gelangt Kupfer über zwei Quellen in die landwirtschaftlichen Böden:

  • über Pflanzenschutzmittel
  • über Hofdünger

Kupfer im Boden nimmt zu

Die grössten Nettoflüsse (Einträge minus Austräge) wurden dabei in Rebbergen festgestellt, wo die Schwermetalle via Pflanzenschutzmittel in den Boden gelangen. Dabei wird nicht zwischen biologischer und konventioneller Produktion unterschieden.

Von 1985 bis 2017 schwankte der durchschnittliche Nettofluss im Rebberg zwischen 1400 und 2400 g Kupfer pro Hektar und Jahr. Das führt zu einer Zunahme der Kupfergehalte im Boden, die bei der letzten Erhebung in den drei Rebbergen im Schnitt 266,5 mg Kupfer pro kg Boden betrugen.

Auf den 27 untersuchten Ackerbau- und 11 Grasland-Parzellen mit grosser Tierdichte gelangten zwischen 1985 und 2017 durchschnittlich bis 400 g Kupfer pro Hektar und Jahr aufs Feld.

Kupfer wird nicht nur im Pflanzenschutz eingesetzt

Hauptquelle bei intensiv genutztem Grünland ist der Hofdünger, heisst es im Nabo-Bericht 2021. Ursache seien hier die Schwermetalle im Futter – die in geringer Menge als wichtige Spurenelemente an die Tiere verfüttert werden. Die letztmals gemessenen Kupfergehalte in intensiv genutztem Grasland betrugen im Durchschnitt 26,6 mg Kupfer pro kg Boden.

Dabei muss relativiert werden: in niedrigen Mengen sind Kupfer und Zink lebensnotwendige Spurenelemente. Ihre Toxizität ist also eine Frage der Menge. «Es gibt Pflanzenschutzmittel, die viel toxischer sind», bestätigt Barbara Thürig.

Ergänzende Massnahmen zum Schutz der Reben

Sortenwahl: «Sie ist das A und O», sagt Barbara Thürig und zeigt auf die pilzresistenten Sorten (Piwi), die ohne Kupfereinsatz einen nach wie vor gesunden Eindruck machen.

Management: Dazu gehört beispielsweise, dass mittels Wetterdaten das Risiko einer Infektion besser abgeschätzt wird und dadurch im besten Fall PSM-Spritzungen eingespart werden können.

Pflanzenextrakte als Kupfer-Ersatz

Nichtsdestotrotz ist es sinnvoll, nach Alternativen zu Kupfer zu suchen. Das FiBL forscht dazu schon seit Jahrzehnten. «Wir haben 3500 Pflanzenextrakte auf ihre Wirkung gegen Pathogene getestet», erzählt Thürig. Die meisten dieser Extrakte sind bereits in einem ersten Laborversuch gescheitert. Nur die wenigsten werden schliesslich auf dem Feld oder im Rebberg in einem Praxisversuch getestet.

Einige dieser natürlichen Wirkstoffe ergaben in den jahrelangen Versuchen bereits vielversprechende Resultate. Dabei müssen allerdings einige Kompromisse eingegangen werden.

Ein Beispiel: Kupfer hat ohne Regen auch nach zwei Wochen auf dem Blatt noch eine Wirkung. Bei den Pflanzenextrakten ist die Wirkung oft nach fünf Tagen bereits reduziert. Im Vergleich von Kupfer und Pflanzenextrakten gilt deshalb:

  • Minuspunkt: Pflanzenextrakte müssen regelmässiger appliziert werden.
  • Pluspunkt: Pflanzenextrakte werden mit grosser Wahrscheinlichkeit auch im Boden oder auf Lebensmitteln keine Rückstände hinterlassen.

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«Wir müssen davon ausgehen, dass es mehrere Alternativen für Kupfer-haltige Pflanzenschutzmittel braucht», sagt Barbara Thürig. Denn Kupfer hat heute ein breites Einsatzspektrum und wird in grossen Mengen eingesetzt. Da kann keiner der Pflanzen-extrakte mithalten.

«Es ist daher realistischer, dass der Landwirt in Zukunft verschiedene Pflanzenschutzmittel lagert und diese abwechselnd und nach Bedarf einsetzt: Wenn der Krankheitsdruck gering bis mittel ist, reicht ein schwächeres Mittel. Wenn das Risiko einer Infektion hoch ist – beispielsweise während der Blüte – dann wechselt man auf Kupfer oder ein anderes Mittel mit erhöhter Wirksamkeit», sagt Barbara Thürig.

Die Zulassung von pflanzlichen Wirkstoffen ist eine Hürde

Vom Rebberg geht es ins Labor. Dort öffnet Barbara Thürig einen Eimer und sofort strömt ein Duft heraus, der stark an sonnige Engadiner Wälder erinnert. Im Eimer befindet sich eine gelblich-bräunliche feste Masse.

Es handelt sich um eine weitere vielversprechende Kupfer-Alternative, über die Barbara Thürig etwas mehr verraten darf. [IMG 4]

«Das ist Larixyne, ein Extrakt aus der Rinde der Lärche. Larixyne wirkt bei Reben gegen echten und falschen Mehltau, bei Gurken gegen Mehltau und bei Tomaten gegen Krautfäule.»

Die Tests von Larixyne im Labor und Rebberg sind recht weit fortgeschritten. Es zeigt gute Wirksamkeit gegen die Pathogene. Das Spritzmittel ist gut applizierbar, verteilt sich gut auf den Blättern und auch der Spritztank kann anschliessend gut gereinigt werden. Und dem Wein verleiht Larixyne keinen Beigeschmack.

Nichtsdestotrotz wird es noch Jahre dauern, bis Larixyne auf dem Markt erhältlich sein wird. «Die grosse Hürde ist die Zulassung», sagt Thürig. Dazu muss ein umfassendes Dossier mit Testergebnissen und wissenschaftlichen Auswertungen erstellt werden.

Die Zulassungsprozesse sind ausserdem für einzelne Wirkstoffe konzipiert worden. Für «botanical actives», also für pflanzliche Wirkstoffe, bringt dies zusätzliche administrative Herausforderungen mit sich.

Die Lärchenrinde von Bäumen aus dem Alpenraum

[IMG 5] Das Zulassungsprozedere kostet sehr viel Geld. Das verteuert die Pflanzenextrakte zusätzlich. Und dies, obwohl sie preislich sowieso nicht mit dem äusserst günstigen Kupfer mithalten können. «Die Politik muss hier weiter regulieren», sagt Thürig. 

Ausserdem wird die Lieferkette optimiert werden müssen. Aktuell stammt die Lärchenrinde von Bäumen aus dem Alpenraum.

Bis es im Rebberg nach Lärchenwald riecht, wird es noch dauern. Bis dahin wird Kupfer weiterhin eine zentrale Rolle beim Pflanzenschutz spielen. Denn auch wenn es nicht optimal für das Bodenleben ist: Es ist aktuell die beste und effektivste Lösung zum Schutz der Reben.

Kupfereinsatz nach Bio Suisse-Richtlinien
Für Kupferpräparate gelten folgende Höchstmengen für Reinkupfer pro ha behandelte Fläche und Jahr:

- Alle Ackerkulturen ausser Kartoffeln: kein Einsatz
- Kernobst 1,5 kg (im Zusammenhang mit Strategien zur Bekämpfung des Feuerbrandes bis 4 kg)
- Beerenobst 2 kg
- Weinbau 4 kg

Wobei diese Menge über einen Zeitraum von 5 Jahren bilanziert werden kann. Dabei darf die Höchstmenge von 3 kg pro ha gesamtbetriebliche Rebfläche und Jahr nicht überschritten werden. Für Einsatzmengen über 4 kg pro ha und Jahr besteht eine obligatorische Meldepflicht an die Zertifizierungsstelle.

- Für die übrigen Spezialkulturen und für Kartoffeln gilt die Höchstmenge gemäss der Schweizer Bio-Verordnung (4 kg).

Auszug aus den Richtlinien von Bio Suisse